NAHUI
 

Hinter NAHUI verbirgt sich der Italiener Luca Giancotti. Nach den beiden zwei Promo-EPs, Tidal Wave (2003) und Around The Shadows (2005), erschien im September 2008 das erste Album A Blue Fire. Ein hervorragendes Debüt aus dem Bereich des melancholischen Alternative-Rocks mit Power, dessen Sollseite lediglich aus seiner etwas kurzen Laufzeit besteht…

Jochen: Herzlichen Glückwunsch zum famosen Debüt. Sind deine beiden vorangegangenen EPs eigentlich noch erhältlich?
Luca:
Zuerst ein Dankeschön! Around The Shadows ist noch erhältlich, Tidal Wave leider nicht mehr.

Jochen: Kannst du unseren Lesern eine autobiographische Notiz über deine Musik, deine Einflüsse und dich selbst geben?
Luca:
Ich versuch’s mal auf dieser Weise: Ich war ein Metalhead, ein “Grunger” zu Beginn der 90er. Doch irgendwann begann mich Electronic/Trance/Ambient zu faszinieren und ich wandte mich dieser Musik zu. Bis ich feststellte, dass ich mich am besten Gitarre spielend ausdrücken konnte; und so begann ich wieder Rock zu spielen. Wegen ein paar weniger schönen Erlebnissen mit früheren Bands zog ich NAHUI alleine auf.

Jochen: Ich habe deine Musik mit den einprägsamten New Wave Bands der 80er verglichen. Insbesondere mit The Sound und deren leider viel zu früh verstorbenen Mastermind Adrian Borland, an dessen Gesang mich deine Stimme erinnert. Gibt es bewusste Bezüge, oder ist das eher zufällig?
Luca:
Das ist eher zufällig, meines Wissens kenne ich die Band nicht. Trotzdem hat die Musik der 80er einen großen Einfluss auf mich; besonders jene relativ simple und direkte Art ausdrucksvolle Melodien zu kreieren.

Jochen: Einer der Songs auf dem Album heißt Berlin. Welche Bedeutung hat die Stadt für dich?
Luca:
Ich war nach meiner Graduation 1996 in Berlin, und ich fühlte die besondere Atmosphäre, in der neue Möglichkeiten wachsen und langsam die Schatten der Vergangenheit überwuchern, eine Art Wiedergeburt nach dem Mauerfall.
Ich denke, der fall der Mauer war wichtig für die Gesamte Menschheit, symbolisiert er doch etwas, das zu jedem Menschen gehört: wir tragen so viele verschiedene Persönlichkeiten in uns, die oft kontrovers sind oder einfach nur unterschiedlich. Das macht uns so inkohärent und widersprüchlich und führt dazu, dass wir ziemlich häufig seltsame Dinge tun... Unsere Ängste bauen eine Mauer auf, die diesen Teil von uns auf Distanz hält. Mein Song handelt davon, wie man diese Ängste hinter sich lässt und wieder Einheitlichkeit erreicht. Um das zu erreichen braucht man Energie, Enthusiasmus und Willenskraft: ich hoffe, das findet sich in meinem Lied wieder.

Jochen: Dein Label “My Kingdom Music” hat etliche interessante (italienische) Künstler und deren Alben veröffentlicht (And Harmony Dies, die frühen Klimt 1918, Aura, Orient Express, The Sun Of Weakness u.v.a.). Gibt es Kontakt und Austausch untereinander, oder ist das eher findigen Mitarbeitern des Labels zu verdanken?
Luca:
Da hast du wirklich sehr gute Bands genannt; ich würde En Declin dieser Liste noch hinzufügen. Ich denke nicht, dass da eine “Szene” existiert, zumindest nicht wie man es sich gemeinhin vorstellt. Und wenn doch, bin ich wohl kaum ein Teil davon. Ich bin der Überzeugung, dass die Vielzahl von existierenden Sub-genres in der heutigen Rockmusik es unmöglich macht, als Szene groß zu werden und sich zu etablieren. Das hier in Italien Rock nicht sonderlich populär ist, erledigt den Rest. Aber es gibt exzellente Musik hierzulande und My Kingdom Music hilft guten Bands glücklicherweise auf die Sprünge.

Jochen: Wird NAHUI weiter eine “One Man Band” mit wechselnden Gastmusikern bleiben, oder ist auf Dauer ein festes Gefüge geplant?
Luca:
Ich habe im Moment nicht das Bedürfnis nach einer festen Band, aber wer weiß, ich würde mich in diese Richtung auch nie endgültig festlegen wollen.

Jochen: Ist deine Musik zu persönlich, um sie in einer konstanten Band umzusetzen?
Luca:
Nun ja, wenn es um Emotionen geht, die ich selbst ausdrücken möchte, da bin ich tatsächlich etwas eifersüchtig. NAHUI ist tatsächlich meine Schöpfung. Mit anderen Musikern zu spielen und zu komponieren ist eine tolle Sache, aber ich würde dem einen anderen Namen verleihen.

Jochen: Wie ist die Kritiker- und Publikumsresonanz auf A Blue Fire?
Luca:
to Zu meiner Überraschung bekomme ich eine sehr gute Resonanz aus Deutschland Holland, eigentlich ganz Nordeuropa. Wesentlich mehr als aus Italien. Vielleicht liegt das an meinen dänischen Vorfahren, außerdem haben mich etliche dänische Bands beeinflusst (Kashmir, Carpark North um nur zwei zu nennen). Vielleicht nimmt man mich und meine „Sprache“ deshalb intensiver in nördlichen Gefilden wahr als in Italien.

Jochen: Sind bereits neue Projekte in Planung?
Luca:
Tatsächlich! Gerade letzte Woche habe ich eine erste Probe mit einem Drummer und einem Bassisten gehabt. Wir haben einige neue akustische Songs von mir gespielt. Ich denke dieses Projekt ist eine richtige Herausforderung, denn meine beiden Mitmusiker haben mit Metal und Rock wenig am Hut; sie kommen eher aus dem Bereich Jazz/Funk/Experimental. Ich bin wirklich gespannt, was dabei herauskommen wird!

Jochen: Wird es in absehbarer Zeit Live-Auftritte außerhalb Italiens geben?
Luca:
Leider nicht. Aber ich arbeite daran NAHUI auch live voran zu bringen.

Jochen: Möchtest du unseren Lesern (bzw. deinen Hörern) noch etwas mit auf den Weg geben?
Luca:
Vielleicht das: ich denke, wirklich ernstzunehmende Bands und Künstler sind solche, die enen es gelingt großartige Musik zu machen, ohne sich zu wiederholen. Ich träume von einer Hörerschaft, die meine Musik schätzt, ohne zu wissen, was als nächstes kommt. Auch wenn’s hart klingt in Zeiten wie diesen...

Jochen: Dann ein harter Dank für deine hervorragende Musik bisher und natürlich für’s Interview. Die letzten Worte gehören dir... :)
Luca:
Hervorragende Musik ist nichts ohne Hörer, die sie zu schätzen wissen. Ich danke dir, Jochen und allen Menschen, die sich Zeit für meine Arbeit nehmen.

 

12/2008 © Jochen König • Nahui