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20th Anniversary Special Show

 
2010-04-01 DE – Essen - Lichtburg

20 Jahre OPETH und ein Sänger, der sich noch immer wie 20 fühlt und der Band eh nur beigetreten ist, weil im Logo ein umgedrehtes Kreuz zu finden war und er das cool fand ;)

Zur Feier des 20-jährigen Bestehens hatten sich :: OPETH :: wirklich was ganz Besonderes ausgedacht: eine Tournee mit nur einem halben Dutzend Auftritten in 5 Ländern dieser Welt (Schweden, Deutschland, Frankreich, UK und die USA), bei denen dann aber nicht das gewohnte Konzert-Programm geboten werden sollte. Stattdessen war schon vorher klar, dass sich die Show in zwei Teile gliedern würde. Zum einen das komplette Blackwater Park Album, welches der Band seinerzeit zum Durchbruch verhalf, zum anderen eine Art Best Of-Set, zusammengestellt aus den restlichen Alben.

Um dem Anlass gerecht zu werden und einen entsprechend festlichen Rahmen zu bieten, hatte die Band nicht die üblichen Hallen gebucht, sondern sich Mühe gegeben, hier ebenfalls mal was anderes zu machen. In Deutschland fiel die Wahl somit auf die Lichtburg in Essen, ein wunderbar altmodisches Kino/Theater, welches noch über einen richtigen Balkon, eine echte Bühne und plüschiges Mobiliar verfügt. Und den eigentlich ausgestorbenen Beruf des Platzanweisers kann man dort noch in Natura bewundern. Hier finden auch sonst häufig Premierenfeiern aller Art statt, es ist aber davon auszugehen, dass das Publikum dabei normaler Weise etwas anders gekleidet ist und weniger Haare in den Polstern zurücklässt… ;-)
Damit einhergehend stellten sich natürlich schon im Vorfeld diverse Fragen: Metal im Sitzen; geht das überhaupt? Würde es mit dem Sound funktionieren? Welche Stücke hatten wir im Best Of-Teil zu erwarten, und wie lange würde die Band überhaupt spielen?

:: Fotos ::

OPETH mussten sich erstmal ein wenig in Geduld üben. Da man in den Konzertsaal keine Getränke mit rein nehmen durfte und die Merchandise-Jungs einen leicht überforderten Eindruck machten, strömte das trink- und kauffreudige Publikum nur sehr langsam zu seinen Plätzen.
Schließlich ertönte dann aber doch der letzte Gong, und nach einem kurzen Intro begann der erste Teil des Konzerts mit The Leper Affinity. Über die technischen und kompositorischen Leistungen der Band muss ich hier sicherlich keine Worte mehr verlieren, in dieser Hinsicht konnte also nichts schief gehen. Blackwater Park ist im Nachhinein betrachtet gewiß das charakteristischste und wohl auch erfolgreichste Album der Bandgeschichte; insofern sicherlich konsequent, dass man sich dieses Werk als Komplett-Version ausgesucht hatte.

Für mich sind OPETH einfach auch die musikalischste Band im gesamten Metal-Zirkus, nicht unbedingt im Sinne einer wahnsinnigen Bühnenshow, aber man kann einfach fühlen, wie sehr die Musiker ihre Stücke auf der Bühne tatsächlich mit Leben erfüllen, wie viel Herzblut da jeweils mit eingeflossen ist. Und trotz aller progressiven Elemente und Komplexität hat die Musik bei kaum einer anderen Band etwas so harmonisch Fließendes; was einfach immer wieder beeindruckend ist.
Komisch war es trotzdem irgendwie: das Sitzen führte zwar zumindest bei mir nicht unbedingt zur Negierung der Live-Atmosphäre, aber etwas distanzierend wirkte es sich schon aus. Klingt zwar blöd, aber vom heimischen Sofa aus auf einen 3D-Screen mit Mega-Bilddiagonale zu glotzen könnte vermutlich einen ähnlichen Effekt erzielen. Einige Leute sahen das wohl ähnlich und stellten sich daher einfach zum Bangen in den Mittelgang, was aber auch nicht nach optimaler Lösung aussah. Ungewöhnlich auch, dass Mikael Åkerfeldt während des ersten Teils auf jede Ansage verzichtete, während er ja normaler Weise unbedingt der Kategorie "launiger Entertainer" zuzuordnen ist.
Wenn man's positiv formulieren will: im ersten Teil konnte man sich ganz ungestört auf die Musik konzentrieren; die ist halt einfach vom Allerfeinsten und wurde, OPETH-typisch, perfekt dargeboten. Der Sound war ebenfalls hervorragend, lediglich bei den akustischen Passagen entlockten die tieferen Töne den Boxen einiges an Knuspergeräuschen. Vor dem letzten Song Blackwater Park kündigte Mikael dann mit knappen Worten eine anschließende zehnminütige Pause an, und dann waren die ca. 1 ¼-Stunden auch schon vorbei. Ging wie im Rausch…
Setlist Teil 1: The Leper Affinity, Bleak, Harvest, The Drapery Falls, Dirge For November, The Funeral Portrait, Patterns In The Ivy, Blackwater Park

Im zweiten Teil wurden schnell zwei Dinge klar: die Band würde von jedem der übrigen Alben in chronologischer Reihenfolge einen Song spielen, und das "Schweigegelübde" von Herrn Åkerfeldt war nun auch passé. Los ging's folglich mit dem live schon lange nicht mehr gehörten Forest Of October, gefolgt von Advent und April Ethereal. Das war natürlich schon eine tolle Sache, diese alten Songs noch mal live zu erleben, zumal man so auch prima die musikalische Entwicklung von OPETH über die Jahre hinweg verfolgen konnte.
Zwischen den Stücken wurden wir zudem bestens vom Mikael unterhalten; nicht umsonst gilt dieser als einer der sympathischsten und lockersten Musiker überhaupt. Zusammen mit seinem lakonischen und knochentrockenen Humor hatte er so die Lacher mehr als einmal auf seiner Seite. Außerdem hatte er auch einige Dönekes zu erzählen, z.B. dass er selber nur in die Band eingestiegen sei, weil er das umgedrehte Kreuz im Bandlogo cool fand, oder wie die erste Probe mit Basser Martin Mendez ablief. Weiterhin wies er auf den Umstand hin, dass von der Urbesetzung gar keiner mehr dabei wäre, was für diese Leute doch ganz schön bitter sei. Später ließ er die Menge noch darüber abstimmen, ob ihnen Accept oder die Scorpions besser gefallen würden, und war über den Sieger (Scorpions) wenigstens so erstaunt wie ich (und outete sich eindeutig als Accept-Fan…).
Das permanente Dauersitzen führte beim Publikum mit der Zeit aber doch zu einigen Ermüdungserscheinungen, zumal die Sitze auch noch wirklich verdammt bequem waren. Weiterhin muss ich sagen, dass man vor allem den späteren Songs doch deutlich anhören konnte, dass OPETH inzwischen einfach ihren Stil gefunden haben und diesen letztendlich häufig nur noch außerordentlich geschickt variieren. Die Struktur und Melodieführung der Harmonie- und Akustik-Passagen wies doch teilweise frappierende Übereinstimmungen auf, wenn natürlich auch auf einem extrem hohen Niveau. Das ist zwar keine neue Erkenntnis, fiel aber in meinen Augen an diesem Abend noch mal ganz besonders deutlich auf.
Ehrlich gesagt fand ich im Nachhinein betrachtet auch die Songauswahl, vor allem von den neueren Alben, nicht ganz so gelungen. Außerdem hätte ich halt gerne von meinem heimlichen Fave Still Life gerne mehr als nur ein Stück gehört, aber das hätte natürlich nicht ins gewählte Format gepasst.
Vor dem letzten Song The Lotus Eater kündigte Mikael schließlich an, dass sich die Band danach von der Bühne begeben und dass das Konzert damit vorbei sein würde, was ihm aber keiner so richtig abnahm. Doch Pustekuchen: trotz vehementer Zugabeforderungen war dann tatsächlich Schluss. Fand ich etwas komisch, der Abend war zwar lang, aber ein Metal-Konzert ohne Zugabe des Headliners habe ich bis dato noch nie gesehen. Die Leute hätten sich noch ein Stück mehr auf jeden Fall verdient…
Setlist Teil 2: Forest Of October, Advent, April Ethereal, The Moor, Wreath, Hope Leaves, Reverie/Harlequin Forest, The Lotus Eater

Klasse Abend insgesamt! OPETH gelten nicht zu Unrecht als eine der besten Live-Bands dieses Planeten, daran konnten auch die untypischen Umstände nichts ändern. Viele Leute machten zudem das Beste aus der Situation und genossen die Musik so, wie sie es vermutlich zu Hause machen: mit geschlossen Augen ganz in die Klangwelt der Schweden einsinkend.
Solange ich aber noch nicht in Rente bin und noch laufen und stehen kann, bevorzuge ich im Regelfall dann doch die "reguläre" Konzertvariante. Für den feierlichen Anlass fand ich die Idee aber gut und im Großen und Ganzen auch passend umgesetzt. Da sind wir doch mal gespannt, was uns OPETH in den Jahren 2020 oder 2030 zelebrieren werden… ;-)

 

story © Psycho • pics © Dajana