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Mit The Flower And The Fall legte die junge Wittener Band DOWNSCARRED ein vielversprechendes Debüt vor. Melancholischer Gothic-Rock mit gelegentlichen Ausflügen in härtere Gefilde. Nicht ohne Schwächen, aber sehr sympathisch. Darüber und mehr ließ sich Bassist Jan Müller einige gutgelaunte und ausführliche Antworten entlocken.

Jochen: Glückwunsch zur Veröffentlichung Eures ansprechenden Debüts! Wie ist die Resonanz bisher darauf?
Jan:
Hy Jochen!! Nun, die Resonanz ist durchaus unterschiedlich, wir beobachten, dass wir von Magazinen, die sich mit der Musik beschäftigen, wirklich gute Rezensionen bekommen und sind auch recht stolz auf positive Reviews von den „Großen“ der Szene, wie zum Beispiel Orkus oder Sonic Seducer. Daneben gibt es natürlich die üblichen Verdächtigen, die sich eine CD einmal anhören und dann einen lustlosen Verriss schreiben, aber so was nehmen wir nicht unbedingt ernst. Klar gibt es auch Kritikpunkte, derer wir uns annehmen, aber wir können da schon unterscheiden, was fundiert ist und was nicht.

Jochen: Auf Eurem Album spiegeln sich viele Einflüsse wieder (m.E. von den musikalisch naheliegenden Sisters Of Mercy, Paradise Lost über Depeche Mode bis Pink Floyd). Nennt Ihr mir ein paar weitere Eurer wichtigsten Inspirationsquellen – nicht nur unbedingt Musikalische?
Jan:
Paradise Lost kommt zu einem gewissen Teil schon hin, diese Band haben wir zumindest früher immer gerne gehört. Warum immer wieder Sisters Of Mercy ins Spiel gebracht werden, weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau, da ich kaum etwas von der Band kenne, aber es ist schon ok. Depeche Mode und Pink Floyd sind ohne Frage großartige Bands, aber ich glaube kaum, dass außer unserem Gitarristen Tom und mir da jemand von der Band auch nur ein einziges Lied kennen würde ;-) Weitere Inspirationsquellen? Musikalisch auf jeden Fall Flowing Tears, es ist immer noch eine Schande, dass diese großartige Band so unbekannt ist, das „Jade“-Album ist möglicherweise die schönste CD, die jemals veröffentlicht wurde. Aus dem gotischen Bereich würde ich noch Anathema, Katatonia, Saviour Machine, Tiamat sowie Klassiker wie Amorphis und ähnliche dazu nehmen, ansonsten ist eine gemeinsame Schnittmenge Metallica und zu gewissen Teilen eher „softe“ Musik wie Porcupine Tree, Antimatter oder Blackfield. Wie Du siehst, ist es sehr breit gefächert, was im übrigen auch auf die Texte zutrifft. Sicher kann man in den Texten die Inspirationen weit weniger genau zuordnen, wie dies noch bei der Musik der Fall ist. In meinem Fall, da ich fast alle Texte schreibe, beziehe ich mich da ganz gerne wiederum auf Flowing Tears, aber sehr stark auch auf Nick Cave And The Bad Seeds, eine Truppe, die auch musikalisch sensationell gut ist. Und zu guter Letzt natürlich das Leben selber, was so oder so den größten Einfluss bildet, ganz klar.

Jochen: Das Album wurde von EROC gemastert; wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Jan:
Unser Gitarrist Tom war früher schon bei Garden Of Delight aktiv und im Laufe der Jahre dort hat er natürlich diverse Persönlichkeiten aus der Szene kennen gelernt. Dazu gehört eben auch der EROC, der sich dann die Musik anhörte und für gut befand, um es schließlich zu mastern. Die Nähe unseres Heimatortes Witten zu Hagen, wo das Woodhouse Studio ja steht, kam bei dieser Zusammenarbeit erleichternd hinzu, es ist immer von Vorteil, wenn man solche Dinge von Angesicht zu Angesicht besprechen kann, als wenn man auf Telefon oder sogar Mailverkehr angewiesen ist.

Jochen: Habt Ihr eine Beziehung zum Krautrock, bzw. spielt der für Euch und Euer musikalische, bzw. freundschaftliches Umfeld überhaupt noch eine Rolle?
Jan:
Ganz ehrlich kenne ich mich da gar nicht aus. Der zweiten Infozeile bei Wikipedia entnehme ich allerdings, dass im konzeptionellen Vorgehen durchaus eine Übereinstimmung bestehen kann. Auch wir improvisieren beim Songwriting gerne mal, das verhindert, dass die Songs allzu steril werden und Experimente bauen wir natürlich auch immer mal gerne ein, obwohl das Endresultat unter dem Strich doch relativ traditionell geworden ist ;-)

Jochen: Obwohl es einen Prolog und einen Epilog gibt, ist The Flower And The Fall kein Konzeptalbum. Warum die formale Klammer?
Jan:
Hmm, also eigentlich ist das Album schon einem Konzept unterworfen, nur eben nicht herkömmlich mit einer Geschichte die dahinter zu finden ist. Vielmehr stehen alle Titel unter dem Thema „Ende und Neubeginn“, wobei sich der Neubeginn an sich nur im Epilog wirklich thematisiert wird. Ansonsten schildert das Album das Ende einer langen Beziehung, nimmt die unterschiedlichen Stimmungslagen in den Fokus und beleuchtet die Gefühle, die beim Protagonisten während dieser Zeit im Vordergrund stehen. Dabei werden sehr unterschiedliche Positionen deutlich, es geht um Schuld, Vermissen, Hass, Liebe und all diese Dinge, die sich im vorletzten Stück Flowers In The Wind zunächst in Resignation und endgültigem Abschied vereinen. Aus diesem Grund haben wir da diese etwa zweiminütige, musikalische Pause eingebaut, dies ist quasi die „Walking-Ghost“-Phase der Beziehung, an sich ist sie schon tot, aber wandelt eben noch in den letzten Zügen umher. Es ist eine Art Selbstbetrug, man weiß, dass es vorbei ist, klammert sich aber an die gemeinsame Zeit und spielt allen – und nicht zuletzt sich selbst – eine heile Welt vor. Das macht die Sache im Endeffekt noch schmerzhafter und ist leider das Resultat der eigenen mangelnden Reflektionsfähigkeit und der ebenso fehlenden eigenen Entschlussfreude bzw. Entschlussfähigkeit. Die Unumkehrbarkeit wird durch den verzweifelten Ausbruch am Ende dieser Phase dokumentiert, aber in den (Gefühls-) Sturm hinein kommt der Trost: jedes Ende ist auch ein neuer Anfang. Es war uns wichtig, dass wir all die negativen Gefühle, die sich im Verlauf aufbauen, zum Schluss in eine gewisse Relation setzen, wir wollen Hoffnung auf eine bessere Zeit verbreiten. In diesem Sinne ist auch der Albumtitel zu verstehen, übersetzt heißt es ja sowohl „Die Blume und der Untergang“ und auch „Die Blume und der Herbst“. Die Bedeutung mag sich jeder für sich erschließen, der Gedanke dahinter ist, dass der Herbst im Prinzip das Gleiche darstellt wie die Geschichte auf der CD, er ist gleichsam Ende, aber auch Neubeginn. Es tut mir leid, falls ich jetzt etwas weit ausgeholt habe, aber da uns im allgemeinen und mir im speziellen die Texte sehr wichtig sind, wollte ich die Gelegenheit nutzen, um etwas genauer darauf einzugehen, in Wirklichkeit habe ich mich noch sehr zurückgehalten ;-)

Jochen: Ihr singt Vorzugsweise englisch, aber auf Eurem Album gibt es auch dreieinhalb Lieder auf Deutsch. Wieso habt Ihr Euch dafür entschieden, oder liegt es an der letztlich recht langen Entstehungsphase des Albums?
Jan:
Eigentlich hat das keinen bestimmten Grund, jeder Song bekommt immer das, was er gerade braucht. Ich kann das jetzt schlecht beschreiben und ich möchte auch nicht, dass man uns für schizophren hält, aber es ist schon so, dass die Songs quasi mit uns „sprechen“. Und wenn ein Lied jetzt sagt, dass es einen deutschen Text haben will, dann kriegt es ihn natürlich auch.

Jochen: Warum besitzt ausgerechnet Mondnacht, das sich explizit auf Stephen King bezieht (den Roman „Wizard And Glass“, auf deutsch „Glas“, der vierte Teil der „Dunklen Turm“ Saga), einen deutschen Text?
Jan:
Auch hier gilt natürlich das Gleiche: der Song wollte es so, das habe ich sehr schnell gemerkt und dann waren die Zeilen ganz schnell da. Insgesamt ist es wohl einer der schnellsten Texte, die ich je geschrieben habe, was nicht damit zu erklären ist, dass sie oberflächlich wären oder einfach nur abgeschrieben, sondern ganz einfach deshalb, weil ich einfach wusste, was zu tun ist. Das kann man wirklich schlecht beschreiben, ich würde es mal Intuition nennen.

Jochen: Einige Kritiker haben sich an den deutschen Texten gestoßen, besonders an den Zeilen „Weshalb schmerzt es wenn man liebt / Ein Herz das brach am Boden liegt / Ich habe Angst zu lieben". Wie geht Ihr damit um, haben solche Vorwürfe einen Einfluss auf Eure Musik und die textliche Herangehensweise (bereits jetzt oder in der Zukunft)?
Jan:
Uns war im Vorfeld klar, dass manche Passagen, zu denen diese tatsächlich zählt, polarisieren wird. Weiter oben habe ich ja schon beschrieben, wie es sich mit den Rezensenten verhält und dies ist ein guter Punkt, um das noch mal zu unterstreichen. Man kann sich natürlich an diesen Zeilen aufhängen und nicht wenige haben es getan und dann gleich die ganze CD mit in den Ruin getrieben. Es ist für uns okay, wenn jemand unsere Musik nicht mag, aber wenn das alleine darin begründet liegt, dass einige Textpassagen nicht so zusagen, dann kann ich die Kritik einfach nicht ernst nehmen. Da die Zeilen aus Agony Of Love stammen, welches Marco getextet hat, kann ich auch nicht genau sagen, in wie weit er dadurch beeindruckt ist, ich für meinen Teil werde aber nicht davor zurückschrecken, auch künftig Texte wie Mondnacht zu schreiben. Leute, die meinen, sie sind so unheimlich cool, dass sie bei sich selber gewisse Gefühle nicht mehr zu lassen wollen, sind nun mal nicht unser Maßstab. Wir machen Musik und Texte zunächst mal für uns selber, dann laden wir herzlich jeden ein, der sich damit beschäftigen möchte, dem unsere Musik und unsere Texte etwas bedeuten. Wenn sich diese Menschen finden und das haben sie in der Vergangenheit reichlich, dann ist das schön, aber ich wiederhole mich da gerne, das ist nicht unser primäres Ziel.

Jochen: Obwohl ich Eure Musik eher Gothic-Rock als Gothic-Metal bezeichnen würde, finden sich an einigen Stellen Growls. Bewusst eingesetztes Stilmittel oder eher eine Hinterlassenschaft Eurer musikalischen Vergangenheit?
Jan:
Wir mögen gerne Kontraste, häufig sind die härtesten stimmlichen Parts ja auch in Songs zu finden, wo man es ob dem Tempo des Liedes vielleicht nicht unbedingt erwartet (Mondnacht, The Child That Died Too Young, Flowers In The Wind). Die musikalische Vergangenheit ist ja eigentlich fast seit Jahr und Tag gotisch, darum ist das sicher keine Hinterlassenschaft. Wir setzen Growls genau so bewusst ein wie Doublebassparts oder akustische Gitarren, nachdem wir ca. fünf Jahre an den Songs gefeilt haben, waren wir uns auch bei jedem Lied sicher, dass es genauso aufgenommen wird, wie wir das wollten. Natürlich sind wir mit dem Vorwurf konfrontiert worden, wir würden härtere Parts nur einsetzen, um bloß als Metalband durchzugehen, aber mal ehrlich, wer einen solchen Toleranzhorizont hat, tut mir echt leid. Als Sechszehnjähriger habe ich auch noch die Meinung vertreten, dass von Metallica nur die ersten Alben gut sind, aber wer nur einen Funken Reife für sich proklamiert, sollte doch nun wirklich akzeptieren, wenn jemand etwas so tut, wie er es mag und für richtig hält.

Jochen: Euer Debüt hält viele Optionen für die Zukunft offen. Wisst Ihr schon wie’s weitergeht?
Jan:
Unsere Ziele sind zunächst mal die gleichen, die es immer sind; wir wollen uns musikalisch, textlich und als Songwriter verbessern. Das geht am besten, wenn man neue Songs schreibt und ein neues Album vorbereitet. Einen Zeitplan haben wir uns zwar gesetzt, aber der ist erst mal lose und relativ unverbindlich; da wir neben der Musik natürlich arbeiten müssen, kann man Dinge sowieso so gut wie nie so umsetzen, wie man es gerne hätte. Das Konzept für das nächste Album steht, ebenso fünf Texte, die diesmal vor den Songs geschrieben werden und nur noch minimal angepasst werden. Dazu sind auch schon eineinhalb Lieder so weit fertig, dass wir sie im Proberaum veredeln können, aber da fehlt sicherlich noch ein gutes Stück. Alles andere liegt auf der Hand: Konzerte spielen, denn das ist ja eigentlich das, was beim Musizieren noch am meisten Spaß macht, neue Bands kennen lernen, vor neuen Leuten spielen, schauen, wie die Songs auf das Publikum wirken usw.

Jochen: Dankeschön für’s Interview!
Jan:
Ich habe zu danken, es ist immer wieder toll, wenn sich Redakteure die Mühe machen und was für den Untergrund tun. Aus meiner eigenen Erfahrung bei Metal1.info ist dies aber ein umso spannenderer Bereich, denn genauso, wie man Schwierigkeiten hat, jemandem, der alles schon hat, etwas zu schenken, ist es genau so schwer, bekannte Bands mit Fragen zu konfrontieren, die ihnen noch nie gestellt wurden. Also, wenn Ihr neugierig geworden seid, dann hört doch einfach mal rein unter www.myspace.com/downscarred oder besucht unsere Homepage www.downscarred.de.

 

6/2008 © Jochen König • Downscarred