Mit
ihrem neuen Album Gloria haben die Leipziger
DISILLUSION für reichliche Diskussionen
gesorgt. Das grandiose Labeldebüt Back To Times
Of Splendor im Kopf sahen sich viele Fans ob der neuen
musikalischen Ausrichtung irgendwie betrogen, während andere
Gloria als das innovativste Album 2006 bezeichnen.
Ich selbst war natürlich ebenso überrascht, gehörte
aber bereits mit dem ersten Hördurchlauf zu jener Gruppe,
die dieses Album am liebsten glorifizieren würden ;) Da
stellte sich natürlich auch sofort die Frage: Wie wollen
die das live umsetzen?
Da dieser heutige Freitag (15.12.2006)
die für mich einzige Möglichkeit in 2006 eröffnete,
DISILLUSION mit ihrem neuen Album im Gepäck
live zu erleben, war die Show natürlich ein Pflichttermin.
Und da wir DISILLUSION seit ihrer ersten Veröffentlichung
sagen wir mal… journalistisch intensiv begleiten und ich
noch viele Antworten als „Vergleich“ vom letzten
Interview im Kopf hatte, mussten natürlich auch wieder
ein paar Löcher in den Bauch von Bandkopf Andy Schmidt
gefragt werden.
Also machten wir es uns in der großen Halle des Zentrum
Altenbergs gemütlich, wo ich dann bei Bier und Erdnüssen
einem noch total zerknautscht aussehenden Andy ein paar interessante
Fakten zu Gloria entlocken konnte ;)
Dajana:
Naabend Andy. Vierte Veröffentlichung, drittes Interview.
Wir haben immer ein Auge auf Euch ;)
Andy: Echt? Cool...
Dajana: Du siehst verschlafen aus, wie geht’s
Dir und Euch?
Andy: Jaaa... ist heute irgendwie mein Spezialtag...
Dajana: Weil Freitag ist und wegen der langen
Strecke zu fahren?
Andy: Nöö, das nicht, aber ich musste
heute arbeiten. War halt ein ganz regulärer Tag und der
war lang und jetzt bin ich einfach müde.
Dajana: Aber auf der Bühne einschlafen
wirst Du doch wohl nicht, oder? *lol*
Andy: Nein, gibt ja Red Bull... Wird schon
irgendwie gehen... [trinkt 'n Bier]... so, jetzt geht’s
schon wieder besser... *g*
Dajana:
Das neue Album. Gloria. Das hat ja für viele kontroverse
Diskussionen gesorgt. Die einen verfluchen es, die anderen lieben
es. Seid Ihr selbst zufrieden damit?
Andy: Das schon. In Anbetracht der Tatsache, das wir
18 Monate daran rumgeschraubt haben… na ja ok, um die
14 Monate. Es hat so lang gedauert, weil wir so viel in das
neue Album stecken wollten und schon ziemlich lange an den Ideen
gebastelt haben, nicht unbedingt musikalisch, sondern spirituell.
Dass es da Probleme geben würde, wussten wir schon, als
wir den ersten Song hatten. Das war schon klar.
Dajana:
Ich fand ja viele der Reaktionen maßlos überzogen,
obwohl ich mich auch erst mal verwundert zurückgelehnt
habe...
Andy: Das Ärgerliche daran war, das zu diesem
Zeitpunkt Gloria noch gar nicht draußen
war. Das passiert heutzutage sehr häufig durch das Internet
eben.
Dajana: Das lässt sich wohl nicht mehr
vermeiden. Die Promos wurden auch schon recht früh verschickt...
Andy: Das ist an sich gut, aber 3, 4 Tage nach
dem Verschicken war das Album schon im Netz. Und dann ging’s
gleich hammermäßig ab. Die ersten 3 Wochen waren
richtig mistig für uns. Wir hatten nicht mit einer so dermaßen
schlechten Stimmung gerechnet, das war nicht erbaulich. Gloria
schien zu diesem Zeitpunkt im Netz pauschal Scheiße. Diese
Stimmung hielt ein paar Wochen, bis die ersten sagten: Ich höre
mir das Album erst mal an. Wir wollten mit dem Album niemanden
in die Eier treten.
Dajana: Ihr müsst Euch auch gar nicht
für Gloria rechtfertigen. Ich
find das Album schweinegeil! Ich find’s nur schade, dass
so viele Fans unwillig sind, die Weiterentwicklung einer Band
zu akzeptieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass solch Engstirnigkeit
gewaltig nervt.
Andy: Im Prinzip läuft es ja ziemlich
gut. Quasi... Also nicht unbedingt auf breiter Front. Manche
Soundcheckplazierungen waren gut, manche unter aller Sau.
Dajana: Also bei uns wärt Ihr beinahe
Album des Monats geworden...
Andy: Beinahe... na gut.
Dajana: Ihr wart an dritter Stelle oder so.
Es waren einfach zu viele gute Veröffentlichungen im Oktober,
so dass wir eh schon 2 Alben des Monats hatten, weil wir uns
nicht auf eins einigen konnten ;)
Andy: Die Platte macht jedenfalls ihren Weg,
das ist das Wichtigste. Vor allen für uns, als Menschen,
war es extrem wichtig gewesen, dieses Album zu machen. Und vor
allem nicht den Fehler zu machen – ich will nicht sagen
Aufguss... also Back To Times Of Splendor
finden wir toll! Gnadenlos! Da gibt es keine Frage...
Dajana: Das klingt schon wieder wie eine Rechtfertigung...*g*
Andy: Das passiert immer... ok, ich gebe es
zu, das ist schon irgendwie drin... Aber gleichzeitig stellt
sich auch für uns selbst immer wieder die Frage: Warum
ist das so gekommen? Was ist hier passiert, ohne das jetzt zu
analytisch zu betrachten. Das hängt natürlich auch
mit der Frage zusammen, was passiert als nächstes. Wo kommen
wir her und wo wird es hingehen. Das sind so die Fragen, daher
diese gewisse Rechtfertigungsschiene. Es war einfach für
DISILLUSION immens wichtig, diesen Befreiungsschlag
zu machen, egal, was passiert wäre, egal, was wir nun für
eine Platte gemacht hätten. Wir haben alle Risiken auf
uns genommen, dafür läuft es schon fast phänomenal,
wenn man es so betrachtet. Es musste einfach mehr gehen. Nicht
bezüglich der Verkaufszahlen, überhaupt nicht, sondern
auf der kreativen, spirituellen Seite.
Dajana: Ich schätze mal, Ihr hättet
auch genauso viele Schelte einstecken müssen, wenn Ihr
ein Back To Times Of Splendor 2 abgeliefert
hättet.
Andy: Vor allem hätte es besser sein müssen...
Dajana: Ok, DAS wäre schwierig geworden...
Das hätte vermutlich zu gezwungen und gewollt geklungen...
Andy: Das wäre sofort passiert, ja. Es
gab natürlich Ideen zu Gloria,
die an Back To Times Of Splendor erinnern.
Back To Times Of Splendor war ja
wie ein Rausch, das muss man auch so verstehen. Und diese Musiksparte
ist darauf ausgelegt, immer wieder bedient zu werden. Deswegen
war es ja uns so wichtig da raus zu kommen. Ich glaube auch
nicht, das wir es geschafft hätten Back To
Times Of Splendor zu toppen. Das war ein Rausch,
ein Run, der völlig ungeplant war. Das hätten wir
so kein zweites Mal hinbekommen.
Dajana: Und doch seid Ihr noch immer DISILLUSION.
Deswegen fand ich ja manche Reaktionen so überzogen, von
wegen: das ist eine völlig neue Band. Denn wenn man Gloria
zum ersten Mal hört, erkennt man sofort den typischen Sound,
das Riffing und die Gitarren...
Dajana:
Inwieweit hat sich denn was geändert beim Songwriting,
beim produzieren? Beim letzten Interview hattest Du ja noch
erzählt, dass Ihr Euch finanziell völlig ruiniert
hattet und auch sonst mental auf dem Zahnfleisch gegangen seid,
DISILLUSION sich quasi für eine kurze Zeit aufgelöst
hatten...
Andy: Dafür, dass wir uns diesmal nicht getrennt
haben, war es noch viel schlimmer. Es ist immer wieder dasselbe,
keine Ahnung. Schon zur Hälfte der Zeit war das „Eingemachte“
weg, da war schon Schluss, und wir waren schon wieder am Ende
[lacht]. Das erklärt vielleicht auch ein bisschen die Müdigkeit.
Dajana: Wie schafft Ihr es dann, wenn Ihr –
schon wieder – an solch einem Punkt seid, Euch wieder
so zusammenzuraufen und das Ganze so durchzuziehen?
Andy: Es muss! Im positiven Sinne. Macht ja
schließlich auch alles Spaß. Da gibt’s ja
diesen blöden Spruch: „no pain, no gain“. Das
ist eine Maxime, die wir leben oder unser Kampfsport, aber es
dreht sich schon darum, kurz vor der Fertigstellung eines Albums
dieses große schwarze Loch auszufüllen. Da wird es
dann ernst. Nicht beim Songwriting, da geht es ja noch um nichts.
Es ist kein Ding sich hinzusetzen und nen Song zu schreiben.
Aber den hinterher zu entkoppeln, ihn objektiv zu betrachten.
Da tut es dann weh, da wird es schwarz und da dauert es dann
natürlich. Eigentlich immer. Da gibt es dann die Meinungsverschiedenheiten
und das zerreißt dann auch.
Es ist aber auch wichtig zu sagen, das Gloria
eine Idee hatte, die schon vorher da war, bevor wir angefangen
hatten. Wir hatten ein Filmteam dabei, das von Anfang an mitgemischt
hatte. Die ersten Wochen haben wir uns eingeschlossen und einfach
drauf los gearbeitet. Es gab eine gewisse Ausrichtung, aber
gar nicht so sehr musikalisch, sondern spirituell. Die Frage:
welches Gefühl wir bei uns auslösen wollten. In diesen
Wochen ist extrem viel Material entstanden, eigentlich alles,
zwar in Schnipseln und Fragmenten, aber es war schon alles da.
Das da zusätzlich noch zwei Leute dabei waren, hat die
Arbeitsweise nicht gerade vereinfacht. Da gab es dann nach diesen
Wochen schon verheerende Probleme...
Dajana:
Gab es denn komplett neue Einflüsse bei Gloria,
oder habt Ihr das nur anders umgesetzt?
Andy: Das ist schwierig...
Dajana: Bei der Differenz zwischen diesen beiden
Alben, drängt sich das ja auf...
Andy: Naja, kreativ gesehen war ja Back
To Times Of Splendor schon im Sommer 2003 fertig.
Das heißt, bevor wir überhaupt angefangen haben Gloria
zu bauen, sind schon mal gut 2 Jahre vergangen. In solch einer
langen Zeit passiert natürlich viel. Für uns sind
das die Endzwanziger, wo man schon den einen oder anderen Hammer
einstecken muss. Leute sterben weg, sogar hintereinander, Kinder
kommen. Das Leben ändert sich und ändert uns.
Die Frage ist natürlich schwierig, weil wir musikalisch
nichts Neues erfunden haben. Es ist irgendwie ne Kombination
von Sachen, die es schon mal gab, oder vielleicht sogar genauso
gab, wer weiß. Wir haben heute im Auto was gehört
und da ist uns aufgefallen, dass sich ein paar Sequenzen denen
auf Gloria ähneln. Also insgesamt
nichts Neues, die Kombination ist aber spannend. Was Neues war
auch nicht unsere Absicht, wir haben nur den Fokus anders gelegt.
Manche werfen uns ja eine gezielte Neuausrichtung vor. Stimmt
aber nicht. Was sich an unserer Orientierung geändert hat,
kam von innen heraus.
Dajana:
Apropos Filmteam... Bist Du da persönlich bestimmten Kontakten
und Ambitionen näher gekommen? Im letzten Interview hattest
Du ja erzählt, das Du nicht abgeneigt wärst was in
Richtung Filmmusik zu machen.
Andy: Ja, stimmt, ich hätte es mir gewünscht.
Da mach ich jetzt kein großes Gelaber drum, wir haben
uns gut zerstritten. Und wir sind froh, dass das alles fertig
ist.
Dajana: Ok, schade, hätte sich ja geradezu
angeboten.
Andy: Ja, hätte gut was werden können.
Dajana:
Noch ein Bezug zum letzten Interview (2. Tourtag mit Amon Amarth
und Impious)... Auf die Frage zu ersten Details zum neuen Album
sagtest Du: „wir werden versuchen, unsere nächste
Platte letztendlich am Stück einzuspielen. Das heißt,
ohne Gastmusiker und ohne relativ aufwendiges Instrumentarium...“
War ja wohl nix ;)
Andy: [lacht] da hast Du mich wohl erwischt....
Dajana: Da habt Ihr ja dann doch wieder aus
dem Vollen geschöpft...
Andy: ...jetzt wird es schwierig ;) Die Frage
ist berechtigt. Ich wollte es so, wie damals gesagt! Ich wollte
es genau so machen. Leider hat es mich einfach überrumpelt
in den ersten Wochen. Dann waren sie da, die Samples und Spielereien.
So, und dann mach mal alles aus, die Strings, die Chöre
und die Loops und hör dir das an. Dann war’s natürlich
zu spät und die Sachen wieder drin *g* Gloria
ist keine Platte, die man am Stück einspielt. Ich sag nur:
geplant waren 2 Monate...
Dajana: ...rausgekommen sind 14 Monate...
Andy: Gloria ist
definitiv ein Studioalbum. Punkt! Wollte ich nicht, ist aber
so passiert.
Dajana:
Da ist es natürlich schwer, das live umzusetzen. Ich hab
Euch mit Gloria ja noch nicht live gesehen...
Andy: Es ist halt anders. Schwerer als mit der Back
To Times Of Splendor ist es auf keinen Fall.
Dajana: Kommt halt vieles vom Band dann...
Andy: Wie früher eben...
Dajana: Dann hat sich ja nichts geändert
;)
Andy:
Aber bald wird sich was ändern :) Denn wie es aussieht,
haben wir bald einen festen Bassisten.
Dajana: Wow, und aus welcher Galaxie?
Andy: Wie, welche Galaxie?
Dajana: Naja, Ihr hattet da ja schon immer
Probleme und im letzten Interview fragte ich, aus welcher Galaxie
der wohl kommen müsste, der passende Basser. Der letzte
war ja auch wieder schnell weg.
Andy: Achso, öhm... der studiert…
Dajana: Finde ich auf jeden Fall toll, wenn
Ihr jemanden Festes findet.
Andy: Ja, wir machen noch den Gig heute und
das Festival morgen. Dann machen wir 2 Monate Pause. Und dann
kann es schon sein, das wir bei den nächsten Gigs ab März
oder so den neuen Basser dabei haben...
Dajana:
Wie war denn Euer geplanter Urlaub nach der letzten Tour?
Andy: *Schüttelt den Kopf*… wollten wir…
Dajana: war wohl nicht…
Andy: Diesmal fangen wir es schlauer an…
Weiß nicht, wir sind auch so ne Band, wir können
nicht ohne…
Andy:
Die Pause wird natürlich wieder keine richtige Pause. Das
wird ein neues Album...
Dajana: Hahahaha... dachte ich mir schon fast. Ihr
könnt doch gar nicht stillsitzen...
Andy: Ich freu mich schon drauf. Das fetzt,
hab Lust ohne Ende. Ich meine, ist schon ein bisschen seltsam.
Gloria kam erst im Oktober raus.
Es gab noch nie eine solch kurze Phase. Gloria
ist für uns durch, im Guten, und ich hab auch keine Lust,
das Album groß zu analysieren. Ich will einfach weitermachen.
Es ist noch soviel da, ich hab so viele Ideen.
Dajana: Gibt es schon was Greifbares?
Andy: Nö, das ist viel zu früh...
Dajana:
Ok, wird es denn in absehbarer Zeit eine anständige Tour
geben?
Andy: Ich hoffe es! Wir haben jetzt bei Continental
unterschrieben...
Dajana: Ah, na die sind ja groß genug,
da soll wohl was bei rumkommen...
Andy: ...genau. Es wird in jeden Fall was geben.
Aber wann und wie, keine Ahnung. Die Sommerfestivals natürlich.
Ist nicht ganz einfach, was Passendes zusammenzustellen, dass
dabei auch was rumkommt.
Dajana: Hmmm... heute ist ja auch nicht soviel
los. Hab mich fast schon erschrocken. Aber das ist wohl eher
ein generelles Problem in Deutschland. Hier wird einfach viel
zuviel und wiederholt getourt. Manche Bands kommen dreimal im
Jahr, die will dann keiner mehr sehen...
Andy: Ja genau, es gibt extrem viele Konzerte
in Deutschland, absolut und... da muss ich jetzt wohl aufpassen
was ich sage, da schneide ich mir ja ins eigene Fleisch... ich
war bei Tool und Mastodon. Fand ich top! Das ist eine so dermaßen
andere Liga. Da bezahlt man 43 Euro, die auch gerechtfertigt
waren, und die Woche drauf bezahlst Du dann 20 Euro plus Bier
und so, für ein „kleines“ Konzert, die dann
verdammt wehtun. Da überleg ich dann auch schon...
Dajana: Muss ja keine Headliner Tour sein,
Co-Headliner reicht auch ;) Nur Amon Amarth muss es nicht wieder
sein ;) Bin ja schon froh, Euch heute hier sehen zu können.
Eine
Stimme aus dem Off fordert uns auf, den Saal zu räumen,
weil die Disco die Tore öffnen will...
Dajana:
Ich bin dann auch am Ende mit meinen Fragen. Vielen Dank für
ein weiteres interessantes Interview ;) Dann bin ich mal gleich
gespannt auf Eure Show. Wie ist das mit den alten Stücken?
Habt Ihr die angepasst?
Andy: Nein, brauchten wir gar nicht. Ich meine, es
war nicht einfach, da den nötigen Groove reinzukriegen,
aber sound- und spielemäßig mussten wir überhaupt
nichts ändern. Es ging nur um die Reihenfolge der Songs,
das ist entscheidend, und das hat gedauert. Wirst du ja gleich
sehen. Das ist alles wesentlich rock’n’rolliger
als auf Platte.
Dajana:
Ok, dann Schluss für heute. Man sieht sich dann gleich
:)