Von Dichtern und Denkern
Seit nunmehr fast einer Dekade steht der Name ORPLID für Folkmusik mit anspruchsvolle Texten und kontinuierliche musikalische Weiterentwicklung über die eng gefassten stilistischen Grenzen des Neofolk-Genres hinweg. Anfang letzten Jahres weitete der Kern von ORPLID (Uwe Nolte und Frank Machau) ihre Aktivitäten mit Gründung des Kunstverlages NolteX aus, „um sich und seelenverwandten Künstlern ein eigenes Podium zu schaffen“. Anlässlich der Veröffentlichung des aktuellen ORPLID-Longplayers Sterbender Satyr stand Texter Uwe Nolte Rede und Antwort.

Orplid

Daniel: Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung Eures neuen Albums Sterbender Satyr sprichst Du von „Neuer Deutscher Dichtung“. Was ist darunter zu verstehen?
Uwe:
Einstmals war Deutschland das „Land der Dichter und Denker“, was sicherlich auch aus seiner seelischen Zerrissenheit herrührt. Hölderlin, Schiller, Goethe, Novalis, Trakl, Heym, George…die Namen der unserer Dichter sind weltbekannt. Nur hierzulande, ist seit Jahrzehnten kein wirkliches dichterisches Bestreben zu registrieren.
Nur innerhalb unseres Kreises, und vor allem seitens des Jahrhundertdichters Rolf Schilling, gibt es ernsthafte Bemühungen, diesen kulturellen Winterschlaf zu beenden. Weil dieser dichterische Frühling nach langer Lethargie bahnbrechend und unbedingt identitätsstiftend wirkt, spreche ich optimistisch von „Neuer Deutscher Dichtung“.

Daniel: Welchen Stellenwert hat Deiner Meinung nach in unserer heutigen Gesellschaft Dichtung in traditioneller Form, dessen Förderung Ihr Euch auf die Fahnen geschrieben habt?
Uwe:
Dichtung ist die höchste und reinste Kunstform! Deshalb ist sie der empfindlichste Indikator, was den Zustand einer Gesellschaftsform betrifft. Die wenigen Dichter, die es hierzulande gibt, sind Rufer in der Wüste, was wahrlich genug über den Stellenwert der Dichtung in der Gesellschaft, als auch über die Gesellschaft an sich aussagt. Aber letztlich blicke ich voller Hoffnung in die Zukunft!

Daniel: Auf Sterbender Satyr sind die einst dominierenden akustischen Elemente in Eurer Musik in den Hintergrund gerückt. Ihr benutzt eine Drum-Maschine und bezieht Euch auf die Cold Wave-Bewegung der frühen 80er Jahre. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Uwe:
Ich selbst kenne diese Musikrichtung nicht, bin aber prinzipiell für neue Einflüsse immer offen, solange durch ihr Einwirken meine Gedanken, Worte und Gefühle künstlerisch anspruchsvoll transportiert werden. Das nächste Album wird eventuell wieder folkiger oder ganz und gar metallisch klingen. Wer weiß schon zu sagen, was kommen wird? Die Wege der Kunst sind unergründlich!

Daniel: Auf der Internetpräsenz Deines Musik- und Kunstverlages Noltex findet sich die Rubrik „Heimatkunde“. Was bedeutet für Dich Heimat und in welcher Art und Weise beeinflusst Eure Heimat Euer künstlerisches Schaffen?
Uwe:
An dieser Stelle zitiere ich kurzerhand von unserer Netzseite, weil ich das dort schon treffend zum Ausdruck brachte: „Sicherlich ist man als Künstler immer ein Kosmopolit, aber der Ort der Geburt, die Stätten und Momente des individuellen Reifens und das geistige Umfeld - eben die "Heimat" - werden wohl stets einen prägenden Eindruck hinterlassen. Auch die von uns erschaffene Kunst trägt - trotz aller Inspiration durch andere Kulturkreise - deutliche Zeichen unserer Herkunft. Die vielen historischen und sagenumwobenen Plätze sowie die hiesige kulturelle Landschaft, sind für uns ein unerschöpflicher Inspirationsquell.“

Daniel: Deine Texte sind ausschließlich auf Deutsch verfasst. Hattest Du schon mal den Gedanken, eine andere Sprache als Deutsch für Deine Texte zu benutzen?
Uwe:
Nein, das kam noch nie in Frage! Sicherlich, als ich die ersten musikalischen Gehversuche machte und in diversen Metallkapellen krakehlte, gab es auch wirre englische Textereien. Doch mit dem eigenen Entdecken, entwickelte sich auch der Sinn für die Sprache, was sich wiederum aufs Bewusstsein auswirkte. Das wollen wir schließlich auch beim Hörer erreichen: er soll ein eigenes Bilderbewusstsein entwickeln, fern von zeitgeistiger Dekadenz und destruktiver Lebensweise. Uns geht es eigentlich nur ums Zuhören und Selbstentdecken!

Daniel: Auf Sterbender Satyr vertont Ihr wieder Werke deutscher Dichter. Nach welchen Kriterien wählt Ihr diese Gedichte aus?
Uwe:
Sie müssen wirkungsvoll im Kontext zu den eigenen Versen zur Geltung kommen und den Stimmungsbogen der jeweiligen Platte gerecht werden.

Daniel: Bei der außergewöhnlichen Vertonung von Oda Schaefers Gedicht Die Seherin habt Ihr mit der Leipziger Künstlerin Sandra Fink zusammengearbeitet. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Uwe:
Mit Andreas Ritter besuchte ich eines ihrer Konzerte, begeisterte mich für ihre Darbietung und sprach sie kurzerhand danach an. Sie ist eine großartige Künstlerin und wir werden innerhalb unseres NolteX-Kreises noch oft mit ihr zusammenarbeiten.

Daniel: Es lassen sich keine Belege für Livekonzerte ORPLIDs finden. Gibt es irgendwelche Pläne für Liveaktivitäten? Wie könnte eine Liveumsetzung von ORPLID aussehen?
Uwe:
Wir sind gerade dabei, ein Bühnenprogramm mit einem Querschnitt all unserer Projekte zu erstellen. Genaueres vermelden wir zu gegebener Zeit über noltex.de. Die Umsetzung hängt davon ab, welche und wie viele Musiker wir für das Projekt begeistern können. Interessenten können sich gerne bei uns melden…

Daniel: Neben ORPLID unterhältst Du verschiedene Nebenprojekte (Barditus, Sonnentau). Wo liegen die Grenzen zwischen diesen Projekten?
Uwe:
Sonnentau basiert hauptsächlich auf Andreas Arndts filigranem Gitarrenspiel und wird stets ein rein akustisches Musikprojekt bleiben, während es bei Barditus etwas martialischer zugehen wird. Letztgenannter Aspekt wirkt sich natürlich auch inhaltlich und visuell aus. Man könnte an dieser Stelle das alte Künstlerklischee bemühen: „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust.“.

Daniel: Die letzten Worte gehören Dir!
Uwe:
An dieser Stelle lasse ich Herrn Goethe für mich sprechen:

Geh! gehorche meinen Winken,
Nutze deine jungen Tage,
Lerne zeitig klüger sein:
Auf des Glückes großer Wage
Steht die Zunge selten ein;
Du musst steigen oder sinken,
Du musst herrschen und gewinnen,
Oder dienen und verlieren,
Leiden oder triumphieren,
Ambos oder Hammer sein.

 

04/2006 © Daniel Fischer • Orplid