Jochen:
Kannst du unseren Lesern eine autobiographische Notiz über
deine Musik, deine Einflüsse und dich selbst geben?
Luca: Ich versuch’s mal auf dieser Weise: Ich war
ein Metalhead, ein “Grunger” zu Beginn der 90er.
Doch irgendwann begann mich Electronic/Trance/Ambient zu faszinieren
und ich wandte mich dieser Musik zu. Bis ich feststellte, dass
ich mich am besten Gitarre spielend ausdrücken konnte;
und so begann ich wieder Rock zu spielen. Wegen ein paar weniger
schönen Erlebnissen mit früheren Bands zog ich NAHUI
alleine auf.
Jochen:
Ich habe deine Musik mit den einprägsamten New Wave Bands
der 80er verglichen. Insbesondere mit The Sound und deren leider
viel zu früh verstorbenen Mastermind Adrian Borland, an
dessen Gesang mich deine Stimme erinnert. Gibt es bewusste Bezüge,
oder ist das eher zufällig?
Luca: Das ist eher zufällig, meines Wissens kenne ich
die Band nicht. Trotzdem hat die Musik der 80er einen großen
Einfluss auf mich; besonders jene relativ simple und direkte
Art ausdrucksvolle Melodien zu kreieren.
Jochen:
Einer der Songs auf dem Album heißt Berlin. Welche
Bedeutung hat die Stadt für dich?
Luca: Ich war nach meiner Graduation 1996 in Berlin, und
ich fühlte die besondere Atmosphäre, in der neue Möglichkeiten
wachsen und langsam die Schatten der Vergangenheit überwuchern,
eine Art Wiedergeburt nach dem Mauerfall.
Ich denke, der fall der Mauer war wichtig für die Gesamte
Menschheit, symbolisiert er doch etwas, das zu jedem Menschen
gehört: wir tragen so viele verschiedene Persönlichkeiten
in uns, die oft kontrovers sind oder einfach nur unterschiedlich.
Das macht uns so inkohärent und widersprüchlich und
führt dazu, dass wir ziemlich häufig seltsame Dinge
tun... Unsere Ängste bauen eine Mauer auf, die diesen Teil
von uns auf Distanz hält. Mein Song handelt davon, wie
man diese Ängste hinter sich lässt und wieder Einheitlichkeit
erreicht. Um das zu erreichen braucht man Energie, Enthusiasmus
und Willenskraft: ich hoffe, das findet sich in meinem Lied
wieder.
Jochen:
Dein Label “My Kingdom Music” hat etliche interessante
(italienische) Künstler und deren Alben veröffentlicht
(And Harmony Dies, die frühen Klimt 1918, Aura, Orient
Express, The Sun Of Weakness u.v.a.). Gibt es Kontakt und Austausch
untereinander, oder ist das eher findigen Mitarbeitern des Labels
zu verdanken?
Luca: Da hast du wirklich sehr gute Bands genannt; ich würde
En Declin dieser Liste noch hinzufügen. Ich denke nicht,
dass da eine “Szene” existiert, zumindest nicht
wie man es sich gemeinhin vorstellt. Und wenn doch, bin ich
wohl kaum ein Teil davon. Ich bin der Überzeugung, dass
die Vielzahl von existierenden Sub-genres in der heutigen Rockmusik
es unmöglich macht, als Szene groß zu werden und
sich zu etablieren. Das hier in Italien Rock nicht sonderlich
populär ist, erledigt den Rest. Aber es gibt exzellente
Musik hierzulande und My Kingdom Music hilft guten Bands glücklicherweise
auf die Sprünge.
Jochen:
Wird NAHUI weiter eine “One Man Band” mit wechselnden
Gastmusikern bleiben, oder ist auf Dauer ein festes Gefüge
geplant?
Luca: Ich habe im Moment nicht das Bedürfnis nach einer
festen Band, aber wer weiß, ich würde mich in diese
Richtung auch nie endgültig festlegen wollen.
Jochen:
Ist deine Musik zu persönlich, um sie in einer konstanten
Band umzusetzen?
Luca: Nun ja, wenn es um Emotionen geht, die ich selbst
ausdrücken möchte, da bin ich tatsächlich etwas
eifersüchtig. NAHUI ist tatsächlich meine Schöpfung.
Mit anderen Musikern zu spielen und zu komponieren ist eine
tolle Sache, aber ich würde dem einen anderen Namen verleihen.
Jochen:
Wie ist die Kritiker- und Publikumsresonanz auf A Blue Fire?
Luca: to Zu meiner Überraschung bekomme ich eine sehr
gute Resonanz aus Deutschland Holland, eigentlich ganz Nordeuropa.
Wesentlich mehr als aus Italien. Vielleicht liegt das an meinen
dänischen Vorfahren, außerdem haben mich etliche
dänische Bands beeinflusst (Kashmir, Carpark North um nur
zwei zu nennen). Vielleicht nimmt man mich und meine „Sprache“
deshalb intensiver in nördlichen Gefilden wahr als in Italien.
Jochen:
Sind bereits neue Projekte in Planung?
Luca: Tatsächlich! Gerade letzte Woche habe ich eine
erste Probe mit einem Drummer und einem Bassisten gehabt. Wir
haben einige neue akustische Songs von mir gespielt. Ich denke
dieses Projekt ist eine richtige Herausforderung, denn meine
beiden Mitmusiker haben mit Metal und Rock wenig am Hut; sie
kommen eher aus dem Bereich Jazz/Funk/Experimental. Ich bin
wirklich gespannt, was dabei herauskommen wird!
Jochen:
Wird es in absehbarer Zeit Live-Auftritte außerhalb Italiens
geben?
Luca: Leider nicht. Aber ich arbeite daran NAHUI
auch live voran zu bringen.
Jochen:
Möchtest du unseren Lesern (bzw. deinen Hörern) noch
etwas mit auf den Weg geben?
Luca: Vielleicht das: ich denke, wirklich ernstzunehmende
Bands und Künstler sind solche, die enen es gelingt großartige
Musik zu machen, ohne sich zu wiederholen. Ich träume von
einer Hörerschaft, die meine Musik schätzt, ohne zu
wissen, was als nächstes kommt. Auch wenn’s hart
klingt in Zeiten wie diesen...
Jochen:
Dann ein harter Dank für deine hervorragende Musik bisher
und natürlich für’s Interview. Die letzten Worte
gehören dir... :)
Luca: Hervorragende Musik ist nichts ohne Hörer, die
sie zu schätzen wissen. Ich danke dir, Jochen und allen
Menschen, die sich Zeit für meine Arbeit nehmen.