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2005-09-17 DE – Hamburg - Grünspan
2005-09-08 GB – London - Mean Fiddler

Als wir auf das Grünspan zulaufen, haben sich schon eine Menge OPETH-Begeisterte zwischen Tourbus und Eingang eingefunden. Dabei ist es noch wirklich früh. Wir haben ja noch einen Interviewtermin mit Basser Martin Mendez. Zunächst dürfen wir mit noch zwei anderen Schreiberlingen, die mit Mikael Åkerfeld verabredet sind, vor dem Hintereingang des Grünspan warten, bis die Soundchecks gelaufen sind. Ein paar Betonstufen, verrostete Geländer, Brettertüren, wucherndes Unkraut an maroden Häuserkanten und geschäftig laufen Bandmitglieder und Roadies hin und her.
Schließlich kommen uns Mikael Åkerfeld und Martin Mendez entgegen. „Könnt ihr das hier draußen machen?“, fragt die Koordinatorin von Roadrunner Records. Die beiden Musiker sind davon nicht begeistert und nehmen uns in den Tourbus mit. „Kümmert euch nicht um die Jazz-Magazine!“, meint Mikael grinsend, während er selbige von Tisch und Sofa wischt. Ich setze mich versehentlich auf ein Gamepad – hoffentlich ist es heil geblieben. Es folgt ein nettes, etwas holpriges Gespräch mit einem sichtlich zufriedenen Martin Mendez.
Als wir uns verabschieden, frage ich noch, wie viele Leute in dem Bus leben während der Tour. Es sind zehn – recht eng, ja. Unten wird der Tontechniker noch tätowiert. Mikael schient auch zu wollen. Ihm wird aber abgeraten, da er – wie sollte es anders sein – erkältet ist. Wir wundern uns: hatte er nicht mal erwähnt, dass es sich niemals ein Tattoo stechen lassen wollte?

:: Fotos ::

Gut getimed! Aus dem Bus direkt in die Schlange vor dem Eingang und rein ins Vergnügen. Da ist auch gleich der Merchandizing-Stand, der erst mal um ein paar Items erleichtert wird – selbiges gilt für unsere Portemonnaies. Dann rauf in die Galerie – man muss sich ja einen Überblick verschaffen. Schönes Ambiente! Dieses leicht morbide, altmodisch-pompöse (Film-)Theater schient wie geschaffen für ein OPETH-Konzert. Nun sollten wir uns aber doch besser einen Platz an der Bühne ergattern! Das ist schon gar nicht mehr so einfach! Denn es geht auch schon ungefähr los.

Erst mal wollen uns :: EXTOL :: zeigen, was sie unter Musik verstehen. Sie rocken mit einem ordentlichen Brett los, das in Anbetracht des zarten Alters der fünf norwegischen Jungs doch beachtlich ist. Trotzdem klingt das alles zu sehr nach einer Mischung aus gut gemeintem Thrash-, ein bisschen Death- und viel zu viel Nu-Metal. Auch versuchen EXTOL nicht einmal, mit dem Publikum Kontakt aufzunehmen und sind nach etwa vier Songs auch schon wieder verschwunden. Später erfahren wir, dass die niedlichen Norweger allesamt von der bösen Tourerkältung kaltgestellt waren, so dass man nochmals ein paar Augen zudrücken muss, wenn man ihren Auftritt bewerten will.

Was folgt, ist die obligatorische Umbaupause, die sich unheimlich streckt. Eine kleine Entschädigung bietet sich in der Entdeckung eines Labtops hinter der Bühne, auf dem als Bildschirmschoner Fotos von Mikaels Frau und Tochter in einer Slideshow laufen. Ach, ist das sympathisch!

Endlich entern Martin Mendez, Martin Lopez, Mikael Åkerfeld, Per Viberg und Peter Lindgren die Bühne und das Publikum jubelt. Moment: seit wann hat Lopez seine Haare blond gefärbt? Oh, nein! Das ist gar nicht Lopez – an den Drums müssen wir mit dem Bloodbath-Trommler Martin Axenrot vorlieb nehmen. Und dann geht es so richtig los! Mit dem neuen Hammer-Song The Baying Of The Hounds heizen :: OPETH :: uns von Anfang an auf höchstem Niveau ein.
Mike scheint gut gelaunt und kommunikativ, was sogar vom Publikum aus dem kühlen deutschen Norden gerne aufgenommen wird. Anfangs werden noch „Musikwünsche“ Richtung Bühne gerufen. Mike quittiert das mit einem strengen „Shut the fuck up!!!“, und entrüstet: „Wir sind hier doch kein Wunschkonzert! Wenn wir alt und fett geworden sind, dann werden wir vielleicht Wunschkonzerte spielen… ähm, ein bisschen alt und fett sind wir ja schon, aber momentan SPIELEN WIR IMMER NOCH WAS _WIR_ WOLLEN!!!“ – und immer hat er diesen typischen Schalk in den Augen, durch den man ihm nichts übel nehmen kann, egal wie böse oder gar arrogant seine Kommentare auch sein mögen.
Wir waren gespannt, ob wir auch Songs von älteren Alben zu hören bekommen würden und werden promt mit einem konfrontiert: When lässt die ausverkaufte Location erbeben und hunderte Frisuren werden durcheinander geschüttelt. Als ein außergewöhnlich ruhiger Song wird Deliverance angekündigt und als dann zwei wirklich ruhige von der Damnation gespielt werden, entschuldigt sich Mike fast: „Ich mag diese Stücke sehr!“
Die Band rockt auf der Bühne ab, nur Peter steht fast die gesamte Zeit ruhig da. Martin A. und Per sind leider nur schlecht zu erkennen hinter ihren Instrumenten, doch Pers Haare fliegen immer mal wieder hinter den schwarz verhängten Keyboards hervor. Die Lightshow ist schlicht aber stimmungsvoll. Zwei große Scheinwerfer stehen im Mittelgrund auf der Bühne und leuchten von schräg unten Richtung Publikum. Viel Nebel macht es zum Ende hin immer schwerer, die Musiker zu sehen oder gar zu fotografieren.
Irgendeinen Zwischenruf versteht Mike als Scooter und das nimmt er dankbar auf: Scooter wäre ja wohl das letzte, das er jemals zu hören bekommen hätte! Und als wir ihm alle lautstark beipflichten bemerkt er, er sei sehr beruhigt, dass wir das auch alle so sehen. Deutschkenntnisse werden präsentiert: „Mein Hund ist dunkelblau!“, na ob das wirklich was mit Deutschkenntnissen zu tun hat *g*.
Die Setlist lässt uns eins ums andere Mal Luftsprünge machen und je weiter das Konzert fortschreitet, wird uns klar, dass es sich dabei um ein regelrechtes Best Of handelt. Als dann Face Of Melinda angekündigt wird, gibt es bei mir kein Halten mehr und das Konzert wird damit zu einem der Besten, das ich jemals besucht habe!
Gegen Ende macht sich Mike noch mal über den Animations- und Kommunikationswahn auf Konzerten lustig. „Wisst ihr was ein 4/4-Takt ist?“ - „Jaja!“ - „Wer jaja sagt, weiß es nicht! Unser Drummer zeigt euch jetzt, was ein 4/4-Takt ist!“, Martin A. spielt einen an. „Gut! Wisst ihr auch was Headbangen ist?“ – „Jaaaa!“ – “Ja??? Na gut! Auf ‘nen 4/4-Takt kann man nämlich prima Headbangen! So jetzt macht mal!” Die Drums geben uns einen cleanen 4/4-Takt vor und die ganze Halle lässt die Haare fliegen. „Okay“, sagt Mike, „der nächste Song ist im 4/4-Takt und wir werden jetzt alle ungefähr zwölf Minuten lang zusammen headbangen!!!“ Leider halten es nicht alle komplett durch, aber Blackwater Park ist ja auch lang und man möchte die Band ja auch immer mal wieder in Augenschein nehmen.
OPETH verabschieden sich kurz, nur um gleich wieder für die Zugaben da zu sein. Nach vollen zwei Stunden exzellenter Musik, hervorragend dargeboten, sind wir klatsch-nass und glücklich und wir wünschen uns, die Möglichkeit zu haben, Mikes Ankündigung zu folgen und im Winter eines der Konzerte in Süddeutschland besuchen zu können. Ob dann auch Lopez wieder dabei sein wird? Wir hoffen natürlich, dass er sich wieder erholt und der Band erhalten bleibt. Schade, dass wir ich nicht hier schon zu Gesicht bekommen haben!
So bleibt nur noch zu sagen: OPETH? Immer wieder!!!
Setlist: The Baying of the Hounds / When / Deliverance / In My Time of Need / To Rid the Disease / To Rid the Disease / The Drapery Falls / The Grand Conjuration / Face of Melinda / Blackwater Park // Demon of the Fall

 

story & pics © moonchild