Wie
die ELÄKELÄISET als Finnen dazu kamen,
ausgerechnet im Rahmen einer polnischen Woche in der Berliner
Kulturbrauerei den Headliner zu machen, das wusste die Band selbst
nicht. Ihrer Spiel- (und Trink-) freude tat das jedenfalls keinen
Abbruch. Im Anschluss an das Konzert gaben Onni Varis (Keyboard)
und Aushilfsbassist Tapari Venska, die beiden letzten noch stehenden
Musiker, (mehr oder weniger) Sinnvolles von sich über Texte,
Touren und Tanzmusik.
Ole:
Würdet Ihr bitte so nett sein, Euch erst einmal vorzustellen?
Tapari: Ich heiße Tapari Venska, ich spiele dieses
Mal Bass.
Onni: Ich bin Onni Varis. Ich spiele dieses Mal
Keyboards.
Ole:
Und die anderen beiden? Wer sind das?
Onni: Der Schlagzeuger dieses Mal ist Kristian Voutilainen
und der andere Keyboarder ist Petteri Halonen.
Ole:
Wie war das Konzert für Euch?
Onni: (deutsch) Sehr schön! Es war großartig.
Wir haben gespielt, wie damals, als wir 1969 mit King Crimson
getourt sind (Anm.: ?!?). Wir haben ganz gut gespielt. Ich hab
zwei falsche Noten gespielt, aber das wird mir wohl von der Gage
abgezogen.
Tapari: Ich hab die ganze Zeit hervorragend gespielt.
Ich hab keinen einzigen Fehler gemacht. Keinen einzigen.
Ole:
Wir lange seid Ihr bis jetzt schon auf Tour?
Tapari: Sieben Tage. (überlegt) Aber das war nur
geraten. Wir haben in Köln, Saarbrücken, Bamberg, Hannover,
Essen (deutsch) und Berlin gespielt.
Onni: Dies ist (deutsch) Berlin!
Ole:
Wie kommt es, dass Ihr so gut Deutsch sprecht?
Onni: Wir sprechen doch gerade Englisch.
Tapari: Wir haben einen Typen, der Deutsch spricht.
Onni: Die meisten Finnen lernen als zweite oder
dritte Sprache German, Deutsch oder Französisch. (lacht)
Ich meine, Deutsch, Englisch oder ...
Tapari: oder Russisch!
Onni: Einer von uns hat in Deutschland gelebt.
Der Akkordeon ... ich meine, der Keyboarder Petteri Halonen, der
spricht sehr gut. Die meisten von uns verstehen aber, was Deutsche
so reden.
Tapari: Ich verstehe kein Wort.
Onni: Ich meine auch „die meisten“
von uns.
Tapari: Ich bin nicht "die meisten“.
Onni: Ja, wir sind zu Viert, dazwischen ein Idiot.
Also, wir vier verstehen Deutsch, also können wir sagen „die
meisten von uns“. Ich meine, wir können’s lernen,
aber wir müssen kein Deutsch reden in Finnland.
Ole:
Weil die meisten Leute Englisch reden?
Onni: Die meisten Leute in Finnland sprechen Finnisch!
Ole:
Ach was?! (grinst) - Was für eine Beziehung habt Ihr zu Deutschland?
Einer Eurer Titel heißt Heil Humppa. Ist das Ironie?
Onni: Wir touren hier schon seit 1996 und wir proben
niemals für eine Platte oder sowas. Jedes Mal, wenn wir uns
treffen, gehen wir auf Tour. Also schreiben wir die meisten Texte
auf Tour. Heil Humppa ist eines dieser Stücke. Ich
möchte auch nicht zuviel darüber verraten. Ein nettes
Lied.
Tapari: Es ist ein Lied über Liebe und Frieden.
Ole:
Ach, wirklich? Ich hab finnische Freunde zuhause. Die kann ich
fragen...
Onni: OK, ich erklär es schon. Heil Humppa ist
ein Lied über einen Finnen, der das erste Mal von zuhause
weg ist, in einem fremden Land, unfähig, die fremde Sprache
zu sprechen. In einem dunklen, düsteren Wald findet er eine
Hütte. Er guckt durch das Fenster und sieht ein paar Nazis,
die um das Feuer tanzen. Und die Nazis essen Sauerkraut und Würstchen.
Tapari: Tolle Geschichte über Liebe und
Frieden! (lacht)
Ole:
Was ist mit Dummkopf und der Textzeile „Heil, Du schönes
Mädchen“?
Onni: Das ist ein Stück über eine geistig verwirrte
Person, die Sex haben will mit ...
Ole:
... mit einem deutschen Mädchen?
Onni: Allem, sogar deutschen Mädchen.
Ole:
Wie hängen, Eurer Meinung nach, Punk und Humppa zusammen?
Eure Konzerte haben etwas von Punk-Konzerten.
Onni: Ich glaube, wir sind eigentlich eine Punk-Band,
die Hardcore spielt mit Keyboards und Akkordeons oder was auch
immer.
Tapari: Und mit einem simplen Rhythmus.
Onni: Wir haben nur eine gemeinsame Lieblingsband
– außer ELÄKELÄISET. Das
sind die Dead Kennedies.
Ole:
Wie steht es eigentlich mit Eurem Song Humppasonni (einer Cover-Version
von HIM’s Join Me)? Habt Ihr ihn jemals Ville Valo vorgespielt?
Onni: Klar. Und er liebt ihn. Warum auch nicht? Es gibt
eine ganz lustige Geschichte im Zusammenhang mit unseren Cover-Songs:
Unsere Plattenfirma hat einen Plattenladen in Helsinki. Wir kämpften
uns gerade damit ab, das Album Pahvische, Pahvische
zu aufzunehmen. Unsere Plattenfirma rief uns an und meinte: „Wir
haben hier gerade die Jungs von The Rasmus am Tresen. Habt Ihr
nicht Lust, ein Stück von denen zu machen?“ 15 Minuten
später hatten wir den Text für den Song Falling. Mit
Stratovarius und den 69 Eyes war es ganz ähnlich.
Ole:
69 Eyes?
Onni: Ja, wir haben zusammen auf einem Festival in Turku
gespielt. Wir haben uns den Umkleideraum geteilt, wie es Finnen
nun mal so tun: Wir hatten eine Tasse Tee zusammen und einen Keks.
Wir fragten: „Können wir einen Song von Euch covern?“
Und sie sagten: „OK“
Ole:
Und, welche Songs waren das?
Onni: Brendan Lee, und von Stratovarios machten
wir Hunting High And Low.
Ole:
Was an der finnischen Musik auffällt, ist, dass ihr eine
Menge ziemlich schräger Bands habt, den Chor der Brüllenden
Männer, zum Beispiel. Oder diese vielen düsteren Bands...
Onni: Ja, die Situation hat sich ziemlich geändert
in den letzten, sagen wir, fünf Jahren. Zuerst haben viele
Bands versucht erfolgreiche Künstler wie Rammstein zu kopieren
und plötzlich dachten viele: OK, wir sind in Finnland. Das
ist hier eine ganz andere Atmosphäre. Wir können immer
nicht alles 1:1 nachmachen. Daher haben wir Bands wie „die
Putzfrauen“, die eine Art Techno auf Instrumenten spielen,
die andere Leute benutzen, um ihre Wäsche zu waschen und
Mieskuoro Huutajat - „die Brüllenden Männer“.
Finnland ist so ein kleiner Markt. Es lastet einfach nicht so
viel Druck auf den Künstlern, erfolgreich zu sein oder eine
neue Platte zu machen. Du kannst einmal versagen, zweimal versagen.
Wenn Du ein drittes Mal versagst, fliegst du raus. Aber bis dahin
kannst du mit deiner Musik experimentieren. Darum haben wir auch
so viel abgedrehte Musik in Finnland.
Ole:
Ist es möglich, dass auch die finnische Musik-Szene viel
dichter zusammen hängt als in irgendeinem anderen Land?
Onni: Wir haben relativ wenig Clubs in Finnland. Ich
glaube, vielleicht zehn oder zwanzig. Daher bekommst Du oft auch
Pakete von Mittelklasse-Bands, um eine Arena von tausend Leuten
zu füllen. Das Publikum ist nicht so eingefahren, weil auch
die Bands in Paketen touren. In Deutschland oder anderswo, wo
Du zwanzig Millionen Zuschauer hast, kannst Du einen Club mit
Techno füllen und einen anderen Club mit Rap.
Aber in Finnland hast Du sowas nicht. Du bekommst Du Pakete von
drei Bands, so dass die Fans einfach gezwungen sind, sich Techno
und Rap anzuhören. Das erweitert die Einstellung beim zahlenden
Publikum.
So,
jetzt müssen wir aber los.
Ole:
OK, tschüss und Kiitos. |