Martin Schirenc - ein geschichtsträchtiger Name im Todesmetall. Bereits Ende der Achtziger hat er als Fronter der Death Metal Legende Pungent Stench gezeigt, dass er sich in Sachen Kreativität nichts und niemandem unterordnen wird. Jüngstes Beispiel für die Vielseitigkeit des Musikers und Produzenten Martin Schirenc ist die nicht mehr ganz so junge Hauptspielwiese HOLLENTHON, die diesen Mai ihr drittes Werk Opus Magnum veröffentlicht haben.

Haris: Habe die Ehre Martin, nach so vielen Jahren im Musikbusiness, ist man da nach wie vor nervös vor dem Release eines neuen Albums bzw. fürchtet man die Kritiken? Du wirkst ja auf der Bühne äußerst souverän und selbstbewusst, dann man denken könnte, Dir könnte nichts und niemand was anhaben... ;)
Martin:
Guten Tag! Ich bin vor dem Release eines neuen Albums niemals nervös, sondern eher erleichtert, dass die Platte endlich fertig ist und meistens auch noch ziemlich erschöpft vom Stress und Schlafmangel der vorangegangenen Wochen oder Monate. Ich fürchte mich auch nicht vor Kritiken, weil ich selbst sowieso mein härtester Kritiker bin und davon überzeugt, dass man es immer noch besser machen könnte. Ich bin aber trotzdem froh wenn meine Platten nicht zu sehr verrissen werden.

Haris: Dass Du Dich mit Deiner Musik sehr schwer in Schubladen kategorisieren lässt, ist bereits seit 20 Jahren klar, aber mit HOLLENTHON scheinst Du noch weniger kompromissbereit zu sein als beispielsweise seinerzeit mit Pungent Stench. Liegt Dir HOLLENTHON näher als alles andere, was Du bisher so fabriziert hast?
Martin:
Das kann man schon so sagen. HOLLENTHON ist ein sehr persönliches Projekt, weil ich hier wirklich all meine Vorlieben zum Ausdruck bringen kann und mich nicht einem bestimmten Genre unterordnen muss. Das ist einerseits ein Vorteil, weil HOLLENTHON nicht an kurzweilige Trends gebunden ist und somit auch zeitloser bleibt, allerdings wäre es von einem rein kommerziellen Standpunkt aus sicherlich förderlicher, wenn man uns in eine bestimmet Schublade stecken könnte. Das sind viele Hörer gewohnt und nicht jeder ist offen genug über den Tellerrand zu schauen um neue Dinge zu entdecken.

Haris: Du hast ja jetzt zum ersten Mal in der Geschichte HOLLENTHONs für ein Album in der klassischen Bandbesetzung "Gesang - 2 Gitarren - Bass - Schlagzeug" gearbeitet. Ist aus HOLLENTHON mittlerweile eine richtig eingespielte Band geworden, in der sich jedes Mitglied vollwertig ins Songwriting einbringen kann oder hast Du lieber noch selbst alle Zügel in der Hand und arbeitest lieber mit Sessionmusikern zusammen?
Martin:
Ja, wir sind eine richtige Band, was immer das auch heißen mag, aber das Songwriting ist noch immer meine Sache und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Ich habe allerdings dieses Mal verstärkt mit Mike, unserem Drummer, zusammen gearbeitet um den Metal-Anteil unserer Musik ein bisschen mehr hervorzuheben. Opus Magnum ist auf jeden Fall gitarrenlastiger als die beiden Vorgängeralben und auch auf die Drums haben wir diesmal mehr Augenmerk gelegt.

Haris: Unlängst war ein Statement Deines langjährigen Weggefährten Alex Wank (ex-Pungent Stench Schlagzeuger) auf der offiziellen Pungent Stench-Myspace Seite zu lesen, in dem Du nicht sonderlich gut weggekommen bist. Von Deiner Seite hat man bislang noch wenig bis gar keine Stellungnahme dazu gelesen. Kannst Du die letzten Tage von Pungent Stench aus Deiner Perspektive kurz beschreiben?
Martin:
Ich habe auch ein offizielles Statement auf unserem Forum abgegeben (zu unserer Homepage und Myspace-Seite habe ich keinen Zugang), aber ich hatte nicht vor die Band mit einer öffentlichen Schlammschlacht zu begraben. Was Wanks Statement betrifft, kann ich nur meinen Kopf schütteln angesichts der Lügen und Halbwahrheiten, die er darin über mich verbreitet hat. Fakt ist, dass er mir während ich mitten im Mix der neuen Platte steckte, per E-Mail mitteilte, alle vergangenen finanziellen Abmachungen über den Haufen zu werfen und zu seinen Gunsten ändern wolle und sollte ich seinen Bedingungen nicht zustimmen, wäre das das Ende der Band. Mir blieb also keine andere Wahl als meine Konsequenzen zu ziehen wenn ich mich nicht erpressen lassen wollte und das kam natürlich nicht in Frage.
Klar war ich die erste Zeit über diese Entwicklung geschockt, aber ich habe trotzdem einfach weiter gemacht und an Opus Magnum gearbeitet. Jetzt ist das Album fertig, ich spiele auf großen Festivals und gehe im Oktober auf Tour, während Wank in seinem finsteren kleinen Plattenladen sitzt und meine Platte verkauft. So verdient er zwar noch immer Geld mit meiner Musik, aber bei weitem nicht mehr so viel wie früher, haha!

Haris: Der Ampeauty-Nachfolger ist ja bereits im Kasten. Nicht wenige Death Metal Fans würden es sich wünschen, das Farewell-Album zu hören. Gibt es da irgendwelche Ambitionen, dass die Scheibe doch noch veröffentlicht wird?
Martin:
Ja, die gibt es, allerdings muss noch eine Einigung zwischen Wank und mir erzielt werden und das ist eine äußerst zähe Angelegenheit. Leider kann ich im Moment noch nicht mehr dazu sagen.

Haris: Aber jetzt mal genug über Vergangenes geplaudert...
Ein tragendes Element im HOLLENTHON Sound ist der Einsatz von allerlei Samples orchestralen Charakters, der Euch schon recht deutlich in die symphonische Black Metal-Richtung drängt. Diese sind auf Opus Magnum ausgereifter und mit noch mehr Detailliebe ausgearbeitet. Wie gehst Du denn bei HOLLENTHON beim Songwriting vor?
Martin:
Das ist ganz unterschiedlich – manchmal baut der Song auf ein Gitarrenriff auf und die Orchestrierung erst kommt später dazu, aber es gibt auch Songs die um ein Sample geschrieben wurden. Ich arbeite meistens an mehreren Stücken gleichzeitig und wenn mir bei einem Song gerade nichts einfällt, dann mach ich einfach beim Nächsten weiter. Wie du siehst, hab ich keine fixe Formel beim Songwriting, was wahrscheinlich auch mit ein Grund ist warum unsere Musik ziemlich abwechslungsreich ist. Es ist aber in jedem Fall immer ein sehr aufwändiger und langwieriger Prozess die ganzen Orchesterparts, Chöre und Ethno-Elemente mit Metal in Einklang zu bringen.

Haris: Opus Magnum – das „große Werk“, der Albumtitel ist Programm. Das neue Album klingt wie eine logische Fortsetzung von With Vilest Of Worms To Dwell, hat jedoch mit dem Rohen und Düsteren Eures Debüts gar nichts mehr zu tun. Man hat beim Hörgenus Eures Drittwerks den Eindruck, Ihr hättet jeglichen Ballast über Bord geworfen und schafft es trotz einer deutlich progressiveren Ausrichtung, ein ungemein kompaktes und kurzweiliges Album zu schreiben. Ihr habt Euch auch technisch in jeglicher Hinsicht gesteigert. Die Gitarrenarbeit beispielsweise ist beachtlich und mit das beste, was Du in Deiner Karriere bislang eingespielt hast. Was ist für Dich der Schlüssel des Erfolgs von HOLLENTHON?
Martin:
Wie schon gesagt, habe ich diesmal großen Wert auf die Gitarrenarbeit gelegt. Es war mir aber trotzdem wichtig, dass die Platte nicht gezwungen oder überladen klingt, also progressiv um jeden Preis auch wenn dabei jeder Wiedererkennungswert verloren geht. Ich habe immer Bands wie z.B. Jethro Tull bewundert, die es schaffen höchstes technisches Niveau mit eingängigen Songs zu kombinieren, die man auch als Nicht-Musiker nachvollziehen kann. Der anarchische Charakter unseres Debüts ist natürlich weitgehend verschwunden, aber die Grundelemente sind noch immer die gleichen wie damals.

Haris: Mit Pungent Stench habt Ihr die Leute noch geschockt, die Texte waren Mittel zum Zweck. Wie wichtig sind Dir denn die Texte bei HOLLENTHON?
Martin:
Sehr wichtig, deshalb schreibe ich sie auch nicht selber! [Anm. d. Verf.: die Texte schreibt Martins Ex-Frau Elena Schirenc]

Haris: Dass Ihr Euch live mehr als überzeugend präsentiert und erstklassige Entertainer seid, habt Du und Bassist Gregor ja bereits mit Pungent Stench unter Beweis gestellt. Da Eure Songs so viele unterschiedliche Elemente beinhalten, ist es bei einer Band wie HOLLENTHON doch besonders nervig, wenn der Livesound schlecht abgemischt ist (wie beispielsweise kürzlich auf dem Summer Breeze Festival in Dinkelsbühl). Da gehen entweder mal die Streicher- oder Chorsamples komplett flöten oder von Deinem Gesang hört man so gut wie gar nichts. Ist das für Euch ein bekanntes Phänomen? Die anderen Partyzelt-Bands, die ich sehen durfte, hatten einen durchweg guten Sound gemischt bekommen.
Martin:
Normalerweise haben wir eigentlich keinen schlechten Livesound, aber auf Festivals ist das immer so eine Sache, da man ja ohne Soundcheck auftreten muss und bei unserem komplexen Material ist das natürlich kein einfacher Job für den Tontechniker. Ich spiele daher auch lieber Clubshows bei denen nicht alles so chaotisch zugeht wie auf Festivals, da man nicht so unter Zeitdruck steht.

Haris: Thematisch hat meine abschließende Frage jetzt nichts mit HOLLENTHON zu tun. Aber im Zuge der (durchaus sinnvollen) Reunions von Bands wie Carcass, At The Gates oder Pestilence würde mich mal interessieren, wie Du dazu stehst. Eure Pungent Stench Reunion vor knapp acht Jahren ergab Sinn, denn es hatte für mich nicht den Anschein, Ihr würdet dies hauptsächlich des Geldes wegen machen. Carcass hingegen fahren jetzt (abgesehen von einigen Festivalauftritten) eine US-Tour. Europa und vor allem Deutschland scheint da außen vor zu bleiben. Erfolg in den USA = mehr Kohle in der Tasche? Wie stehst Du zu den Reunions oben genannter Bands? Und in diesem Zusammenhang: Ist Pungent Stench für Dich endgültig gestorben?
Martin:
Ich hatte ja das Glück all diese Bands zu sehen als sie noch aktiv waren, daher gehen mir die meisten Reunions völlig am Arsch vorbei, aber es gibt viele junge Fans die dadurch doch noch die Möglichkeit bekommen, diese Gruppen endlich einmal live zu erleben.
Klar geht es hier für die meisten Bands in erster Linie ums Geld, aber die Musiker müssen ja auch von etwas leben und solange sie gute Shows spielen, hab ich auch kein Problem damit. Im Gegensatz zur Reunion Carcass war unsere nicht als einmalige Aktion geplant, sondern einfach eine Fortsetzung der Band nach einer längeren Pause und wenn die internen Problem nicht gewesen wären, würden wir noch immer spielen.
Pungent Stench ist in dieser Konstellation auf jeden Fall für mich gestorben, das heißt ich werde nie wieder mit Wank gemeinsam auf einer Bühne stehen. Alles andere wird die Zukunft zeigen.

Haris: So Martin, dann bedanke ich mich recht herzlich für das Interview! Ich wünsche Dir und Deinen Jungs viel Erfolg!

 

9/2008 © Haris Durakovic  • Hollenthon