RPWL
 
 

Vor ein paar Wochen war ich hin und weg, als ich zum ersten Mal den neuen Release der mir noch völlig unbekannten Deutschen RPWL hörte. Psychedelic Rock erster Güte, der den Hörer förmlich dahin schmelzen lässt und an neuere Pink Floyd erinnert, wenngleich der Stil doch ein ganz eigener ist. Gitarrist Kalle stand mir Rede und Antwort und durchleuchtete den Werdegang der Band ein wenig für mich.


Clemens: Gratulation erst mal zum neuen Album. Wie sehr seid ihr selbst damit zufrieden? Hätte es noch Dinge gegeben, die ihr im Nachhinein noch verändert hättet? Speziell ist mir auch aufgefallen, dass Eure Songs durch die Bank sehr lang sind, obwohl Ihr Euch eigentlich doch stark an Strophe-Refrain Schemata haltet. Ist das Absicht oder sind die Songs für Euch so passend?
Kalle:
Vielen Dank! Wir sind deshalb ziemlich glücklich damit, weil wir mit dem Songwriting sehr zufrieden sind! Uns geht es nicht darum, absichtlich komplizierte Songstrukturen zu schaffen, um damit möglicht „progressiv“ zu wirken. Unsere Herangehensweise ist meist die gleiche: Wir haben ein einfaches Riff, eine Akkordfolge oder eine Textidee und versuchen dann erst in der Entwicklung dem Song den „Atem“, die „Zeit“ oder die „Ruhe“ zu geben, die er braucht, um die Aussage und die Emotion voll zu entwickeln. Wenn der Song deswegen mehr oder weniger „verschachtelt“ oder „komplex“ oder auch „einfach“ wird, dann deswegen, weil er es braucht.
Was den Sound betrifft, ist die Frage schwieriger, weil man ja für immer und ewig an einer Platte „rumschrauben“ könnte. Aber ich denke – und die Reaktionen belegen dies durch die Bank -, dass der Sound hervorragend ist und auch – nicht nur wegen der Surround-Mischung bei der SACD – wieder ein deutlicher Schritt nach vorne ist und auch hier die Weiterentwicklung der Band zeigt.

Clemens: Auf Euren früheren Alben waren auch sehr viele kurz gehaltene Tracks/Instrumentals enthalten. Diese existieren anno 2005 nicht mehr. Was war der Grund dafür? Wolltet Ihr diesmal songorientierter vorgehen?
Kalle:
Wir achten beim Songwriting oder beim Produzieren nicht auf die Zeit. Instrumental-Teile sind auch nach wie vor vorhanden – dort wo es musikalisch auch Sinn macht.

Clemens: Ehrlich gesagt startet World etwas träge mit diesen Triball-Rhythmen und eine eher zähen Riff. Warum habt Ihr gerade diesen Song als Opener gewählt?
Kalle:
Das kann ich nicht teilen. Schließlich hat Sleep - musikalisch gesehen -einen sehr guten Groove und das Riff die nötige Energie und Aggressivität; und thematisch betrachtet ist es der perfekte Opener. Live funktioniert er ebenfalls fantastisch!

Clemens: Ihr wurdet früher als Pink-Floyd-Abklatsch abgetan. Habt Ihr Euch von diesem Image inzwischen befreien können? Meiner Meinung nach seid Ihr inzwischen ja doch sehr eigenständig geworden... Wie seht Ihr selber Eure Entwicklung?
Kalle:
Wir haben und nie geschämt, mit Pink Floyd verglichen zu werden. Es ist ein großes Kompliment, wenn sich die Leute beim Hören von RPWL an eine so großartige und erfolgreiche Band wie Pink Floyd erinnern. Ich denke, dass es in unserer Musik sehr große emotionale Ähnlichkeiten gibt. Ein richtiger „Abklatsch“ wie Du es nennst waren wir ja nie. Aber eine Entwicklung hat sicherlich stattgefunden. Schließlich ist es unser drittes Album, wenn man Stock mitzählt, sogar das vierte. Es wäre schlimm, wenn wir immer noch wie auf God Has Failed klingen würden. Wir sind diesmal beim Songwriting auch mehr von der Thematik und den Lyrics ausgegangen. Die Inspiration war also eine nicht-musikalische, deswegen klingt World Through My Eyes wohl anders wie die anderen Alben.

Clemens: Wie weit hat sich die Band seit Eurem Debut verändert? Welche Ziele habt Ihr Euch selbst gesetzt? Ist RPWL für Euch (noch) "Hobby", oder ist die Band bereits zu einem (Teilzeit-)Job ausgeartet? Wie sehen derzeitige Tourpläne aus?
Kalle: God Has Failed
ist 5 Jahre her, die Songs von diesem Album sogar teilweise 8 oder 9 Jahre alt. In soviel Zeit passiert sehr viel, persönlich und in der Band insgesamt. Die Line-up-Wechel haben ihr übriges getan um die Band zu verändern und weiterzubringen. Für uns alle ist RPWL einer der wichtigsten Teile in unserem Leben und wir bringen dafür enorm viel Einsatz. Wir alle sind Musiker, es gibt natürlich auch Sideprojects oder andere musikalische Aktivitäten, wo es um’s reine Geldverdienen geht, aber RPWL steht stets im Mittelpunkt. Deswegen ist unser Ziel natürlich, die Band weiterzubringen.

Clemens: Prog Rock/Psychedelic ist hierzulande nicht stark verbreitet. Wie sieht es in Deutschland aus? Nach den Erfolgen von Acts wie Porcupine Tree oder The Mars Volta scheint anspruchsvollere Musik ein wenig mehr Anhänger zu finden. Könnte dies auch RPWL helfen?
Kalle:
Ja, der Zeitgeist scheint ein wenig mit uns zu sein, da viele Leute (auch junge!) es müde sind, einfach nur die Retortenbands zu hören und Acts hinterher zu rennen, die ihnen einfach vorgesetzt werden. Das Internet hilft dabei natürlich. Die positive Resonanz sehen wir auch bei unseren Konzerten. In vielen Clubs kommen doppelt so viele Leute wie beim letzten Mal, die Tourpläne werden größer und wir haben einige Festivals im Sommer, darunter beim renommierten Open Flair in Eschwege. Eben kommen wir aus Spanien zurück, wo wir zwei ausverkaufte Shows gespielt haben. Und im Mai erscheint Roses als Single in Deutschland mit bundesweiter Airplay-Promotion. In Polen sind wir mit Roses bereits Top 20-Thema.

Clemens: Roses wird von Ray Wilson, seines Zeichens ehemaliger Stiltskin und Genesis-Sänger intoniert. Wie seid Ihr mit ihm in Kontakt gekommen? Lief das über das Label? Gefallen Euch auch seine Solo-Alben?
Kalle:
Wir haben das letzte Genesis-Album damals grandios gefunden, weil Rays Stimme einfach so grandios war. Auch beim Konzert in München hat uns seine Stimme damals sehr beeindruckt. Wir haben immer schon während der Trying To Kiss The Sun-Session (so alt ist Roses nämlich schon) gewitzelt, dass Ray der ideale Sänger dafür wäre. Als wir dann für das WMTE-Album den Song mit Yogis Stimme fertig aufgenommen hatten, waren wir nicht so zufrieden mit der Emotion aufgrund des Gesangs. Da erinnerten wir uns an Ray Wilson und haben ihm während seiner Tour letzten Herbst die CD mit dem Rough-mix in die Hand gedrückt und ihn gefragt, ob er interessiert wäre. Einige Shows später war er wieder in der Nähe, Yogi hatte ihn besucht und er hat zugesagt. Das war natürlich eine große Ehre und der Songs ist mit seiner Stimme einfach fantastisch geworden!
Seine Soloalben habe ich jetzt erst bekommen und habe hoffentlich nun nach dem ersten Tourblock ein wenig Zeit, sie mir in Ruhe anzuhören. Bin schon gespannt!

Clemens: Wie seid Ihr zu dem Namen RPWL gekommen? Die Idee ist ja dieselbe wie bspw. bei ABBA, aber RPWL ist halt eigentlich kein wirklich griffiger Name. Wie sprecht Ihr ihn im Übrigens aus? Englisch oder Deutsch? *g*
Kalle: So:

hahahaha... ;) Wir haben zur Tour extra T-Shirts gemacht, um die deutsche Aussprache zu etablieren... Aber es ist sehr lustig: die Band heißt in jedem Land anders. ;) Ein Vorteil in der digitalen Welt: Wenn du in Google RPWL eingibst, hast Du nur richtige Hits!
Der Name war damals eine Mischung aus Verlegenheit und Spaß. Aber mittlerweile haben sich alle daran gewohnt. Was ist so toll, sich nach einem Baum zu benennen (Porcupine Tree=Stachelschwein-Baum, Anm. d. Verf.)?

Clemens: Ihr werdet von InsideOut promoted und vertrieben, Euer offizielles Label ist aber Tempus Fugit, wenn ich mich nicht irre. Wie ist da der Zusammenhang?
Kalle:
Tempus Fugit ist Teil von Inside Out und gibt lediglich den Hinweis auf unseren A&R Dirk Jacob, der mit uns bis jetzt alle Alben veröffentlicht hat (auch die remasterte Violent District). Eine tatsächliche Differenzierung gibt es nicht.

Clemens: Welche Alben hörst Du privat derzeit?
Kalle:
Immer gern das erste Rage Against THe Machine Album, die Animals von Pink Floyd und die alten Red Hot Chilli Peppers bzw. Metallica. Das aktuelle Peter Gabriel-Album finde ich toll und Bands wie Muse oder Radiohead mag ich auch sehr gerne. Im Moment aber höre ich mehr Hörbücher als Musik.

Clemens: Abschließende Worte...
Kalle: World Through My Eyes
ist ein Abschnitt für uns, sich mit uns selbst und unserer Welt zu beschäftigen. Wir wollen kein „Lebensrezept“ bieten, sondern nur auf manche Dinge – klein oder groß, persönlich oder global - aufmerksam machen.

Clemens: Danke fürs Interview, ich wünsch Euch viel Glück mit dem restlichen Teil der Tour!
Kalle:
Vielen Dank!

 

04/2005 © Clemens Mayr • RPWL