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2008-11-18 DE – München - Titanic City

Bereits um halb acht lungern die ersten Fans der rumänischen Metal Institution und deren Begleitern für diesen Abend, ODEM ARCARUM und AMYSTERY, vor dem Titanic City im wunderschönen Stadtteil Schwabing, dem Herzen Münchens, herum. Relaxt und voller Vorfreude werden die letzten Zigaretten geraucht, bevor die Tore um kurz nach acht geöffnet werden: „Hereinspaziert, ihr dunklen Seelen!“
Ich bin leider alles andere als gut im schätzen, deswegen hoffe ich, dass das liebe Titanic City Team hier Rücksicht auf mich nimmt. Aber ich denke mal, dass trotz der Konkurrenzveranstaltung mit Slayer, Amon Amarth und Co. im Zenith gute 120 Nasen ihren Weg ins Titanic gefunden haben.

:: Fotos ::

Erstmal drin, schaue ich doch gleich mal zum Merchandisestand, und siehe da, Hoodies für 20€, da muss man doch glatt zuschlagen. Überhaupt möchte ich eingangs festhalten, dass die sympathischen Rumänen sowohl für den armen Studenten/Schüler als auch für den berufstätigen Metalhead äußerst faire Preise anbieten, sei es beim Eintritt oder eben beim Merchandise. Hier schon mal ganz klar eine 1+.

Als Anheizer wurden für den heutigen Abend die Münchner :: ODEM ARCARUM :: eingeladen, die Band um NEGURA BUNGET Aushilfsbasser Michael aka Arioch, der hier als singender Gitarrist auftritt. Und das macht er richtig gut.
Vom ersten Song an weiß die Band mit ihrem komplexen Black Metal zu überzeugen, bewegt sich hauptsächlich im Midtempo und präsentiert sich technisch sehr ausgereift. Arioch übernimmt die Leadarbeit an der Klampfe, was für mich persönlich immer wieder faszinierend ist. Denn die Doppelbelastung Instrument/Gesang ist alles andere als ein Zuckerschlecken, was mir auch NEGURA BUNGET Sänger Hupogrammos, der den gesamten Gig in vorderster Reihe beobachtet und mitbangt, beim anschließenden Gespräch bestätigt (der – ehrlich, wie er ist – zugibt, vor allem bei besonders schwierigen Gitarrenriffs die Gesangsparts an den Percussionisten Ageru weiterzugeben... Aber dazu später mehr!).
Nach knappen 25 Minuten ist dann schon Schicht im Schacht. Ein furioser Einstieg – ODEM ARCARUM sollte man unbedingt im Auge behalten!

:: AMYSTERY :: als zweiter Act orientiert sich sehr stark an den Anfängen der zweiten Black Metal Welle aus Norwegen. Vor allem Darkthrones primitives Element und Endstilles feines Gespür für Melodie und Harmonie scheinen es den Bayern angetan zu haben. An der Performance von AMYSTERY gibt es gar nix zu meckern, auch wenn Frontmann Nephesus (ein Exzentriker vor dem Herrn) etwas angepisst wirkt ob der Passivität des Münchner Publikums und sich mit debilen Aktionen (mal drückt er sich 'ne Kippe auf der Zunge, mal auf dem Oberkörper aus... was als eher belustigend aufgefasst wurde als als furchteinflößend) und Aussagen („Auf geht’s, ihr Wichser!“) nicht unbedingt sonderlich beliebt macht unter denen, die die Band zuvor noch nicht gekannt haben. Wie man sich auch ohne Imageverliebtheit souverän präsentieren kann, hat Odem Arcanum bewiesen und werden vor allem Negura Bunget beweisen. Im Vergleich zur Vorband haben AMYSTERY ein wenig mit Soundproblemen an der Klampfe zu kämpfen. Der Verzerrer scheint einen Wackler zu haben, weswegen es ab und an zu unbeabsichtigten Dynamikschwankungen im Gitarrenwall kommt. Ansonsten gibt’s an dem Auftritt nichts auszusetzen und soweit beweisen Negura Bunget einmal mehr, dass sie bei der Auswahl ihrer Begleitbands wert legen auf Abwechslungsreichtum im stilistischen Bereich und vor allem auf Qualität.

Jetzt ist’s aber an der Zeit für Rumäniens Exportschlager Nr. 1. Nix da mit Starallüren oder dergleichen. :: NEGURA BUNGET :: bauen ihr Liveequipment selbst auf, da wo sich andere, vom Bekanntheitsgrad ähnliche Bands noch im Backstageraum tümmeln. Bereits kurz nach Einlass konnte mir Gitarrist Sol einen Crashkurs in Sachen rumänischer Linguistik geben, um anschließend der schüchternen Livekeyboarderin Inia zu entlocken, dass sie sich nicht als festes Bandmitglied sieht, sondern eher als Sessionmusikerin. Das sieht Negru [NEGURA BUNGET Schlagzeuger; Anm. d. Verf.] aber anders. Während eines kurzen und sehr gemütlichen Plausches nach dem Auftritt zeigt er sich sehr begeistert von der aktuellen Besetzung seiner Hauptband und geht davon aus, dass man in der Konstellation auch langfristig zusammenarbeiten wird, auch wenn der Songwritingprozess im berüchtigten Trio infernale (Hupogrammos, Negru und Sol) von statten geht. Ganz nebenher bestätigt mir Negru, dass bislang nur ein neuer Song fürs kommende Album geschrieben wurde. Das Songwritingtempo soll in den kommenden Monaten aber deutlich angehoben werden, damit man sich dann zeitig im bandeigenen Studio verschanzen kann, um den hungrigen Anhängern der Band neue Delikatessen vorwerfen zu können. So viel zu den News...
Dajana hat nicht zu dick aufgetragen, als sie meinte, der NEGURA BUNGET Auftritt in Essen einige Tage zuvor sei einer der Top3-Gigs des Jahres 2008 für sie gewesen. Dies trifft hier und heute mit wenigen Abstrichen auch auf mich zu.
Hochkonzentriert, aber äußerst entspannt geht das Sextett zu Werke und präsentiert dem dankbaren Münchner Publikum knapp anderthalb Stunden Material zum träumen, meditieren und zum ausrenken des ein oder anderen Halswirbels. Hauptaugenmerk liegt zum einen auf dem richtungsweisenden Meilenstein und DEM Referenzwerk in Sachen intelligenter Black Metal des 21. Jahrhunderts Om und zum anderen auf dem 2002er Album 'N Crugu Bradului, das hier fast komplett gezockt wurde.
Dass das Publikum, welches NEGURA BUNGET größtenteils wohl erst seit dem letzten Album kennt, auch dazu am intensivsten reagieren würde, war von vornherein klar. Aber trotzdem ein äußerst kluger Zug, den Anwesenden auch älteres (nicht weniger interessantes) Material nahezulegen.

Wie aus einem Guss kommt bei glasklarem Sound (hier ein Dank an den Soundmann, der auch auf dem Summer Breeze 2008 trotz Verspätung und dem dadurch auf fünf Minuten reduzierten Soundcheck einen klasse Job abgeliefert hat) jedes einzelne Instrument und Hupogrammos Gesang deutlich zum Vorschein. Der Fronter teilt sich live (wie eingangs erwähnt) die Gesangsparts mit dem ebenfalls äußerst talentierten Percussionisten Ageru. Ist ja auch klar. Denn bei solch komplexer Musik und technisch höchst anspruchsvollen Riffs sollte man die vorhandenen Ressourcen voll nutzen, um maximale Leistung zu erzielen...
Lässig und routiniert, aber niemals zu selbstsicher und arrogant, kommuniziert Hupogrammos mit dem Publikum und beschränkt sich dabei auf das nötigste. Er selbst sieht sich nicht als großen Redner und sorgt trotzdem für den Lacher des Abends, als Ariochs Bass zum mucken beginnt. Die dadurch bedingte Pause nutzt der Sänger zu einem lässigen „Well, I’m not that good at speeches... So, I suggest.... silence!“. Und als das Bassproblem endlich behoben wurde, schiebt Hupogrammos ein cooles „Silence always helps“ nach.
Einziger Wermutstropfen (neben den technischen Problemen mit dem Bass) ist ein besoffener Besucher, der direkt vor Hupogrammos hin- und herwankt und sowohl ihn selbst als auch seine Klampfe ständig berührt, was dazu führt, dass sich die Gitarre verstimmt. Professionell wird der angefangene Song zu ende gespielt. Nach dem letzten Ton schiebt der Sänger seinen Mikroständer beiseite und macht den sichtlich überraschten Trunkenbold zur Sau. Richtig so!
Und trotzdem scheint auch NEGURA BUNGET vom Münchner Publikum angetan zu sein, denn nach tosendem Applaus kommen die sympathischen Rumänen noch einmal auf die Bühne, um die schwarzen Seelen mit Vazduh in die eisig kalte Nacht zu schicken.
Setlist: IIII, Intro Bruiestru + Cunoasterea Tacuta, Inarborat, Norilor, Hora Soarelui, II+III, Cel Din Urma Vis, Tesarul De Lumini, Vazduh

Abschließend möchte ich mich Dajanas Schlussworten anschließen. Unzählige, gähnend langweilige Bands bringen Live DVDs (oftmals mehr als eine) auf den Markt und wirklich revolutionären Bands fehlt dann oftmals das nötige Kleingeld, ein solches Projekt zu finanzieren. Mal sehen, ob sich ein etwas größeres Label finden lässt, welches der Band die Möglichkeit bieten würde, ihre denkwürdigen Liveperformances auf DVD zu bannen, denn der Vertrag mit code666 [NEGURA BUNGETs Label – Anm. d. Verf.] läuft nach dem nächsten Album ab.
Hupogrammos & Co., Ihr seid immer wieder gern gesehene Gäste bei uns und habt durch Eure freundliche und ehrliche Art einen Haufen neuer Freunde angesammelt.

 

story © Haris • photos © Michel Winterer