Jochen: Kann man
der Rezensentin zugute halten, dass sie sich für zu jung
erachtet, um Eure Musik beurteilen zu können?
Winnie: Ich glaube Alter ist kein Argument, nur Hörgewohnheiten.
Ich kenne genug Leute, die bestimmt jünger sind als sie,
und die voll drauf abfahren. Und ob du sowas wie OBSKURIA
jetzt „noch nie“ oder „schon lange nicht mehr“
gehört hast – Die Platte hat ihre Fans quer durch
alle Altersgruppen.
Jochen: Andererseits,
warum lässt sie’s dann nicht gleich, anstatt mit
solch hanebüchenen Vergleichen hausieren zu gehen. Ganz
wertungsfrei: authentisch und bekifft ist E,L & P’s
Musik nie gewesen. Da klopfte immer die Akademie an die Tür
und bat um Einlass. Eure Musik wirkt dagegen – gerade
in den langen Stücken – improvisiert und aus dem
Augenblick geboren (für „bekifft“ halte ich
sie nicht unbedingt. Da denke ich eher an Gong oder Witthüser
& Westrup). Habt Ihr tatsächlich drauflosgespielt,
oder sind die Songs – in sehr kurzer Zeit – durchkomponiert
worden?
Winnie: Ja also wir haben die Coverstücke arrangiert
und mehrfach eingespielt, und zwischendrin haben wir dann gejammt.
Eigentlich nur aus Spaß an der Freude, aber Wolf (World
In Sound) und Mathias (Perplex Tonstudio) haben geistesgegenwärtig
immer auf Record gedrückt. Es war schon drauflosgespielt
– aber mit viel Kommunikation. Enrique, der Drummer, hat
da viel geleitet, einfach durch die Art wie er spielt. Für
die Jams gab es also keine Absprachen im voraus.
Jochen: Wie kam
die Auswahl Eurer Cover-Versionen zustande?
Winnie: Die vier Jungs aus Peru haben ja beim Chef unseres
Labels auf der Couch geschlafen, und dessen riesige Plattensammlung
durchforstet auf der Suche nach guten Nummern. Die und Tom und
Wolf Reuther kamen dann mit einer Liste an Songs, die wir ausprobiert
haben.
Die Kriterien waren, dass uns allen die Nummern gefallen, und
dass sie nicht totgecovert oder totgehört worden sind,
sondern eher vergessene Perlen, und das wir innerhalb der begrenzten
Zeit eine Version zustande bringen, mit der wir alle zufrieden
sind.
Jochen: Besonders
das Metallica-Cover For Whom The Bell Tolls hat mich
beeindruckt, da das Original m.E. ja eher am Rande Euren Musikkosmos
streift, und die Bearbeitung sehr eigenwillig ist, aber den
Geist der Vorlage trotzdem sehr gut transportiert. Habt Ihr
da schnell einen Konsens gefunden?
Winnie: Das ging schon relativ schnell. Wir haben, wie bei
all den Covers, das Original ein paar Mal angehört und
dann beiseite gelegt, um selber anzufangen zu spielen. Du versuchst
dann, die Nummer in sich stimmig und rund zu bekommen, so dass
sie funktioniert und rüberkommt auch wenn jemand das Original
nicht kennt. Und da ab dem ersten Ton der Band-Sound da war
und stand, ging die grobe Richtungsfindung relativ schnell.
Jochen: Ich habe
mich, von der Art des Musizierens, nicht unbedingt von der Musik,
phasenweise an Grateful Dead erinnert gefühlt. Gibt es
da tatsächliche bewusste Berührungspunkte, oder ergibt
sich solch ein Vergleich fast zwangsläufig, wenn Musikstücke
den Charakter von gemeinsamen Jams ausstrahlen?
Winnie: Wenn du einen Track ein-jammst, dann brauchst du
für 20 Minuten auf der Platte auch 20 Minuten im Studio.
Wenn du eine kompakte 3-Minuten Coverversion einspielen willst,
hockst du Stundenlang dran und verbesserst die Details. Wir
waren also im Studio immer nur phasenweise im „Jam-Band-Modus“.
Aber dass wir teilweise so gearbeitet haben wie die Grateful-Dead,
die Könige der Jam-Bands, liegt nicht daran dass wir ihnen
nacheifern wollten, sondern weil es einfach Spaß macht
und, wenn du gute Leute da hast, zu tollen Ergebnissen führt.
Jochen: Das Album
macht einen sehr homogenen Eindruck, obwohl die einzelnen Stücke
ja verschiedene Stimmungen ausdrücken und ihre Eckpfeiler
in unterschiedlichen Dekaden der Rockmusik besitzen. War der,
bzw. ein gemeinsamer Nenner auf Anhieb da, oder habt Ihr einfach
begonnen und gehofft, dass am Ende etwas Gescheites dabei rauskommt?
Winnie: Der gemeinsame Nenner war der Band-Sound und die
exzellente Kommunikation auf musikalischer Ebene, der gegenseitige
Respekt und die Neugierde für die total widersprüchlich
scheinenden musikalischen Ausdrucksweisen der jeweils einzelnen.
Und das war wie gesagt ab den ersten Ton da.
Jochen: Wie lief
die Zusammenarbeit überhaupt? Immerhin seid Ihr Musiker
ganz verschiedner Jahrgänge und geographisch auch nicht
gerade nachbarschaftlich verbunden?
Winnie: Hehe… ja das kann man so sagen! Also die Zusammenarbeit
war großartig. Die Unterschiede haben sich zu etwas großem
ergänzt, und das hat eine Euphorie ausgelöst, die
alle beflügelt hat. Sprachlich haben wir uns mit Englisch
und Händen und Füßen dann doch immer irgendwie
geeinigt, was natürlich der Euphorie auch zuträglich
war.
Jochen: Wird das
Kollektiv/die Band OBSKURIA mehr als sporadische Einzel-Konzerte
geben, eventuell sogar auf Tour gehen?
Winnie: Einzel-Konzerte sind logistisch kompliziert, denn
wir müssen ja jedesmal Interkontinentalflüge für
5 Leute organisieren und bezahlen. Dementsprechend ist es sogar
wahrscheinlicher, dass wir auf eine große Tour gehen,
als dass wir vereinzelte Clubgigs spielen.
Jochen: Wenn ich
das richtig gelesen habe, ist ein weiteres Album geplant. Gibt
es schon Stücke dafür, bzw. konkrete Pläne und
Daten?
Winnie: Um das Herzberg-Festival herum werden die Arbeiten
am 2ten Album beginnen. Mehr ist noch nicht geplant, das machen
wir dann alle zusammen.
Jochen: Zum Schluss
noch ein paar kurze zusammenhanglose Fragen, die mir auf dem
Herzen liegen:
Was haltet Ihr von Hawkwind? Den vergangenen und den aktuellen?
Oder spielt die Band für Euch überhaupt keine Rolle?
Winnie: Ich kenne Hawkwind noch nicht so lange – jemand
hat mir davon vorgeschwärmt, also hab ich mir bei einem
Freund eine Doppel LP ausgeliehen, und die fand ich super. Ich
höre Platten allerdings immer recht intensiv (also oft),
deswegen hab ich noch nicht genug Vergleichsmöglichkeiten
zwischen Aktuell und Heute – ich hab noch nicht alle Platten
durch :)
Aber diese Frage wird dir jeder einzelne von uns total anders
beantworten – das ist ja das Gute an OBSKURIA.
Jochen: Ein paar
Worte zum Burg Herzberg Festival – Erinnerungen, Besonderes
und Zukünftiges? Sowohl was Eure Musik unabhängig
von OBSKURIA betrifft, als auch in Bezug auf OBSKURIA.
Winnie: Hammer. Unglaublich. Hatte selten so eine gute Zeit
wie 2006, als ich mit Karmic Society (www.karmicsociety.com)
auf der kleinen Bühne gespielt habe. Hab viele tolle Leute
kennengelernt, und freue mich auch sehr darauf 2008 wieder zurück
an den „Berch“ zu kommen. Das ist eins der schönsten
und besten Festivals in Deutschland. Kann ich jedem wirklich
nur empfehlen.
Jochen: Besitzt
ihr mittlerweile einen eigenen Planeten?
Winnie: Wir arbeiten noch daran, den Planeten PSR B1620-26c,
auf dem das Album ja spielt, in OBSKURIA umzutaufen.
Wer möchte, kann sich auf obskuria.com in die Petition
eintragen.
Jochen: Ich hoffe,
dass Ihr uns noch lange erhalten bleibt und bedanke mich für
das Interview. Ganz persönlichen Dank auch für die
Doors-Zitate. Ich liebe es :)
Winnie: :) Vielen Dank, hoffentlich bis Herzberg!