Letztes Jahr haben Polens RIVERSIDE einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen, nachdem ich ihr Debüt Out Of Myself gehört hatte: Progressive Rock im Stile Porcupine Trees oder Anathemas mit einigen metallischeren Parts und ein großartiger Sänger. Genau das richtige, um wegzuschmelzen… Ein Jahr später sind sie zurück mit ihrem Zweitling Second Life Syndrome. Zeit also, ein paar Fragen beantwortet zu bekommen… Bassist, Sänger und Hauptsongwriter Mariusz Duda nahm sich Zeit, mir detaillierte Antworten zu geben...

Riverside

Clemens: Second Life Syndrome ist Eure zweite CD aber wurde beinahe exakt ein Jahr nach Eurem Debüt Out Of Myself veröffentlicht. Seid Ihr schnelle Songwriter?
Mariusz Duda:
Nun ja, du musst berücksichtigen, dass Out Of Myself in Polen bereits im Dezember 2003 veröffentlicht wurde, während Laser’s Edge es im September 2004 dann weltweit auf den Markt brachten. Somit hatten wir schon ein wenig mehr Zeit. Genauer gesagt haben wir Material für dieses Album ca. 2 Jahre lang zusammengetragen. Zugleich muss man aber auch sagen, dass wir nebenbei die Voices In My Head EP veröffentlicht haben, vielleicht hast du also doch recht (lacht). Sind wir schnelle Songwriter? Es gibt keine Formel – einige Tracks brauchen einen Moment, umgeschrieben zu werden, andere entstehen über einen sehr langen und zeitaufwändigen Weg.

Clemens: Out Of Myself debütierte auf einem kleinen Label, während Eure neue CD über das bekannte deutsche Label InsideOut Music erscheint. Wie seid Ihr in Kontakt mit ihnen gekommen? Standet Ihr unter Druck, ein hochwertiges Produkt veröffentlichen zu müssen? Hattet Ihr andere Angebote?
Mariusz:
Ja, wir hatten auch andere Angebote, aber InsideOut ist die beste Wahl für eine Band, die Musik unserer Stilistik spielt. Und außerdem ist es natürlich eine Ehre, uns in einer Reihe so großartiger Bands und Musiker zu stehen. Es ist eine Chance für uns als Band, mehr Zuhörer zu gewinnen und populärer zu werden. Wie kamen wir in Kontakt? Nun, wir schickten ihnen unsere beiden Veröffentlichungen Out Of Myself und die Voices In My Head EP. Sie hörten sich das Zeug and und vertrauten in uns, dass wir wieder ein gutes Album machen würden. Ich denke auch, dass das Feedback zu unserer ersten Europa-Tour, die wir im April selbst organisiert hatten, auch viel dazu beitrug, dass sich InsideOut für uns entschieden.

Clemens: Wo siehst Du persönlich die Unterschiede zwischen Euren beiden Alben? Meiner Meinung nach seid Ihr ein Stück heavier, technischer und auch ein wenig unkommerzieller geworden, weil die Melodien nicht mehr so eingängig sind…
Mariusz:
Wir wollten von Anfang an, dass diese CD heavier, dunkler und ein wenig roher wie RIVERSIDE live klingt. Wir wollten ein wenig mehr Rock-Feeling drinnen haben. Deshalb gaben wir die Idee eines klaren Sounds und die eingängigen Melodien auf. Stattdessen gibt’s mehr Feedback-Gitarren, mehr natürliche Keyboards wie Hammond und Piano, ein bisschen Vocal-Aggression und ich habe auch die Akustik-Gitarren weggelassen, um den Effekt eines Rock-Albums zu verstärken. Second Life Syndrome sollte anders klingen als Out Of Myself und trotzdem nicht all zu stark von unserem Stil abweichen. Wir wollen zeigen, dass wir keine Ein-Album-Band sind…
Meine Intention ist, dass die Trilogie (RIVERSIDE arbeiten an einer Trilogie, die mit dem nächsten Album abgeschlossen ist – Anm. d. Verf.) einen guten Level behält und dass alle Alben unterschiedlich klingen. So wie drei Einblicke in eine menschliche Seele. Jedes Album muss eine Überraschung werden.

Clemens: Beim Surfen im Netz fand ich Material, das mit Voices In My Head betitelt war. Auf Eurer Homepage war davon aber nichts zu finden aber es klang trotzdem definitiv nach RIVERSIDE und bietet auch ein paar live-tracks Eures Debüts. Was kannst du mir darüber erzählen?
Mariusz:
Wie bereits erwähnt, wurde unser Debüt in Polen schon 2003 auf den Markt gebracht, während Laser’s Edge es erst 10 Monate später veröffentlichte. Deshalb entschlossen wir uns, speziell für die polnischen Fans und Freunde, die nicht so lange auf die zweite CD warten wollen, eine EP rauszuhauen, die im März diesen Jahres das Licht der Welt erblickte und fünf neue Tracks präsentierte kombiniert mit 3 Live-tracks. Vielleicht wird ja die EP eines Tages auch im Rest Europas veröffentlicht… wer weiß?

Clemens: Ihr werdet oft mit Bands wie Porcupine Tree, Anathema oder Opeth verglichen. Tatsächlich dachte ich ähnlich, als ich Out Of Myself zum ersten Mal hörte. Wo siehst DU Eure wesentlichen Einflüsse?
Mariusz:
Ich denke, dass PT und Anathema sicher ein wenig Einfluss auf RIVERSIDE’s Musik ausübten, aber nicht mehr, als dies andere Bands tun, die wir uns anhören. Als wir mit der Band begannen, hatte jeder von uns bereits Erfahrung mit Musik. Jeder von uns hört sich Verschiedenstes an, von Chill-Out Musik bis hin zu extremem Metal. Auch die Filme, die wir uns ansehen oder die Bücher, die wir lesen – alles nimmt Einfluss auf uns und wird in unseren Songs reflektiert. Wenn wir komponieren, werden wir durch alles um uns herum inspiriert.

Clemens: Progressive/Psychedelic Rock scheint in letzter Zeit immer populärer zu werden. Was könnte die Ursache dafür sein? Warum spielt IHR diese Musik? Warum habt Ihr Euch für diesen Stil entschieden? Was macht P/P Rock so speziell?
Mariusz:
Wie gesagt, RIVERSIDE stellt für mich einen Weg, um Gefühle auszudrücken dar. Auch Träume und Fantasien werden durch die Musik umgesetzt. Sie stellt Freude, Traurigkeit, ein Flüstern und ein Schreien dar. Das ist unsere Musik. Wir spielen mit Emotionen und die Leute nennen es Progressive Rock. OK, lassen wir das sein (lacht). Ich denke, dass Progressive Rock populärer geworden ist, weil eben Bands wie Porcupine Tree und Opeth den Weg dafür geebnet haben und diese Musik der Kontraste mainstreamiger machten. RIVERSIDE verwenden auch solche Kontraste, aber wir machen gehen unseren eigenen Weg. Ein Erbauen von Stimmungen und Spannung, kurze und lange Kompositionen… Ich denke, dass solche Abwechslung das Interesse des Hörers weckt – speziell die jüngeren Hörer, die müde von monotoner Musik geworden sind, suchen sich eben dieses Genre, wo viel mehr passiert, als in anderen…

Clemens: Ehrlich gesagt kenn ich nicht wirklich viele Bands aus Eurem Land. Die einzigen bekannten Bands hierzulande sind brutale Acts wie Vader, Behemoth oder Decapitated. Gibt’s auch andere, softere Gruppen in Polen? Ist es als Band aus Osteuropa schwerer, einen internationalen Deal zu ergattern? Wenn ja, warum ist das so?
Mariusz:
Heutzutage ist es generell schwer geworden, auf dem Markt präsent zu werden und ich denke, das hat nichts damit zu tun, ob man nun von Ost-Europa, England oder aus Amerika kommt. Es gibt viele Gründe, die den Erfolg ausmachen. Neben überzeugender Musik muss man eben den Nerv der Zeit treffen, eine Nische im jeweiligen Genre finden und natürlich Glück haben. Ich denke, dass das bei uns so war. Die polnische Musik ist – und das trifft wohl nicht nur auf unser Land zu – dominiert von Pop, Hip-Hop und Major Label-Geld. Aber es gibt Ausnahmen wie Behemoth oder Vader. Und nun gibt’s da eben noch Progressive Rock, hahaha.

Clemens: Du bist der Songwriter der Band. Aber da du Bass spielst… kannst du auch andere Instrumente spielen oder wie funktioniert der Songwriting-Prozess bei euch? Ich denke mal, dass Psychedelischer Rock schwer komponierbar ist, wenn man keine Ahnung von Gitarren oder Keyboards hat… In welcher Position siehst du die anderen Bandmitglieder – was tragen sie zu RIVERSIDE bei?
Mariusz:
RIVERSIDE ist eine Band. Normalerweise komme ich mit der Basis daher, ich lege den Grundstein für unsere Kompositionen und dann arbeitet jeder an seinen Parts. Und wir proben regelmäßig, jammen, arrangieren und fügen alles zu einem ganzen Song zusammen. Wir finden immer eine Lösung, die jeden von uns zufrieden stellt. Wenn jemand einen Teil nicht mag oder er ihn für nicht gut genug hält, dann arbeiten wir solange dran, bis jedem die finale Version gefällt. Die Lyrics schreibe ich dann zum Schluss.

Clemens: Out Of Myself und Second Life Syndrome sind Teil einer Trilogie, die (logischerweise) mit Eurem nächsten Album ein Ende finden wird. Es dreht sich um eine Person, die das innere „Ich“ sucht. Kannst du ein wenig mehr darüber erzählen.
Mariusz:
Unsere Trilogie ist eine Geschichte um einen einsamen Mann im Kampf mit sich selbst. Sie ist in Form eines Tagebuches geschrieben. Ich hatte die Idee, die Story von Out Of Myself weiterzuführen, nachdem wir das Album fertig hatten. Second Life Syndrome ist jetzt also der zweite Teil, es beginnt nach den Ereignissen von Out Of Myself und wird mit der nächsten CD fortgesetzt und abgeschlossen. Bei Out Of Myself suchte unser „Held“ seinen Platz in unserer normalen Welt. Er war nicht erfolgreich, weshalb er sich isoliert zurückzog. Er fand aber seinen inneren Frieden. Auf dem zweiten Album setzt er sich zum Ziel, etwas in seinem Leben erreichen zu wollen. Er will seinen Lebensstil ändern. Second Life Syndrome hat zwei Teile. Anfangs dreht sich die Story um die Entwicklung unseres Protagonisten zu einer selbstbewussten Person. Später lässt er dann alle Erinnerungen zurück, die ihn bei seiner „Verwandlung“ behindern. Beim letzten Track des Albums, Before, wirft er schließlich alle Vergangenheit über Bord und löscht seine ganzen Erinnerungen aus. Aber er stellt sich auch die Frage, ob er das erreicht hat, was er eigentlich erreichen wollte und ob es auch das war, was er wirklich wollte. Mehr darüber erfährt der Hörer dann am dritten Album.

Clemens: Da sich die Story über drei CDs erstreckt, stellt sich die Frage, ob auch schon Material für einen weiteren Release angefallen ist? Wird es dramatische Stiländerungen geben?
Mariusz:
Das dritte Album wird auf jeden Fall wieder anders als unser bisheriges Material, aber es wird weiterhin den RIVERSIDE-Stil aufweisen. Ich kann dir nur sagen, dass die Akustik-Gitarre wieder zum Zug kommen wird und dass das Album melodiöser ausfällt. Der erste Teil der Trilogie war episch, der zweite ist nun düster und aggressive, somit denke ich, dass der dritte Teil mehr über Reflexionen und Optimismus sein wird und weniger über Schreien. Aber die Proportionen zwischen ruhigen Passagen und härteren Eruptionen wird sich nicht verändern. Und wir werden selbstverständlich unseren Level gleich hoch halten. Es wird einfach wieder die ganze Bandbreite von RIVERSIDE zeigen.

Clemens: Euer ehemaliger Keyboarder hat die Band verlassen und wurde von Michal Lapaj ersetzt. Hat sich dadurch der Sound ein wenig verändert?
Mariusz:
Ich denke, dass Michal’s Stil den Sound des aktuellen Albums deutlich beeinflusst hat. Unser ehemaliger Keyboarder war „lyrischer“ unterwegs, Michal spielt dagegen sehr schwungvoll, was eindeutig zu hören ist. Aus diesem Grund ist Second Life Syndrome auch genauso geworden, wie ich es geplant hatte.

Clemens: Ihr habt bislang selten live gespielt. Wird sich das durch InsideOut im Rücken verändern? Könnt ihr von der Musik leben?
Mariusz:
Wir versuchen noch immer, RIVERSIDE mit unseren regulären Jobs zu koordinieren und ich wundere mich, dass das noch immer klappt – haha. Wie du dir vorstellen kannst, hängen unsere Gigs von freien Tagen ab und wie viel Urlaub wir bekommen. Aber wer weiß, vielleicht müssen wir bald eine Entscheidung treffen. Wir alle wissen, wie schwer es ist, gänzlich von der Musik zu leben. Es hängt immer davon ab, wie populär du gerade bist. Im Augenblick ist die Situation gut, aber was ist, wenn sich das schlagartig ändert? Nun, wir hoffen aber, dass der Vertrag mit InsideOut der Beginn für Veränderungen ist und dass wir in Zukunft mehr Gigs spielen können und vielleicht auch mal in Österreich vorbeischauen :-)

Clemens: Wird es denn eine Tour geben?
Mariusz: Ja, wir planen die Second LIVE Syndrome-Tour für April/Mai 2006!

Clemens: Ich mochte den Sound Eurer beiden Alben. Speziell die Drums haben einen sehr angenehmen und eigenständigen Sound. Ich finde, dass ihr da was sehr Individuelles geschaffen habt, in dieser Hinsicht. War das geplant oder eher Zufall?
Mariusz:
Wir arbeiten sowohl an unserem eigenen Stil als auch an einem eigenen Sound. Es gibt keine Zufälle. Es muss einfach nach RIVERSIDE klingen. Wenn du denkst, dass wir bereits unseren spezifischen Drum-Sound gefunden haben, bin ich natürlich sehr froh darüber (lacht).

Clemens: RIVERSIDE hat meiner Meinung nach eine Menge an Potential. Wo siehst du die Band in fünf Jahren? Gibt es irgendwelche Ziele, die ihr euch gesetzt habt? Könntest du dir vorstellen, etwas kommerzieller zu werden, wenn ihr knapp daran wäret, von der Band leben zu können?
Mariusz:
Wir arbeiten ständig daran, unseren Stil zu verbessern. Und wenn es sich herausstellen sollte dass die „Reality Dream Trilogy“ bei Kritikern und Hörern gut ankommt, bedeutet das nicht, dass wir deshalb dann weiterhin ähnliche Alben machen. Niemand kann uns vorschreiben, ein Album voller kommerzieller Songs zu machen oder einen einzigen 50-Minuten-Track zu veröffentlichen. Es hängt alles davon ab, was wir selbst spielen wollen (werden). Ich denke auch nicht, dass ein kommerzielles Album ein Zeichen dafür ist, dass eine Band sich den Geschmäckern der durchschnittlichen Hörer unterwirft. Wir wollen einfach verschiedene Alben aufnehmen. Wenn wir konstant bleiben und weiterhin das machen, was uns wirklich gefällt, dann kann es schon sein, dass wir in fünf Jahren eine wirklich erfolgreiche Band sind, die auch außerhalb der Progressive/Psychedelic-Kreise bekannt ist. Aber das sind alles Pläne/Träume/Philosophien, die wir weiterspinnen können, nachdem unser nächstes Album erschienen ist.

Clemens: InsideOut Music ist bekannt für seine Special-Edition-Releases. Wird es auch limitierte Versionen von Second Life Syndrome mit Bonus Material geben?
Mariusz:
Das ist Augenblick schwer zu sagen, aber wer weiß, ob es zum Ende unserer Reality Dream Trilogy vielleicht irgendwelche Gimmicks geben wird…?

Clemens: Nenne mir deine 5 Lieblings-Alben…
Mariusz:

BUSH KATE Aerial
DEPECHE MODE Playing The Angel,
ULVER Blood Inside
DAVE MATTHEWS BAND Stand Up
FROESE EDGAR Dalineotopia

Clemens: Viel Glück mit Eurer CD, hoffe Euch auf Tour zu sehen!

 

12/2005 © Clemens Mayr • Riverside