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2006-09-25 AT – Wien - Stadthalle

Viel zu lange hatte ich auf diesen Tag gewartet. Genau gesagt 6 Jahre. Als PEARL JAM damals in Salzburg ein grandioses Open Air Konzert hinlegten, flog ich schweren Herzens nach Irland. Doch ein zweites Mal sollte ich meine großen Jugendhelden nicht versäumen.

Nach zweieinhalb Stunden Anfahrt fand ich die Wiener Stadthalle überraschenderweise problemlos. Was sich als wesentlich schwieriger erwies, war jedoch die große Suche nach dem sagenumwobenen Presseeingang. Nachdem man mich vier Mal um die Stadthalle schickte und mich ein kopfschüttelnder Türsteher nach dem anderen abwies, ließ man mich schlussendlich doch eintreten. Zu meiner Verwunderung hatte man einen Sitzplatz für mich vorgesehen. Der Schock war riesig – ich war dazu verdonnert PEARL JAM im Sitzen zu erleben. Während ich auf die Vorgruppe wartete, versuchte ich die Vorteile eines solchen Sitzplatzes zu ergründen – fand jedoch keine.

:: TARANTULA AD :: legten pünktlich um 19:30 Uhr los. Das New Yorker Trio überraschte mit einer beeindruckenden Bandbreite an Instrumenten und Stilmitteln. Neben der üblichen „Gitarre – Bass – Schlagzeug – Kombination“ werden bei TARANTULA AD auch Cello, Violine, Keyboard, Melodica und Glockenspiel eingesetzt. Ihre Musik lässt sich nicht ganz so einfach definieren. Die ausgefeilte und spannende Mischung bestehend aus Klassik, Rock und Metal erhielt angemessenen Beifall. Doch die meisten im Publikum schienen von TARANTULA AD zuvor noch nichts gehört zu haben und somit blieben große Begeisterungsstürme während des dreiviertelstündigen Sets aus. Der Großteil der Songs wurde rein akustisch dargeboten, die eine oder andere Nummer erhielt auch eine gesangliche Untermalung von diesen Ausnahmekünstlern.

Tarantula AD

In der angenehm kurzen Umbaupause von etwa ein halben Stunde begannen die Fans mit Sprechchören ihre Lieblinge herbeizurufen. Schon vor dem Einlass in die Stadthalle war mir nicht entgangen, dass zahlreiche Fanclubs aus aller Herren Länder (wie Ungarn oder Kroatien) angereist waren. Die Menge wartete gierig auf die Grungelegende und tatsächlich erblickte ich die einen oder anderen „Karierte-Holzhackerhemden-Träger“ im Publikum. Totgesagte leben bekanntlich ja länger, dies gilt also auch für modetechnische Fehltritte in der Geschichte.

Ein bisschen kam ich mir an diesen Abend vor wie im Kino. Einem sehr großen, versteht sich, in dem man einige Meter von der Leinwand entfernt sitzt, aber dennoch eine ausgezeichnete Sicht genießt. Zwei Männer in rotem Gewand schlendern ständig durch die Reihen, hielten Tüten in die Höhe und riefen: „Popcorn, frisches Popcorn!“ und ein weiterer versuchte Eis am Stiel unter die Leute zu bringen. Was für ein Service.

Als das Licht um ca. 20:45 Uhr gedimmt wurde, begann es in der ausverkauften Stadthalle zu brodeln. Mein Herz machte einen deutlichen Sprung und ich konnte mein Glück kaum fassen...Endlich konnte ich meine heiß geliebten Jungs – äh Männer – aus Seattle (nicht gerade hautnah – aber doch) miterleben. Kaum jemand in meinem Bekanntenkreis kann diese Begeisterung nachempfinden – doch die geschätzten 15.000 Seelen in dieser Halle konnten es sehr wohl. Beim Opener Live Wasted versuchte ich ein paar Schnappschüsse mit der kleinen Kamera zu erhaschen – leider vergebens. Nach wenigen Sekunden erklärte mir ein Platzanweiser in recht ruppigem Ton, dass ich mich unverzüglich zu meinem Platz nach hinten begeben müsse. Schade. Als ich die ersten Klänge von Corduroy vernahm, war der Ärger auch schon wieder verflogen. Dieser Song hat ein grandioses Gitarrenintro und heizte die Menge ordentlich an.

Ich muss zugeben, dass ich mir von dieser Liveband ausgesprochen viel erwartet hatte, was bekanntlich oft in einer großen Enttäuschung endet. Doch dieses Mal wurden meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Ich habe in meinem Leben wirklich noch nie so eine brillante und abwechslungsreiche Lichtshow bei einem Konzert erlebt. Die Effekte und Farben harmonierten perfekt mit den einzelnen Songs. Eddie Vedder, Jeff Ament, Stone Gossard, Mike McCready, Matt Cameron und Boom Gaspar gaben alles, wetzten und sprangen auf der Bühne umher und rissen die Meute mühelos mit. Das ansonsten eher zurückhaltende österreichische Publikum war von der ersten Minute an vollkommen begeistert und feierte seine Helden. Immerhin hatten wir eine lange Durststrecke zu bewältigen gehabt. Bei Elderly Woman Behind The Counter In A Small Town (was nebenbei bemerkt eines meiner Favourites ist) änderte Eddie den Text und sang: It’s been 6 years, never dreamed you’d return, but now here you are and here I am! Später versprach er uns noch (auf Deutsch!) dass bestimmt keine weiteren 6 Jahre vergehen sollten, bis :: PEARL JAM :: das nächste Mal in Österreich spielen würden. Dies rührte uns sehr, und ich hoffe er hält sein Versprechen auch!

Im ersten Teil des Konzertes bot die Band viele Stücke ihrer aktuellen Scheibe dar – die sie schlicht Pearl Jam betitelt hatten. Neben dem groovigen World Wide Suicide gaben sie auch Comatose und Served Hand zum Besten. Natürlich freute ich mich jedoch viel mehr über ältere Nummern wie die grandiosen Balladen Daughter und Wishlist, den Klassiker Jeremy von der ersten CD Ten oder das fabelhafte God’s Dice. Leider war dieser Song der einzige, den die Jungs aus Binaural-Zeiten spielten. Ein echter Wermutstropfen. Nachdem ich bei Wishlist tatsächlich mit den Tränen kämpfen musste, holten PEARL JAM zum nächsten ganz großen Schlag aus. Ich konnte meinen Ohren kaum trauen, als ich die ersten Takte von State Of Love And Trust vernahm. Ich musste im siebten Himmel gelandet sein! Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Kurz darauf gönnten die Jungs sich und uns eine kleine Verschnaufpause.

Doch nach wenigen Minuten ging es weiter im Set mit der süßen Ballade Last Kiss. Nun gab es kein Halten mehr. Ich war heilfroh, als sich plötzlich alle auf den Tribünen erhoben und tanzten! Da hatten die lästigen Platzanweiser wirklich keine Chance mehr und gaben auf. Nach einem rein akustisch dargebotenem Off He Goes kam der nächste Klassiker vom Ten Album. Black. Alle sangen lauthals mit, Menschen, die sich noch nie zuvor gesehen hatten, fielen sich in die Arme und wir waren einfach glücklich! Als nächsten Clou schüttelten die Mannen Do The Evolution aus dem Ärmel, PEARL JAM’s Antwort auf die (geschichtlichen) Fehltritte der Menschheit. Even Flow überraschte mich schon gar nicht mehr – scheinbar war dies MEIN Wunschkonzert der alten Hits. Daraufhin verschwand die Band wieder hinter Bühne. Nervös schauten die Fans sich um... Sollte es das gewesen sein? Ich war mir sicher – sie würden noch einmal wiederkommen. Und ich sollte glücklicherweise Recht behalten. Lautstark meldete sich Eddie und seine Truppe mit dem köstlich sarkastischen Spin The Black Circle zurück. Die beiden anschließenden Höhepunkte des Ten Silberlings Once und Alive brachten das Blut der Fans in Wallungen. Ich konnte kaum glauben, dass ich das einmal erleben durfte. Ich wünschte mir, dass dieses grandiose Konzert niemals enden sollte, doch leider war nach F*ckin’ Up und der typischen Schlussnummer Yellow Ledbetter (Little Wings) bei hell erleuchteter Konzerthalle Schluss. Eddie, Jeff, Stone, Mike, Matt und Boom verbeugten sich wie es sich gehört nach einer Show von guten zweieinhalb Stunden und wurden mit tosendem Applaus von 15.000 überglücklichen PEARL JAM Fans verabschiedet.
Setlist: Life Wasted, Corduroy, Rearviewmirror, World Wide Suicide, Comatose, Elderly Woman, Behind The Counter In A Small Town, Served Hand, Sad, God’s Dice, Daughter, Jeremy, I Got ID, Parachutes, Wish List, State Of Love And Trust, Why Go Home, Go //
Last Kiss, Inside Job, Off He Goes, Black, Do The Evolution, Even Flow // Spin The Black Circle, Once, Alive, F*ckin’ Up, Yellow Ledbetter (Little Wings)

Endlich erkannte ich einen Vorteil meines Platzes – gleich neben mir befand sich der Stiegenabgang, der zur Eingangshalle führte. Ich frage mich wie lange andere wohl nach Hause gebraucht hatten, die gleich vor der Bühne gestanden hatten. Gut, dass ich meinen Wagen strategisch richtig geparkt hatte, somit entfernte ich mich zügig von der Stadthalle – raus aus Wien. Wo ich gerade das für mich genialste Konzert des Jahres 2006 miterleben durfte.

Pearl Jam

 

story & pics © Janine