Die Künstler SEAR BLISS präsentieren uns mit The Arcane Odyssey ein spannendes, symphonisches und durchschlagskräftiges Werk, auf dem die Posaune eine wichtige Rolle spielt. András Nagy, die Stimme des ungarischen Quintetts, stillte meinen Wissensdurst hinsichtlich Kompositionsprozess, musikalische Vorlieben sowie Pläne für die Zukunft für den weiteren Siegeszug seiner Band.

Sear Bliss

Leo: Ich möchte euch zu Eurem großartigen neuen Werk The Arcane Odyssey gratulieren! Welches Gefühl habt ihr dabei, wenn ihr bei einem (Online-)Magazin zur Platte des Monats gekürt werdet?
András:
Das ist wirklich großartig! Wir sind total überrascht!

Leo: Wie sieht der Kompositionsprozess bei Euch aus und wie wichtig sind für Euch die Texte?
András:
Die Texte für ein Album schreiben wir ganz zum Schluss. Wir schreiben die Musik immer zuerst, wir jammen auch nicht im Proberaum; die Ideen werden geboren, wenn wir alleine sind. Zu Beginn bauen wir die Basis des Songs, nehmen die Ideen auf und schicken sie jedem einzelnen, sodass jeder etwas beitragen kann. Dann proben wir sie und wenn wir damit fertig sind, dann schreibe ich erst die Texte. Das ist sehr wichtig, denn auf diese Weise gibt es zweifellos eine starke Verbindung zwischen Musik und Text. Ich versuche die Stimmung des betreffenden Liedes mit Worten auszudrücken. So werden also unsere Texte geboren, sie sind sehr wichtig, so wie ein Instrument, ein wichtiger Teil des Ganzen.

Leo: Gibt es musikalisch gesehen etwas, worauf Du besonders stolz bist?
András:
Ich bin stolz, dass es uns immer noch gibt und die Menschen unsere Musik mögen. Das ist wirklich cool. Auf The Arcane Odyssey bin ich natürlich auch stolz weil ich einen Großteil der Musik geschrieben habe und ich denke dass es unsere beste Scheibe ist.

Leo: Im Gegenzug gefragt: blickst Du auf Veröffentlichungen zurück, die Du lieber ungeschehen machen würdest?
András:
Nichts das wir getan haben bereue ich, obwohl es Dinge gibt die wir aus heutiger Sicht anders machen würden und ich weiß dass wir einige Fehler begangen haben. Alle unsere Veröffentlichungen zeigen den jeweiligen Stand während der damaligen Zeit, wie wir uns fühlten als wir sie damals erschufen. Ich mag auch unsere alten Veröffentlichungen weil sie eine ganz besondere Stimmung besitzen. Wir versuchen immer nach Perfektion zu streben, aber im Verlauf unserer Karriere gab es sicher bessere uns schlechtere Alben. Im Moment bewegen wir uns auf hohem Niveau mit einem Album wie The Arcane Odyssey and wir werden keine schlechtere Platte einspielen.

Leo: Wenn Du die Jahre im Musikzirkus Revue passieren lässt, was hat sich gravierend geändert? Hat es eine Metal-Band heute schwerer als noch vor 10 Jahren?
András:
Die Szene hat sich gravierend geändert wenn wir sie mit jener der Neunziger vergleichen. Dabei gibt es positive und negative Seiten dieser Veränderung. Früher war diese Art von Musik populärer aber ich sehe definitiv eine Entwicklung die ich gut finde. Ich habe keine Ahnung ob es für Metal Bands schwieriger ist erfolgreich zu sein. Das ist ein komplexes Thema und hängt von einer Menge Faktoren ab.

Leo: Welche Probleme stellten sich Euch im Laufe eurer Karriere in den Weg?
András:
Der Umstand, aus Ungarn zu kommen, war nicht immer eine einfache Sache, es stellte aber auch kein Problem dar, eher noch einen Vorteil, weil es uns in der Verfolgung unserer Ziele gestärkt hat. Oftmals mussten wir mit Besetzungsproblemen kämpfen. Es ist nicht leicht, aufopferungsvolle Menschen zu finden. Wenn jemand nicht 100%ig hinter der Musik steht dann schaue ich mich lieber nach einem Ersatz um.

Leo: Gibt es in Ungarn Unterstützung für Bands wie SEAR BLISS? Wie schaut es mit Auftrittsmöglichkeiten aus, werdet ihr in der Öffentlichkeit akzeptiert oder eher belächelt?
András:
Unsere Situation in Ungarn ist ganz okay. Es gibt Möglichkeiten, um Konzerte zu spielen und wir werden in der Öffentlichkeit und den Medien mehr akzeptiert.

Leo: Wolltest Du schon jemals aufgeben und die Band auflösen?
András:
Niemals! Während der 14 Jahre gab es harte Zeiten aber ich dachte niemals daran aufzuhören. Es gab mal eine Zeit da bestand SEAR BLISS nur mehr aus zwei Personen (ich und der Drummer), aber der Gedanke an eine Auflösung der Band kam mir nie in den Sinn. Ich war schon immer ein Optimist, mein Wille war immer stark genug die harten Zeiten zu überdauern. Diese Band ist wie mein Kind. Ich gründete SEAR BLISS als ich erst 15 Jahre alt war. Nun bin ich 29 und immer noch jung genug. Ich fühle mich stärker als je zuvor. Ohne Musik kann ich mir ein Leben nicht vorstellen, sie ist ganz wichtig für mich.

Leo: Kannst Du uns einige Bands aus deinem Heimatland empfehlen?
András:
Das mag jetzt ein wenig egoistisch klingen, doch ich empfehle Forest Silence, die Band unseres ehemaligen Keyboarders. Ich war immer Fan seiner Musik, deshalb bin ich auch stolz, dass er mich gefragt hat, ob ich die Gitarren auf dem Debütalbum namens Philosophy Of Winter einspielen könnte; es erschien letztes Jahr.

Leo: Hörst Du abseits von Metal auch Musik?
András:
Ja, ich höre mir Synthesizer-Musik an wenn ich in der richtigen Stimmung bin, Bands wie Ulver haben mich immer schon beeindruckt.

Leo: Bitte erzähle mir über Dein erstes Zusammentreffen mit Metal – welche LP hast Du Dir als Erste gekauft, welche Bands haben Dir Deine Jugend versüßt?
András:
Einer meiner Freunde gab mir 1987 das Tape von Inside The Electric Circus von WASP. Ich war schockiert! Ich verliebte mich sofort und wurde ein riesiger WASP Fan. Ich verehre dieses Album immer noch, Mein erstes Album bekam ich von meinem Vater und zwar das erste Album von WASP. Dann folgten Iron Maiden, Accept, Grave Digger, Metallica, Slayer und ich sah mich nach extremeren Bands um. Das führte mich zum Thrash, Death und Black Metal.

Leo: Welche Schmuckstücke finden sich in Deiner Plattensammlung?
András:
Ich besitze ein paar alte Scheiben auf Vinyl die ich sehr schätze, zum Beispiel die ersten drei WASP Alben oder die Erste Iron Maiden und so weiter. Und natürlich bin ich auf meine SEAR BLISS Sammlung am meisten stolz haha? ;)

Leo: Welchen Stellenwert besitzt Musik für Dich? Was musst Du als Idealist nebenher noch arbeiten um Dich über Wasser zu halten?
András:
Musik nimmt wahrscheinlich den größten Teil meines Lebens ein. Ich könnte mir ein Leben ohne Musik zu erschaffen und zu hören nicht vorstellen. Nebenbei muss ich arbeiten, um meine Rechnungen bezahlen zu können. Manchmal ist es extrem schwierig, Musik und Arbeit zu kombinieren, aber bis jetzt konnte ich alle Probleme irgendwie lösen.

Leo: Ich denke dass ihr zwar nicht übermäßig viele, aber dafür umso eingefleischtere und treuere Fans habt, die Eure Musik wirklich zu schätzen wissen. Wie sieht Deiner Meinung nach die Zusammensetzung Eurer Fangemeinde aus?
András:
Ich habe erwähnt dass eine Menge unterschiedlicher Leute SEAR BLISS hören, also denke ich dass es keine spezielle Gruppe gibt, die unsere Musik bevorzugt. Soweit ich das sehe, sind unsere Fans aufgeschlossene Metalheads, die ungewöhnliche Musik mögen, die ein wenig abseits der Norm liegt. Das finde ich gut.

Leo: Gibt es besonders lustige oder beeindruckende Erlebnisse mit Anhängern?
András:
Da gibt es zu viele um sie zu erwähnen…und natürlich gibt es auch einige, die ich nie erzählen würde, haha. Wir haben eine Menge verrückter Typen im Verlauf der Jahre kennen gelernt. Einmal musste ich einen menschlichen Totenschädel signieren und auch eine hölzerne Plakette einer toten Krähe.

Leo: Wer kam auf die Idee mit der Zugposaune?
András:
Das war ich. Ich wollte etwas Außergewöhnliches zu unserer Musik hinzufügen, also fragte ich kurz nach der Bandgründung einen meiner Freunde der in einer lokalen Brass Band Posaune spielte ob er nicht Interesse hätte mit uns zu spielen. Er war Metalfan und sagte sofort zu. Nach den ersten Proben waren wir sehr überrascht wie gut die Posaune dazupasste. Als er dann die Band verließ griffen wir auf einen Session Posaunisten zurück, aber das war nicht die optimale Lösung, so schauten wir uns nach einem Ersatz um. Letztendlich fanden wir Zoltan der auch Metalfan ist und außerdem ein sehr guter Posaunist. Er ist seit dem Jahr 2000 dabei.

Leo: Wie sahen die ersten Reaktionen auf die Verwendung einer Posaune aus?
András:
Meistens scheinen einige Leute skeptisch zu sein aber nach den ersten Takten ändern sie ihre Meinung und stimmen mit uns überein wie gut dieses ungewöhnliche Instrument zur Musik von SEAR BLISS passt.

Leo: Wann gibt es die nächste Chance, Euch auf der Bühne zu erleben – The Arcane Odyssey wird doch hoffentlich ausgiebig live vorgestellt, oder?
András:
Wir werden dieses Jahr vier Shows in Ungarn spielen und das war’s dann auch schon. Im nächsten Jahr wollen wir uns auf Konzerte und Tourneen konzentrieren. Gerade im Moment sehen wir uns nach einer Europa-Tour um und ich hoffe wir finden da etwas, damit wir nächstes Frühjahr auf Tour gehen können.

Leo: Wenn eine Tour ansteht, wie oft trefft ihr Euch im Proberaum?
András:
Derzeit proben wir oft, weil wir dieses Wochenende 2 wichtige Konzerte spielen. Das sind auch die ersten Veranstaltungen bei denen wir Lieder von The Arcane Odyssey präsentieren. Wir proben 5mal die Woche. Die nächste Show findet in Budapest, die zweite dann in unserer Heimatstadt statt.

Leo: Eine Frage, die in die Zukunft weist: wie wird sich die Szene in den nächsten Jahren entwickeln? Wird das Problem mit den Plattenverkäufen in den Griff zu bekommen sein bzw. wie siehst Du das Internet allgemein?
András:
Soweit es die Szene betrifft, denke ich, dass Black Metal wieder angesagter ist und das ist gut so, aber die Szene wird nie wieder so sein wie vor 10 oder 15 Jahren. Ich bin der Meinung dass durch das Internet und das Herunterladen etwas verloren geht, als wäre die Magie weg. Natürlich hat das Internet seine positiven Aspekte und ich brauche das Netz auch aber nicht um herunter zu laden. Ich bin so der richtige Old School Typ, der immer noch von einem Plattengeschäft fasziniert ist, wenn er dort seine gewünschte Platte in Händen hält. Solange es Menschen gibt die ähnlich denken, wird es auch kein Problem geben!

Leo: Ich wünsche Euch für den weiteren Verlauf Eures musikalischen Schaffens viel Erfolg – möget ihr unsere Szene noch viele Jahre mit Euren außergewöhnlichen Klängen bereichern! Vielen Dank für die Zusammenarbeit!
András:
Danke vielmals für Deine Unterstützung!

 

11/2007 © Leo Seebauer • Sear Bliss