Folgendes Interview besteht aus Auszügen eines Gesprächs, das ich mit Grutle (Enslaved) in einem Nebenraum des legendären Garage in Bergen geführt habe. Teile, die zu sehr ins Private gingen, habe ich auf seine Wunsch gekürzt...

Nocturnal Hall: Wie war's beim Fischen?
Grutle: Nicht so gut, das Wetter war ja auch schlecht. Ich war zwar den ganzen Tag draußen, aber es hat sich vom Fang her nicht wirklich gelohnt.

NH: Was machst du denn hier in Bergen, ich dachte, du lebst in Haugesund?
Grutle: Nein, ich bin vor ein paar Monaten nach Bergen umgezogen, wo auch die anderen Bandmitglieder wohnen. Vorher habe ich auch noch einige Zeit in Stavanger gelebt.

NH: Bist du wegen der Musik-Szene, oder wegen deines Jobs nach Bergen gezogen?
Grutle: Eigentlich von allem ein bißchen, Bergen ist einfach eine Großstadt, hier ist mehr los. Natürlich spielt es auch eine Rolle, daß der Rest der Band auch hier lebt. Aber Bergen ist vor allem eine schöne Stadt, man hat hier viele Möglichkeiten, seine Zeit zu verbringen. Außerdem gehe ich hier auch noch meinem bürgerlichen Job nach. (...)

NH: Warum, glaubst du, kommen so viele bekannte (Black)Metalmusiker aus Bergen?
Grutle: Naja, vieles hat seinen Ursprung in Bergen. Das liegt natürlich auch daran, daß hier sehr viele Menschen leben. Die ganze Situation war und ist sehr inspirierend. Es gab eine Gruppe von Leuten, die sehr extreme Ansichten vertraten. Man denke nur an den Brand der Stabkirche in Fantoft. Hier nahmen die Brände ihren Anfang, die sich dann über ganz Norwegen ausbreiteten.

NH: Ihr habt die Entwicklung in Norwegen ja hautnah miterlebt. Wie wichtig war diese Entwicklung für Enslaved? Ist Enslaved eine Blackmetal-Band?
Grutle: Enslaved ist in erster Linie eine Metal-Band. Wenn uns jemand als Black bezeichnet und damit glücklich ist, ist das auch okay. Derartige Einflüsse sind auf jeden Fall in unserer Musik enthalten. Die allgemeine Entwicklung hat uns natürlich, wie auch vielen anderen Bands dieser Zeit, sehr geholfen, unseren Bekanntheitsgrad zu steigern. In vielen Ländern reicht es heute noch aus, wenn eine Band aus Norwegen kommt, daß Konzerte gut besucht sind. Andererseits gab es bis vor einigen Jahren noch teilweise ganz schön starke Vorurteile gegenüber Leuten, die sich hier mit extremer Musik befaßt haben. In dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, sagten die Leute zu mir immer Dinge, wie: "Bitte zünde nicht unsere Kirche an, nimm die Kapelle, die ist neuer..." und sie hielten mich wechselweise für ein Mitglied der Hell's Angels oder einen Satanisten, jedenfalls immer für einen Mörder. Ich selbst war allerdings nie an Kirchenbränden oder ähnlichem beteiligt!

NH: Kurz nachdem Varg Vikernes ein Interview mit Bergens Tidende (örtl. Tageszeitung, Anm.d.Verf.) gemacht hatte, erschien ein Interview mit Euch in der Lokalzeitung Haugesunds. Worum ging es da?
Grutle: Oh ja, da ging es genau um diese Sachen! Aber der Journalist war ein kompletter Idiot, der alles verdreht darstellte und behauptete, wir hätten ihn angelogen. Ich meine, wir haben ihn angelogen, aber in anderen Bereichen...(lacht). Das war überhaupt eine lustige Zeit damals. Ich lebte nichtmal direkt in Haugesund, sondern ein gutes Stück außerhalb.(fängt wieder an, Schwänke aus seiner Jugend zu erzählen...)

NH: Ihr habt ja schon häufig in Deutschland gespielt. Wie gefällt es euch dort?
Grutle: Nun, wie soll ich das sagen, früher war es besser. Deutschland ist von einigen Bands in gewisser Weise "übertourt" worden. Das Publikum wirkt ein bißchen übersättigt.

Gerade in Deutschland ist ja dieses "true Blackmetal-Ding" momentan sehr populär. Was hältst du davon?
Grutle: Du meinst die Leute, die nichts anderes außer Blackmetal hören und akzeptieren? Das finde ich total blödsinnig. Ich selbst mag zum Beispiel verschiedenen Arten von Musik, solange es kein Techno ist... Menschen, die sich selbst so eingrenzen, verarmen geistig. Ich bekomme jeden Tag CDs von irgendwelchen Leuten geschickt, die ich mir unbedingt anhören muß. An und für sich bin ich da sehr tolerant, aber manchmal sind da auch Sachen dabei, wo ich denke: "Was ist denn das für eine Scheiße...?" (...)

Anschließend wollte er mir dann unbedingt noch erklären, warum er gerne den norwegischen Grammy gewinnen würde: "Siehst du den harfenförmigen Türgriff dort (deutet auf die Eingangstür)? Das ist der norwegische Grammy. Wenn man seinen der Garage schenkt, darf man hier für den Rest seines Lebens umsonst trinken!" Was soll man dazu noch sagen!?

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Das Gespräch führte Gabriel R. Zengel im Herbst 2001.