Griechische Revolution Spätestens seit ihrem letzten Album, "Revolution DNA" haben Septic Flesh nun endgültig internationales Ansehen erlangt. Was es mit diesem neuen Album, das doch sehr anders klingt als seine Vorgänger auf sich hat, wie die Südländer zu ihrer Kultur und zu Trauriger Musik stehen und noch viel mehr, schildert uns hier Sotiris, seines Zeichens Sänger und Gitarrist der griechischen Kultband.

Hallo Sotiris! Wie geht's dir gerade? Und wie läuft´s mit Septic Flesh?

Wir sind sehr zufrieden... unser letztes Album "Revolution DNA" läuft sehr gut, und außerdem haben wir gerade die Aufnahmen für das erste Album von Chaostar, unserem neuen Sideproject, abgeschlossen. Wir haben es gemeinsam mit Natalie Rassoulis gegründet, um unsere neoklassischen Ambitionen auszuleben. Chris war dabei für die Musik verantwortlich und ich habe mich um die Story gekümmert, die verschiedene Charaktere beinhaltet und über Dialoge erzählt wird. Bei den Aufnahmen standen uns ein Chor und ein komplettes Orchester zur Verfügung; auf Gitarren haben wir verzichtet, stattdessen kommen einige Industrial - Elemente zum Einsatz, die einen starken Kontrast zur klassischen Grundausrichtung bilden und zu einem bizarren, extremen Endergebnis führen.

Die Mittelmeergegend ist reich an mystischer Atmosphäre und Überresten antiker Kulturen. Wie beeinflusst euch das? Wurdet ihr durch von euch entdeckte Orte beim Erschaffen von Musik und Lyrics inspiriert?

Ich mag es wirklich, zu reisen und dabei geheimnisvolle Plätze und deren einzigartige Atmosphäre zu entdecken, seien es nun Überreste aus vergangenen Zeiten oder moderne Gebäude von architektonischer Stärke. Und natürlich beeinflussen alle Sinneseindrücke unseren Geist und unsere Stimmungen, was sich in Endeffekt auch auf die Art des Songwritings auswirkt.

Nordeuropäische Bands sind von Kälte und Grau umgeben und beziehen daraus ihre Inspiration, aber woher kommt bei euch die starke melancholische Atmosphäre, die durch eure Musik vermittelt wird?

Wir haben sicher keine negative Lebenseinstellung und sind erst recht nicht depressiv; stattdessen versuchen wir, frei nach dem Grundgedanken des Hedonismus unser Leben zu genießen. Aber es ist natürlich unmöglich, immer glücklich zu sein. Das Leben beinhaltet alle Arten von Emotionen, und wir versuchen, sie durch unsere Musik auszudrücken. Allerdings kann gesagt werden, dass die kältesten Gefühle dabei den größten Anteil haben - wir versuchen, uns von ihnen zu befreien, indem wir sie in künstlerischer Form nach außen tragen.

Griechenland hat zwar ein großes historisches Potential, befindet sich zugleich aber abseits der europäischen Metallszene. Welche Auswirkungen hatte das auf Septic Flesh?

Dieses Problem beeinflusst alle griechischen Bands. Vor allem in den Anfangstagen der Band hatten wir es sehr schwer, und wir mussten uns unseren heutigen Status in der Metallszene hart und geduldig erarbeiten. Mittel- oder nordeuropäische Bands haben es da natürlich leichter. Sie können mit geringerem finanziellen Aufwand auf Tour gehen oder Kontakt zu Zeitschriften, Labels, Promotionargenturen usw. herstellen. Eine Band z.B. aus England hat somit natürlich viel mehr Möglichkeiten als Gruppen aus Griechenland oder der Türkei.

Orphaned Land haben durch die Verwendung orientalischer Instrumente eine völlig neue Stilrichtung geschaffen. Was haltet ihr davon, griechische Musikinstrumente in eure Musik einzubinden?

Wir haben keine Interesse daran, uns in diese Richtung zu entwickeln.

Ihr werdet live von einem Session - Keyboarder unterstützt, und Keyboard - Parts sind generell sehr wichtig für eure Musik. Warum sucht ihr euch dafür keinen festen Musiker?

Weil es dafür keinen vernünftigen Grund gibt. Chris und ich arbeiten alle Keyboard- und Sample - Parts gemeinsam aus, und dabei wollen wir auch von niemand anderem beeinflusst oder gestört werden. Das einzige, was wir brauchen, sind Musiker, die diese Ideen live umsetzen.

Bei den beiden Alben vor Revolution DNA wurdet ihr von Natalie Rassoulis mit ihrer perfekten Stimme unterstützt. Auf der neuen Scheibe ist davon aber nichts zu hören, und auch die Keyboard - Parts wurden stark reduziert...

Revolution DNA ist ein dunkles, futuristisches Album. Wir wollten uns auf Energie und Stärke konzentrieren und keine opernhafte Atmosphäre mehr erzeugen. Daher haben wir auf weiblichen Gesang verzichtet und stattdessen die männlichen Vocals weiterentwickelt. Das ganze Album basiert auf einem ständigen Kampf zwischen melodischen und kranken Parts. Natalies Stimme dagegen passt besser zu Kompositionen, wie sie z.B. auf dem Chaostar - Album zu finden sind. Als Ersatz für die Keyboards haben wir verstärkt Sampler benutzt. Seltsame Hintergrundgeräusche in Songs wie Chaostar, Android oder Last Stop To Nowhere können nur auf diese Weise erzeugt werden - dieses Instrument eröffnet viele neue Möglichkeiten bei der Erschaffung extremer Musik.

Achtung, seltsame Frage... Angenommen, du wärst eine Opernsängerin: Was würdest du sagen, wenn dir eine Metal - Band anbieten würde, auf ihrem Album zu singen?

Ha! Wirklich eine verrückte Frage... zunächst muss ich sagen, dass ich die weibliche Denkweise sowieso nie verstehen werde. Und wenn es sich dann auch noch um eine Opernsängerin handelt verkomplizieren sich die Dinge noch weiter. Wie auch immer, wenn ich von Natalie und den anderen Frauen, die bei Chaostar mitgewirkt haben ausgehe, kann ich sagen, dass einige aufgeschlossen sind und mitmachen wollen, während die anderen ablehnen, weil sie Metal generell für eine Art 'musikalische Krankheit' halten.

Eure früheren Alben wurden alle in griechischen Studios wie z.B. dem Praxis oder dem Storm aufgenommen. Diesmal seid ihr allerdings nach Schweden ins Fredman gegangen. Wo liegen, abgesehen von der professionelleren Soundqualität, die Unterschiede?

In erster Linie bei der Einstellung. In Griechenland bucht man das Studio für ein paar Stunden pro Tag und hat danach wieder frei. Diesmal haben wir beinahe in den Aufnahmeräumen gewohnt. Fredrik kümmerte sich zuerst um die Soundeinstellungen, und dann konnten wir aufnehmen wann wir wollten, auch wenn es vier Uhr nachts war - wir haben tatsächlich jedes Zeitgefühl verloren. Und wir haben fast nichts von Schweden gesehen, weil wir eben die ganze Zeit im Studio verbracht haben.

In den 80ern waren einige Stilrichtungen wie z.B. Thrash in Amerika und Europa populär, und es gab auf beiden Seiten große Bands. Europäischere Richtungen wie Doom, Gothic und atmosphärischer BM dagegen sind in Amerika nahezu unbekannt. Liegt das deiner Meinung nach an der mangelnden Promotion seitens europäischer Labels?

Mich erreichen einige Briefe aus Amerika, die mir zeigen, dass es auch dort eine eingeschworene Fangemeinde gibt. Das Problem besteht darin, dass europäische Alben dort sehr teuer sind und daher nur von wirklich interessierten Leuten gekauft werden. Und was Radiostationen und alle anderen Arten von Promotion betrifft: es ist sogar einfacher, etwas über eine türkische Band zu erfahren als über eine amerikanische.

Was war für dich der Auslöser, mit dieser Musik zu beginnen?

Musik ist meine Droge. Ich verspüre einen starken Drang in mir, Gitarre zu spielen und Musik zu erschaffen.

In welche Richtung werden sich Septic Flesh in Zukunft entwickeln? Vielleicht hin zu elektronischerer Musik?

Wohl kaum, dazu lieben wir Metal zu sehr. Prinzipiell kann ich schwer sagen, wohin wir gehen werden, weil unsere Launen und Stimmungen unvorhersehbar sind. Wir lieben es, zu experimentieren, und wir sind nicht bereit, Kompromisse einzugehen, wenn es um unsere Inspiration geht.

Nimmt das Internet in deinem Leben einen wichtigen Platz ein?

Ja, es hat das Leben für mich und die Band um einiges vereinfacht. Ich kann zum Beispiel Interviews wie dieses führen, muss nicht so oft Post aufgeben usw... alles Dinge, die eine Menge Zeit kosten würden. Es ist generell ein viel einfacherer und schnellerer Weg, Leute zu kontaktieren.

Hast du ein paar abschließende Worte parat, willst du deinen Fans noch etwas sagen?

Enjoy the pleasures of the flesh!

Erkan, EquimanthorN

Dieses Interview wurde ursprünglich für unser zweites Magazine, das "Rock The Nations Metalzine" (www.rockthenations.com) gemacht, Editor Emre Alkoc war so freundlich und gab uns die Erlaubnis es auch hier zu veröffentlichen, um dem deutschsprachigen Publikum die Fragen und Antworten nicht vorzuenthalten.

Danke!