Ole: Dein
neues Album heißt ja Enter My Religion, Dein
Debüt Deus Ex Machina. Da liegt die Frage nach
einem Sinnzusammenhang direkt nahe, oder?
Liv: Interessant. Das hat mich noch niemand gefragt.
(grinst) - Aber nein, eine Verbindung zwischen den beiden Alben
gibt es eigentlich nicht. Es ist vielmehr eine Entwicklung.
Beim ersten Album war ich Zwanzig-und-irgendwas. Da gab es Produzenten
und Texter, die mir erzählen wollten, was ich zu singen
hatte und wie ich’s zu singen hatte. Hinter Enter
My Religion stecke ich mit meiner ganzen Persönlichkeit.
Ole: 8 Jahre
sind eine lange Zeit. Warum hast Du so lange solistisch nichts
von Dir hören lassen?
Liv: Ich hab leider viel zu viel Zeit vor Gericht verbracht.
Dabei ging es hauptsächlich um so Fragen, wer was verwerten
darf und so weiter.
Ole: Wie
kam es dann zu dem Album-Titel?
Liv: Religion ist für mich hier eine Bezeichnung
für alles, woran ich glaube. Das Album ist in erster Linie
als Einladung in meine persönliche Welt zu verstehen, an
meinen Träumen und Hoffnungen teilzuhaben.
Ole: Aber,
es fällt schon eine gewissen Orientierung an religiösen
Begriffen auf: angefangen bei den Albumtiteln bis zum Songtitel
wie Revelation (Offenbarung). Wie steht es mit Deinem
Verhältnis zur Kirche? Bist Du gläubig?
Liv: Natürlich glaube ich an etwas. Aber nicht
so, wie es die Kirche gern hätte. Mein Mann und ich sind
beide aus der Kirche ausgetreten. Ich muss auch nicht zum Glauben
in die Kirche gehen. Lieber halte ich mich in der Natur auf.
Da bin ich wohl ganz Norwegerin. Das gibt mir Kraft. Diese Kraft
ist das Leben selbst!
Ole: Eine
Erkenntnis, die Du gewonnen hast, seit Du Mutter bist?
Liv: Nicht direkt. Ich hab schon in der zweiten Klasse
angefangen, Fragen zu stellen. Wir sollten damals malen, wie
wir uns Gott vorstellen. Aber für mich hat das nichts mit
einem alten Mann auf einem Thron im Himmel zu tun (oder was
auch immer).
Ole: Gemessen
an früheren Sachen ist Enter My Religion (durchaus
im positiven Sinne) vergleichsweise „poppig“, und
gar nicht mal so „dark“. Hast Du damit keine Angst,
Du könntest damit alte Fans verstören?
Liv: Ich bin jetzt an einem Punkt meiner Karriere,
an der ich machen kann, was ich will. Fans und Plattenfirmen
sind bei der Produktion selbst keine so wichtigen Faktoren.
Inzwischen habe ich meinen Weg gefunden. Ich muss jetzt zum
Glück keine großen Sprünge mehr machen, sondern
kann mich ganz auf meine Fähigkeiten und meine Mitmenschen
vertrauen. Ich würde mich in dem, was ich tue auch nicht
unbedingt auf eine Sache – poppig oder dark – festlegen
wollen.
Ole: Die
Single aus dem Album heißt Fake A Smile. Du hast
an anderer Stelle ja schon ein paar Details vom Set verraten.
Wie darf man sich das Video denn nun inhaltlich vorstellen?
Ich hab nur gelesen, dass es rattenkalt war...
Liv: Ja, es war im November bei Minus 10 Grad, und
ich hatte nur ein Abendkleid an. Ich hab mich gefühlt wie
eine Eiskönigin!
Ole: Bei
dem Song hatte ich gleich Bilder von zwei parallel laufenden
Geschwindigkeiten im Kopf...
Liv: Ganz genau! Es heißt ja in dem Song „my
world is turning too fast“ – Insofern haben wir
auch zwei Welten nebeneinander gestellt, die eine ist eher hektisch
und die andere, wenn Du so willst, „geträumt“.
Ole: Lass
uns noch über Streets Of Philadelphia reden. Was
verbindet Dich mit dem Song?
Liv: Ich war einfach fasziniert davon, wie Bruce „The
Boss“ das singt. Oft sehr undeutlich, mit vielen „blauen“
Noten dabei. Gar nicht so, wie man das schulmäßig
lernt. Aber gerade dadurch bekommt das so eine direkte und emotionale
Komponente. Damit musste ich mich erstmal auseinandersetzen.
Ole: Magst
Du eigentlich System Of A Down?
Liv: Das ist jetzt nicht so die Musik, die ich im Auto
hören würde...
Ole: Ich
hab nämlich neulich ein Interview mit Serj Tankian, dem
Sänger, gelesen. Er war ein bisschen genervt davon, dass
ihn immer alle Leute auf die politischen Seiten in seiner Musik
ansprechen. Deshalb ging es auch hauptsächlich um sein
Verständnis von Humor. Gibt es Fragen, die Du nicht mehr
hören kannst bzw. Dinge, über die Du viel lieber reden
würdest?
Liv: Damals bei Theatre Of Tragedy wurde ich oft gefragt,
ob ich denn wirklich so eine depressive Persönlichkeit
sei. Dinge wie: „Kannst Du überhaupt lachen?“
Natürlich kann ich das! Ich meine, klar durchlebt jeder
gute und nicht so gute Zeiten. Der Rausschmiss von ToT und die
Gerichtsverhandlungen waren natürlich scheiße, aber
jetzt habe ich dank mit meiner Musik und meiner Familie meinen
Weg gefunden.
Insofern würde ich lieber davon erzählen, wie schön
das alles ist...
Ole: Gerade
in letzter Zeit scheint es ja einen regelrechten Boom von Musik
aus Skandinavien zu geben. Angefangen bei den Hives und Mando
Diao bis Nephew und Apoptygma Bezerk.
Liv: Daran ist doch ganz allein ABBA Schuld. (grinst)
Gut, die sind Schweden. Aber die erste Norwegerin war dann ja
wohl Wenke Myhre. Aber jetzt mal im Ernst: Davon bin ich selbst
ein bisschen überrascht, wieviel kreative Musiker da herkommen.
Ole: Gibt
es norwegische Musiker, mit denen Du gern zusammenarbeiten würdest?
Liv: Morten Harket von A-Ha.
Ole: Wie
findest Du eigentlich Kari Rueslatten?
Liv: Ja, die ist großartig! Mit der könnte
ich mir eine Zusammenarbeit auch sehr gut vorstellen.
Ole: A propos
Kari: ich denke schon, dass The 3rd & The Mortal damals
einen Trend ausgelöst haben, der später von The Gathering
oder auch Nightwish weitergeführt wurde. Ich meine, Metalbands
mit „Heavenly Voice“. Kari meinte mal, sie wurden
maßgeblich von Anathema beeinflusst. Wer hat Euch bei
Theater Of Tragedy so sehr beeindruckt, dass ihr auf die Idee
kamt, männliche Death-Metal-Vocals mit Deiner Stimme zu
kombinieren?
Liv: Hauptsächlich Black Sabbath, Anathema und
Paradise Lost.
Ole: Daher
auch die beiden Duette mit Nick Holmes?
Liv: Das war witzig. Wir hatten ja für Paradise
Lost As I Die zusammen aufgenommen. Als wir dann mit Leaves
Eyes und Paradise Lost auf Tour waren, wurde ich oft gefragt,
warum wir das Stück live nicht gebracht haben. Einfache
Antwort: Wir hatten keine Zeit, zusammen zu proben. Sonst hätten
wir das bestimmt gemacht.
(Im Hintergrund klingelt ein Telefon)…
Oh, das wird schon wieder der nächste Termin sein.
Ole: Na gut,
dann danke ich Dir erstmal für das Gespräch und wünsche
Dir viel Erfolg mit der CD!
Liv: Ja, danke. Tschüß und alles Liebe!