Jochen: Erst mal Gratulation zu Discovery Of The Obskuria, diesem späten Highlight des Jahres 2007; das für mich zu einem gelungenen Einstieg in den Januar wurde!
Weil mir die Anfänge ausgegangen sind, starten wir gleich mittendrin…

Jochen:In der Rezension eines Webzines wurde Eurer Musik doch tatsächlich bescheinigt, einen „authentischen, schmierigen und atmosphärischen Sound wie ich ihn zuletzt bei Emerson, Lake & Palmer gehört habe – nur irgendwie noch bekiffter“ zu besitzen. Ich habe herzlich lachen müssen. Was denkt Ihr, wenn Ihr solch eine Rezension lest?
Winnie:
Hehe, ja das hab ich auch gelesen. Hm... also wenn die Leute sich Mühe geben, sich eine Meinung zu bilden, respektiere ich das und freue mich. Ist mir tausendmal lieber als wenn jemand einfach sagt Schrott – zu viel Punk, und der nächste dann: Schrott – zu wenig Punk. Sowas ärgert mich.

Jochen: Kann man der Rezensentin zugute halten, dass sie sich für zu jung erachtet, um Eure Musik beurteilen zu können?
Winnie:
Ich glaube Alter ist kein Argument, nur Hörgewohnheiten. Ich kenne genug Leute, die bestimmt jünger sind als sie, und die voll drauf abfahren. Und ob du sowas wie OBSKURIA jetzt „noch nie“ oder „schon lange nicht mehr“ gehört hast – Die Platte hat ihre Fans quer durch alle Altersgruppen.

Jochen: Andererseits, warum lässt sie’s dann nicht gleich, anstatt mit solch hanebüchenen Vergleichen hausieren zu gehen. Ganz wertungsfrei: authentisch und bekifft ist E,L & P’s Musik nie gewesen. Da klopfte immer die Akademie an die Tür und bat um Einlass. Eure Musik wirkt dagegen – gerade in den langen Stücken – improvisiert und aus dem Augenblick geboren (für „bekifft“ halte ich sie nicht unbedingt. Da denke ich eher an Gong oder Witthüser & Westrup). Habt Ihr tatsächlich drauflosgespielt, oder sind die Songs – in sehr kurzer Zeit – durchkomponiert worden?
Winnie:
Ja also wir haben die Coverstücke arrangiert und mehrfach eingespielt, und zwischendrin haben wir dann gejammt. Eigentlich nur aus Spaß an der Freude, aber Wolf (World In Sound) und Mathias (Perplex Tonstudio) haben geistesgegenwärtig immer auf Record gedrückt. Es war schon drauflosgespielt – aber mit viel Kommunikation. Enrique, der Drummer, hat da viel geleitet, einfach durch die Art wie er spielt. Für die Jams gab es also keine Absprachen im voraus.

Jochen: Wie kam die Auswahl Eurer Cover-Versionen zustande?
Winnie:
Die vier Jungs aus Peru haben ja beim Chef unseres Labels auf der Couch geschlafen, und dessen riesige Plattensammlung durchforstet auf der Suche nach guten Nummern. Die und Tom und Wolf Reuther kamen dann mit einer Liste an Songs, die wir ausprobiert haben.
Die Kriterien waren, dass uns allen die Nummern gefallen, und dass sie nicht totgecovert oder totgehört worden sind, sondern eher vergessene Perlen, und das wir innerhalb der begrenzten Zeit eine Version zustande bringen, mit der wir alle zufrieden sind.

Jochen: Besonders das Metallica-Cover For Whom The Bell Tolls hat mich beeindruckt, da das Original m.E. ja eher am Rande Euren Musikkosmos streift, und die Bearbeitung sehr eigenwillig ist, aber den Geist der Vorlage trotzdem sehr gut transportiert. Habt Ihr da schnell einen Konsens gefunden?
Winnie:
Das ging schon relativ schnell. Wir haben, wie bei all den Covers, das Original ein paar Mal angehört und dann beiseite gelegt, um selber anzufangen zu spielen. Du versuchst dann, die Nummer in sich stimmig und rund zu bekommen, so dass sie funktioniert und rüberkommt auch wenn jemand das Original nicht kennt. Und da ab dem ersten Ton der Band-Sound da war und stand, ging die grobe Richtungsfindung relativ schnell.

Jochen: Ich habe mich, von der Art des Musizierens, nicht unbedingt von der Musik, phasenweise an Grateful Dead erinnert gefühlt. Gibt es da tatsächliche bewusste Berührungspunkte, oder ergibt sich solch ein Vergleich fast zwangsläufig, wenn Musikstücke den Charakter von gemeinsamen Jams ausstrahlen?
Winnie:
Wenn du einen Track ein-jammst, dann brauchst du für 20 Minuten auf der Platte auch 20 Minuten im Studio. Wenn du eine kompakte 3-Minuten Coverversion einspielen willst, hockst du Stundenlang dran und verbesserst die Details. Wir waren also im Studio immer nur phasenweise im „Jam-Band-Modus“. Aber dass wir teilweise so gearbeitet haben wie die Grateful-Dead, die Könige der Jam-Bands, liegt nicht daran dass wir ihnen nacheifern wollten, sondern weil es einfach Spaß macht und, wenn du gute Leute da hast, zu tollen Ergebnissen führt.

Jochen: Das Album macht einen sehr homogenen Eindruck, obwohl die einzelnen Stücke ja verschiedene Stimmungen ausdrücken und ihre Eckpfeiler in unterschiedlichen Dekaden der Rockmusik besitzen. War der, bzw. ein gemeinsamer Nenner auf Anhieb da, oder habt Ihr einfach begonnen und gehofft, dass am Ende etwas Gescheites dabei rauskommt?
Winnie:
Der gemeinsame Nenner war der Band-Sound und die exzellente Kommunikation auf musikalischer Ebene, der gegenseitige Respekt und die Neugierde für die total widersprüchlich scheinenden musikalischen Ausdrucksweisen der jeweils einzelnen. Und das war wie gesagt ab den ersten Ton da.

Jochen: Wie lief die Zusammenarbeit überhaupt? Immerhin seid Ihr Musiker ganz verschiedner Jahrgänge und geographisch auch nicht gerade nachbarschaftlich verbunden?
Winnie:
Hehe… ja das kann man so sagen! Also die Zusammenarbeit war großartig. Die Unterschiede haben sich zu etwas großem ergänzt, und das hat eine Euphorie ausgelöst, die alle beflügelt hat. Sprachlich haben wir uns mit Englisch und Händen und Füßen dann doch immer irgendwie geeinigt, was natürlich der Euphorie auch zuträglich war.

Jochen: Wird das Kollektiv/die Band OBSKURIA mehr als sporadische Einzel-Konzerte geben, eventuell sogar auf Tour gehen?
Winnie:
Einzel-Konzerte sind logistisch kompliziert, denn wir müssen ja jedesmal Interkontinentalflüge für 5 Leute organisieren und bezahlen. Dementsprechend ist es sogar wahrscheinlicher, dass wir auf eine große Tour gehen, als dass wir vereinzelte Clubgigs spielen.

Jochen: Wenn ich das richtig gelesen habe, ist ein weiteres Album geplant. Gibt es schon Stücke dafür, bzw. konkrete Pläne und Daten?
Winnie:
Um das Herzberg-Festival herum werden die Arbeiten am 2ten Album beginnen. Mehr ist noch nicht geplant, das machen wir dann alle zusammen.

Jochen: Zum Schluss noch ein paar kurze zusammenhanglose Fragen, die mir auf dem Herzen liegen:
Was haltet Ihr von Hawkwind? Den vergangenen und den aktuellen? Oder spielt die Band für Euch überhaupt keine Rolle?
Winnie:
Ich kenne Hawkwind noch nicht so lange – jemand hat mir davon vorgeschwärmt, also hab ich mir bei einem Freund eine Doppel LP ausgeliehen, und die fand ich super. Ich höre Platten allerdings immer recht intensiv (also oft), deswegen hab ich noch nicht genug Vergleichsmöglichkeiten zwischen Aktuell und Heute – ich hab noch nicht alle Platten durch :)
Aber diese Frage wird dir jeder einzelne von uns total anders beantworten – das ist ja das Gute an OBSKURIA.

Jochen: Ein paar Worte zum Burg Herzberg Festival – Erinnerungen, Besonderes und Zukünftiges? Sowohl was Eure Musik unabhängig von OBSKURIA betrifft, als auch in Bezug auf OBSKURIA.
Winnie:
Hammer. Unglaublich. Hatte selten so eine gute Zeit wie 2006, als ich mit Karmic Society (www.karmicsociety.com) auf der kleinen Bühne gespielt habe. Hab viele tolle Leute kennengelernt, und freue mich auch sehr darauf 2008 wieder zurück an den „Berch“ zu kommen. Das ist eins der schönsten und besten Festivals in Deutschland. Kann ich jedem wirklich nur empfehlen.

Jochen: Besitzt ihr mittlerweile einen eigenen Planeten?
Winnie:
Wir arbeiten noch daran, den Planeten PSR B1620-26c, auf dem das Album ja spielt, in OBSKURIA umzutaufen. Wer möchte, kann sich auf obskuria.com in die Petition eintragen.

Jochen: Ich hoffe, dass Ihr uns noch lange erhalten bleibt und bedanke mich für das Interview. Ganz persönlichen Dank auch für die Doors-Zitate. Ich liebe es :)
Winnie:
:) Vielen Dank, hoffentlich bis Herzberg!

 

2/2008 © Jochen König • Obskuria