Jochen & Tim:
Wie sieht es mit den Vorverkaufszahlen aus?
Chris: Dafür, das wir dass erste Mal hier sind, läuft
der Vorverkauf ganz beachtlich. Es wird nicht rappelvoll, aber
die Nachfrage ist keineswegs schlecht.
Jochen & Tim:
Ein paar Fragen zum letzten Album – was verbirgt sich
hinter der Telefonnummer, die den Bildschirm auf Eurem Cover
ziert?
Chris: Wie, das hast du noch nicht rausgefunden? Wenn man
das amerikanisch-englische Wörterbuch auf dem Handy einschaltet,
bekommt man den Klartext – es steht für Amnesty.
Es war uns ein Anliegen auf Amnesty hinzuweisen und eine Verbindung
zur Durchnummerierung unseres Lebens, gerade was die Kommunikation
per sms betrifft, in einem ironischen Kontext zu zeigen.
Jochen & Tim:
Ihr seid zwar nie eine Band gewesen, deren Texte sich in reinen
Fantasywelten austobten, aber The RPWL Experience ist
insgesamt sehr politisch geraten. Bewusste Entscheidung oder
hat es sich eher zufällig ergeben?
Chris: Unser vorletztes Album World Through My Eyes
hat sich mehr mit spirituellen Dingen beschäftigt, aber
natürlich hat der Einfluss der Politik auf unser tägliches
Leben uns nachhaltig beeinflusst, sei es der Irak-Krieg oder
die Mediendarstellung, die uns ja gerne vorgaukelt, wie unser
Leben auszusehen hat. Das beschäftigt uns, und natürlich
ist es wichtig, dass sich Musik und Text ergänzen. Und
wenn eine Idee da ist, sieht man auch zu, dass aus einem Album
eine runde Sache wird.
Jochen & Tim:
Beruhen manche Eurer Lieder auf tatsächlichen Ereignissen,
wie z.B. Silenced oder Stranger, das ja davon handelt, dass
sich zwei Schulfreunde auf einmal als Kriegsgegner bekämpfen
müssen?
Chris: Ich denke das Silenced ein Song mit einer
gewissen Allgemeingültigkeit ist, wie auch Stranger,
zwei Lieder die eng miteinander verwandt sind. In Silenced
geht es um die Situation, wie man geräuschlos Massen von
Menschen töten kann, indem man in einem Rechenzentrum einen
Knopf drückt, es gibt keinen Bezug mehr zum Gegner, man
sieht und hört nichts vom Töten und Sterben, das Ganze
wird fast zu einer virtuellen Angelegenheit, während Stranger
tatsächlich auf eine Brieffreundschaft Yogis mit jemandem
aus einem Kriegsgebiet zurückzuführen ist. Dort wird
die virtuelle Kriegsführung dann wieder zu einem schmutzigen
Akt, in dem sich plötzlich Schulfreunde mit Waffen gegenüberstehen,
nur weil irgendjemand mal wieder eine Grenze verschoben hat.
Jochen & Tim:
Die Kriegs-Thematik zieht sich ziemlich offensichtlich durch
Euer Album, ist es doch um die gelungene Cover-Version von Bob
Dylans Masters Of War herum aufgebaut.
Chris: Stimmt, aber eigentlich war der Arbeitstitel Choose
What You Want To Look At, also benannt nach dem Song in
dem es darum geht, was uns die Medien alles vorgaukeln und wir
nur noch wählen müssen, welchem Blödsinn wir
folgen wollen. Was Masters Of War angeht, ist es natürlich
so, das Bob Dylan DER Künstler ist, dem eine Einheit von
Musik und Text gelang wie kaum jemand sonst. So ist der Text
von Masters Of War leider immer noch aktuell. Außerdem
ist es natürlich ein Hammersong. Yogi hatte eine Idee wie
wir in angehen können, und so bekam er seine exponierte
Stellung auf dem Album.
Jochen & Tim:
Ich finde ja überhaupt, dass Ihr ein Händchen für
Coverversionen habt. Bei den frühen Pink Floyd Songs wie
Cymbaline ist es ja fast naheliegend, aber auch Lennons
Give Peace A Chance, das ihr Live wunderbar und vor allem
keineswegs ausgelutscht performt habt, oder jetzt der Dylan-Song.
In Richtung Cover-Album ist aber nichts geplant?
Chris: Nein, das kann sich keiner von uns wirklich vorstellen.
Ich persönlich finde, es gibt genug Leute die mehr oder
minder gut covern. Wenn ich an ein ganzes Cover-Album rangehe,
muss ich natürlich mehr Songs hören und überlegen
wie bekommen wir es hin, dass sie nach RPWL klingen.
Uns ist es lieber, wir haben einen Bezug zu einem Song und es
passt, anstatt diesen Bezug zu konstruieren. Live werden wir
natürlich auch weiterhin Coversongs spielen von Pink Floyd
bis King Crimson, je nachdem was uns gerade passend erscheint.
Jochen & Tim:
Zurück zum Album. Das unscheinbarste Lied hat vermutlich
für den meisten Gesprächsstoff gesorgt. Ich nehme
an, Du weißt wovon ich rede nämlich This Is Not
A Prog Song. Habt Ihr tatsächlich noch mit diesen Vorwürfen
zu kämpfen „nur“ eine Band im Windschatten
Pink Floyds zu sein?
Chris: Auslöser für This Is Not a Prog Song
eigentlich waren zwei Rezension in relativ großen Publikationen.
Im Rolling Stone stand, das wir eine „Synthie-Pop-Band“
seien und die Süddeutsche Zeitung schrieb was von „Glamour-Rock“.
Zudem gab es noch diese Anekdote mit World Through My
Eyes; wir haben ja als deutsche Band, die englisch singt,
oft mit dem Vorurteil zu kämpfen, das die Aussprache grässlich
sei. Besonders bemängelt wurde der schreckliche englische
Akzent auf dem Stück Nummer 4 Roses. Gesungen wurde
das Lied aber nicht von Yogi, wie vermutet, sondern vom Schotten
Ray Wilson. Wir haben gesagt, dass wir es an Wilson weiterleiten.
So entsteht jedenfalls der Eindruck, das manche Leute, die über
uns schreiben, die Alben kaum gehört haben können,
oder sie im Hintergrund laufen lassen und nicht merken, dass
die falsche CD im Spieler ist. Das passte gut zu dem Thema Medien
und Medienwahrnehmung, deshalb ist der Song entstanden. Wobei
wir versuchen, uns selbst nicht so wichtig zu nehmen und eine
gewisse Selbstironie an den Tag zu legen. Besonders Live macht
der Song uns und dem Publikum viel Spaß, vor allem weil
immer was Neues bei rauskommen kann.
Jochen & Tim:
Er spielt also auch mit der Oberflächlichkeit bestimmter
Medien und ihrer Vertreter.
Chris: Genau! Das Thema zieht sich durch das ganze Album,
ebenso wie diese endlos aneinander gereihten Werbesprüche,
die verheißen, das man ja alles haben und besitzen kann
und jede mögliche Erfahrung durch Konsum erreicht werden
kann.
Jochen & Tim:
Daher auch der Titel Eures Albums?
Chris: Das ist eine ironische Anlehnung an Werbeslogans,
vor allem an solche, die behaupten, wer nicht ausreichend konsumiert
kann kein Mensch sein.
Jochen & Tim:
Ihr singt auf Eurem Album „Babylon Will Fall“. Was
kann man tun, damit das nicht passiert.
Chris: Gerade der Satz ist einer der Kernpunkte des ganzen
Albums. Es ist natürlich zu befürchten, wenn die jeweiligen
politischen und religiösen Systeme so weitermachen wie
bisher, keine Einkehr geschieht, dass dann tatsächlich
irgendwann alles den Bach runter geht. Was man dagegen tun kann?
Eigentlich ist es ganz einfach und doch schwer. Das fängt
mit unserem Grundgesetz an, wenn man die ersten 19 Artikel wirklich
beherzigen würde, wäre schon viel gewonnen. Das ist
doch wunderbar ausformuliert, von der Unantastbarkeit der Würde
des Einzelnen, der Achtung von Menschenrechten und Glaubensfreiheit,
der freien Meinungsäußerung. Eigentlich wunderbar
als Hauptdirektive unseres Staates. Wenn man allerdings sieht,
was daraus gemacht wird...ich habe heute noch etwas über
Online-Durchsuchungen gelesen, auch bei unverdächtigen
Personen. Da werden diese Grundrechte dann mit Füßen
getreten.
Jochen & Tim:
Ja, weil es wieder mal einen Medienhype gibt, der den Feind
nahezu überall vermutet und sofort mit der Beschneidung
persönlicher Freiheiten reagiert, um eine mögliche
Bedrohung auszuschließen. Die wiederum oftmals nur auf
Hörensagen oder bewussten Fehlinformationen beruht. Was
ja zu den Themen Eurer Platte passt.
Chris: Richtig, aber das sind Verfahrensweisen, die unserer
Meinung nach auf Dauer zum Scheitern verurteilt sind. Wir haben
versucht das auf poetische Weise auszudrücken.
Jochen & Tim:
Etwas ganz anderes – spielt Krautrock eigentlich eine
Rolle für Euch?
Chris: Das ist relativ schwierig, weil er einerseits zu
der Musik gehörte, mit der wir aufgewachsen sind, aber
andererseits die britischen Einflüsse, vor allem Genesis,
Yes, Pink Floyd oder Alan Parsons größer für
unsere musikalische Entwicklung waren. Dieses Krautrockthema,
da spreche ich vor allem für Yogi und mich, wurde erst
richtig interessant, als wir bereits zusammen Musik machten
und wir recherchierten, was passierte da in Deutschland und
welche Bedeutung hat es auch jetzt noch. Erstaunlich finde ich,
welch kreatives Potenzial vorhanden war.
Jochen & Tim:
Das zum Teil ja auch Musiker wie Julian Cope beeinflusste und
sogar in den USA teilweise erfolgreich war. Wenn ich das richtig
gesehen habe, habt Ihr einem Konzerttermin in Amerika, auf dem
Progfest? Da habt Ihr schon mal gespielt?
Chris: Ja, das ist eine spannende Sache. Auf einem hohen
Niveau organisiert und ein begeistertes Publikum.
Jochen & Tim:
Habt Ihr schon mal an eine USA-Tournee gedacht?
Chris: Das ist schwierig, mit den Bookings, den Green Cards,
den Interviewterminen die über die Botschaft festgemacht
werden müssen usw. Das gibt erhebliche logistische Probleme
und einen Aufwand, den wir im Moment nicht leisten können.
Allein dieses eine Konzert machen zu können, hat uns drei
Tage Arbeitsaufwand gekostet. Plus Visum und den ganzen behördlichen
Kram. Ganz ausgeschlossen ist es allerdings nicht, denn die
Resonanz ist eindeutig vorhanden. Was erschwerend hinzukommt
ist die relativ starke Musikergewerkschaft, die stark die Position
vertritt, „warum diese Band aus dem Ausland nehmen, gibt’s
nichts Einheimisches, was stattdessen auftreten kann?“.
Das macht natürlich noch schwieriger und auch die Konzertveranstalter
haben’s schwer, dann entsprechende Lokalitäten zu
finden. Aber vielleicht klappt’s eines Tages doch. Letztes
Jahr waren wir in Mexiko auf dem größten Prog-Festival
der Welt, wenn ich nicht irre, da war vieles einfacher. Und
vor allem Bands aus den unterschiedlichsten Ländern von
Japan, über Polen bis zu Focus aus Holland. Absolut phantastische
Stimmung dort.
Jochen & Tim:
Eure Tournee geht als nächstes nach Holland. Als Vorband.
Wen supported Ihr?
Chris: Threshold. Das hat sich so ergeben und wir waren
der Ansicht, das können wir uns nicht entgehen lassen.
Ist ja eine gute Band und nicht ganz unpopulär in Holland.
Jochen & Tim:
In der Review eines Metal-Magazins wurde Watch Myself
mit Bezügen auf Coldplay und Radiohead verglichen. Ist
da was dran?
Chris: Nicht vorsätzlich. In der Band kommen unterschiedliche
musikalische Einflüsse zusammen, und wir treffen uns als
RPWL auf einem Nenner. Das macht es auch so spannend.
Warum sollen also nicht auch Coldplay oder Radiohead ihre Spuren
hinterlassen. Aber bewusst spielen sie in diesem Fall keine
Rolle.
Jochen & Tim:
Ich käme bei Watch Myself auch nicht unbedingt auf
diese beide Bands.
Chris: Ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Aber wenn’s
jemand meint, warum nicht. Ist ja keine schlechte Nachbarschaft.
Jochen & Tim:
Beileibe nicht. Aber Ihr werdet ja eher dem Progressiv-Rock
zugerechnet, als dem Brit-Pop. Wobei „Progressiv“
ja ein schwammiger Begriff ist, der unglaublich verschiedene
Bands und Stile unter seinem Label zusammenfasst.
Chris: Stimmt, kaum einer kann dir erklären, was sich
dahinter verbirgt. Nicht einmal der Chefredakteur des Eclipsed-Magazins.
Und der sollte es ja eigentlich wissen. Wichtig ist uns, dass
der Song im Mittelpunkt steht und vor allem ein emotionaler
Zugang zu der Musik, die wie spielen vorhanden ist. Im Progressiv
Rock gibt es viele Musiker, die absolute Virtuosen sind, deren
Zugang zur Musik aber ein allzu konstruierter ist. Ich bin da
einfacher gestrickt, ich mag es, wenn man Lieder auf recht einfache
Strukturen zurückführen kann, das sie meinetwegen
auch nur mit akustischer Gitarrenbegleitung funktionieren und
sie trotzdem Emotionen ausdrücken. Wir haben auch schon
mal mit dem Gedanken gespielt einen Akustik-Block in unsere
Auftritte einzubauen oder auf eine reine Akustik-Tour zu gehen,
denn wir haben festgestellt, dass die meisten unserer Songs
auch relativ schlicht instrumentiert, gut spielbar sind.
Jochen & Tim:
Manchmal verliert sich auch der virtuoseste Progressiv-Rocker
im technokratischen Overkill.
Chris: Stimmt, wir gehen halt nicht daran, wir müssen
jetzt einen 7/8 Takt spielen, dann ein Break und wieder was
anderes, sondern bei uns entwickeln sich die Songs aus relativ
einfachen Gitarrenlinien.
Jochen & Tim:
The RPWL Experience – Album des Umbruchs oder logische
Entwicklung. Fest steht wohl, dass das Album die für Eure
Verhältnisse sperrigste Produktion geworden ist.
Chris: Nach dem eher sphärischen World Through
My Eyes stand für uns fest, dass wir ein Album
machen wollten, das bereits aufgrund seiner inhaltlichen Thematik
rougher ist und ruhig etwas härter ausfallen darf. Wir
wollten es auch unbedingt dieses Jahr veröffentlichen,
was auch geklappt hat, obwohl wir noch 9 dazwischen geschoben
haben, die Mix CD aus Live-Album und Solo-Beiträgen der
einzelnen RPWL Musikern, die allerdings von der gesamten
Band gespielt werden.
Jochen & Tim:
Euer Ummagumma sozusagen. Das ich seit heute besitze.
Chris: Genau! Hör’s dir mal an, du wirst du gut
erkennen können, wer für welche musikalischen Einflüsse
bei RPWL verantwortlich ist.
Jochen & Tim:
Wird gemacht! Wie läuft eigentlich der Verkauf der aktuellen
CD, bzw. steigen Eure Verkaufszahlen?
Chris: Bei unseren letzten drei Alben ist es tatsächlich
so, das jedes Mal mehr verkauft wurden, zwar keine explosiven
Steigerungen, aber kontinuierliche. Von The RPWL Experience
haben wir bis jetzt mehr Exemplare verkauft als erwartet.
Jochen & Tim:
Machen Euch illegale Downloads zu schaffen?
Chris: Wem nicht? Natürlich ist es übel, das wenige
Tage nach dem Verschicken unserer ersten Demo-CDs bereits das
Album im netz auftaucht. Aber wir haben das Glück, das
unser Publikum im Alter von 20 + X, oder vielleicht sogar 30
+ X unsere Alben als Gesamtkunstwerk wahrnehmen und sie deshalb
tatsächlich auch gerne kaufen. Wir arbeiten ja mit einer
Künstlerin zusammen, die hervorragende Bilder zu unseren
Songs gemalt haben, die war dann im Kartenformat beigelegt haben.
Jochen & Tim:
Ich lege auch Wert darauf etwas in Händen zu halten, Booklet,
Hülle, CD usw.
Chris: Das Musikverhalten ändert sich natürlich
von Generation zu Generation. Wenn ich meinen Sohn von der Schule
abhole, bekomme ich natürlich mit, das für viele Jugendliche
die Hauptquelle ihrer Musikleidenschaft der Lautsprecher ihres
Handys ist. Früher war’s so, das ich versucht habe
so schnell wie möglich an eine gute Stereoanlage zu kommen,
damit Dark Side Of The Moon, Tales Of Mystery And
Imagination oder Trick Of The Tail so klangen wie
sie klingen sollten.
Wir werden natürlich versuchen, solange es finanzierbar
ist, Alben auf technisch hohem Niveau zu produzieren, und sie
anschließend als CD oder LP oder wie auch immer zu verkaufen.
Dazu gehört auch, dass wir manchmal mit analogen Bandmaschinen
arbeiten, z.B. um eine Schlagzeugspur aufzunehmen, die analog
einfach besser klingt. Glücklicherweise gibt es noch Leute,
die das honorieren.
Jochen & Tim:
Wäre natürlich erfreulich, wenn diese Idee des Gesamtkunstwerkes
noch etwas überdauern würde.
Chris: Andererseits sagt die Musikindustrie, eine Platte
muss aus zwei guten Stücken bestehen, der Rest ist Beiwerk.
Ich habe von einem Bekannten neulich gehört, sein junger
Sohn sei Led Zeppelin-Fan. Tolle Band. Ich habe paar Platten
genannt und gefragt welche ihm am Besten gefiele. Dabei stellte
sich raus, das er gerade vier Songs kennt. „Stairway To
Heaven“, „Whole Lotta Love“, die ganz populären
halt. Bei uns bedeutete Fansein früher etwas geringfügig
anderes.
Jochen & Tim:
Ich danke Dir für’s Interview und wünsche Euch
noch viel Spaß in Münster.
Chris: Freilich, gern. Ich denke wir werden jetzt schnell
noch eine Pizza essen gehen, bevor das Konzert beginnt.
Jochen & Tim:
Guten Appetit.