Dunkle Engel

Ich hatte ja schon geahnt, dass Jyrki, Sänger  der Finnischen Kultband „The 69 Eyes“ ziemlich vernarrt in alles ist, was mit düsterem Feeling zu tun hat. Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass diese Leidenschaft so extrem sein könnte  und zudem, dass Jyrki auch noch verdammt gesprächig ist für einen Finnen. Also musste er mir gleich mal erzählen, dass er gerade in Berlin in einem Tourbus hockt und etwas müde von dem vielen Reisen ist, was ihn aber dann trotzdem nicht daran hinderte, mir sämtliche Fragen ziemlich ausführlich zu beantworten.

Als erstes wollte ich natürlich wissen, warum seine neuen Lieder denn mehr von dunklen Sounds beeinflußt sind und warum sich „The 69 Eyes“ nun in diese Richtung entwickeln:

Jyrki: „Es ist eigentlich wie eine Trilogie. Der erste Teil davon war “Wasting the dawn”. Das neue Album “ Blessed be” wird der zweite Teil sein und der dritte Teil wird dann später erscheinen. “Blessed be” wird einfach ein düsteres Album werden, aber es soll auch Hoffnung bringen. Es ist zwar im Grunde sehr dunkel angehaucht, aber es ist trotzdem voll Licht. Es ist wie mit den Engeln, es gibt da zwei Arten von Engeln, selbst in der Hölle und beide Arten erscheinen Schwarz. Die einen symbolisieren die echt dunkle Seite des Bösen, aber die anderen dunklen Engel, - wenn du hinter ihre Maske siehst - dann sind sie weiß, und diese bringen dann die Ausgewogenheit zwischen Gut und Böse. Und so kann man es auch bei uns sehn. Wir sind die hellere Seite der Dunkelheit, dunkle Engel der Hölle. „

Caro: „Kannst Du uns etwas über die Geschichte von Eurem Lied “Gothic Girl” erzählen?“

Jyrki: „Das Phänomen der Gothic Mädchen oder auch Gothic Kultur insgesamt hat schon eine sehr lange Geschichte und Gothic Girls gibt es schon seit etwa 20 oder 25 Jahren. Wenn du ein Gothic Mädchen von den Achtzigern und eines von heute gegenüberstellst dann sind sie fast identisch, ihr Lebensstil ist der selbe. Ich war schon immer in die Gothic Girls verliebt, sie inspirieren mich einfach , machen mich verrückt und faszinieren mich total. Und es sind wirklich interessante Geschichten, die dazu führen warum etwa ein 14 jähriges Mädchen plötzlich zum Goth wird. Es sind aber auch immer sehr tragische Schicksale dahinter. Viele Gothic Mädchen, die ich kenne, sind sehr intelligent, sind Künstler, Dichter und sehr zerbrechliche Kreaturen. Sie sind es wirklich Wert, ihnen einen Song zu widmen. Ich musste einfach Alles, was mir zu ihnen einfiel, in dieses Lied reintun. Ich denke so etwas in der Art hat noch niemand vorher gemacht und was mich auch erstaunt, ist daß die Single so gut geht, denn wir haben damit in Finnland schon fast Gold erreicht. Das Lied ist das am meisten gespielte im Finnischen Radio und sie spielen es sogar öfters als etwa Bon Jovi! Es ist echt cool, dass es so ein Hit wurde, der jedem gefällt und das Wort “Gothic” im Titel hat auch die Leute nicht ausgeschlossen, die keine Goths sind. Ich wollte aber eigentlich mit dem Song auch  ein Lied machen, das alle Gothicgirls anspricht, wo immer sie auch sind, in Rom, New Orleans oder Berlin. Was witzig ist, ist, dass das Lied selber eigentlich nicht so extrem gothicmäßig klingt, es ist als ob Billy Idol und AC/DC zusammenkommen würden, es ist eine Melodie zum tanzen. Auch das Video, das wir dazu gemacht haben ist ziemlich witzig, es gibt natürlich den Tod und ich bin als Krähe gekleidet. Ich wollte einfach etwas anderes machen und daher kommt das Ganze sogar irgendwie einem Hip Hop Video nahe weil man dunkle Gothic Girls sieht, die wild rumtanzen und ich mache irgendwelche Hip Hop Bewegungen, das kommt ziemlich cool!“

Caro: „Viele Leute denken, daß Gothic Leute Satanisten sind, ist es Dir schon jemals passiert, daß man Dich als Satanist bezeichnet hat?“

Jyrki: „Es kann passieren, dass normale Leute auf der Straße so denken, vor allem weil ich Schwarz gekleidet bin und schwarze lange Haare habe, aber wenn man „The 69 Eyes“ wirklich kennt, dann weiß man, dass wir Nichts mit Satanismus zu tun haben. Das sieht man ja auch am neuen Album “Blessed be”. Schon alleine der Titel hat eine gewisse religiöse Bedeutung  und ist zugleich auch die Begrüßung der Wicca -und Pagan Hexen. Es hat also mehr die Wurzeln in der weißen Magie. „

Caro: „Was ist für Dich die Faszination der Gothic Szene und wie ist diese in Finnland?“

Jyrki: „Wann immer ich in anderen Ländern bin, gehe ich gerne in die lokalen Gothic Clubs und zu meiner Überraschung ist die Gothic Szene in Finnland viel größer als etwa in Schweden, wo die Szene wirklich sehr klein ist, aber wenn du die Gothic Leute da mit den Black Metal Leuten vermischst, dann ist sie viel größer. Ich finde aber, dass Gothic und Black Metal Mädchen Heutzutage einfach total unterschiedlich sind . Zur Zeit bin ich allerdings nicht so sehr in der Gothic Szene in Finnland unterwegs, ich bewege mich gerade mehr in anderen Kreisen.“

Caro: „Es gibt immer mehr Bands aus Finnland, die berühmt werden. Was hältst Du von dieser Entwicklung?“

Jyrki: „Es ist einfach so, dass wenn du dir die Europäischen Charts anschaust, dann ist Finnland irgendwie die Heimat der Gothic Popmusik. In den letzten zwei Jahren kam einfach sehr viel gute Musik von da und jeder wartet jetzt darauf, dass diese Art von Musik dort erscheint. Der Vorteil davon ist auch, dass es jetzt mehr Geld für Musik gibt, „The 69 Eyes“ gibt es ja schon seit 10 Jahren aber die Zeiten sind jetzt einfach völlig anders. Wir hatten sehr viel Zeit um Reif zu werden und das war auch gut so, denn für uns war die Band früher einfach nur da, um Spaß zu haben, uns anzusaufen und so weiter… Wenn du 20 bist willst du nur Spaß haben! Eine Band zu haben, bedeutete für uns einfach rumreisen und viele Groupies flachlegen, vielleicht ein paar Shows spielen, aber ich kann mich daran auch nicht mehr so gut erinnern. Trotzdem bin ich sehr stolz auf das, was wir gemacht haben, denn wir haben diese Art von Rock’n Roll die wir in Skandinavien spielen, für eine Weile am Leben erhalten. Ich denke es gibt einfach keine Band, die solche Musik wie wir machen und es wurde uns auch schon oft gesagt, dass wir eine Mischung aus „Type O Negative“ und „The Cult“ wären. Die anderen Bands, die von Finnland kommen, sind mehr Heavy Metal Bands, aber das, was wir spielen, ist eher auf Bands wie „Sisters Of Mercy“ oder „The Doors“ aufgebaut.“

Caro: „Was ist Deine größte Inspiration, wenn Du Lieder schreibst?“

Jyrki: „Es ist das Leben insgesamt, das mich inspiriert. Ich will den Leuten einfach Hoffnung geben, dass sie realisieren, dass wenn etwas schief geht oder verloren geht, kann man sich so immer auf eine Weise davon erholen. Bei dem Lied “Brandon Lee” zum Beispiel, wurde ich vom letzten Interview mit Brandon Lee inspiriert. Ich habe das Interview auf dem Video von “The Crow” gesehen, und es ist wirklich sehr interessant. Brandon Lee redet darüber, wie man die kleinen Dinge des Lebens genießen kann und auch wie sehr er sich mit dem Charakter von The Crow und Eric Draven identifiziert. Das ist ziemlich mystisch. „

Caro: „Ich habe gehört, Du magst auch Horros Filme?“

Jyrki: „Ja, das geht bei mir Hand in Hand mit dem Erwachsenwerden, denn als Teenager war ich einfach total vernarrt in Horror- und Splatter Filme. Heutzutage mag ich eher Filme, die mich zum Nachdenken bringen, so wie “Fight Club” oder “Sleepy Hollow”. „

Caro: „Da jetzt immer mehr Gothicbands mit ihrem Sound berühmt werden, denkst Du, dass dieser Stil Kommerziell wird?“

Jyrki: „Das liegt vielleicht an der Zeit. Ich denke, dass alle Künstler und natürlich auch Musiker sehr sensibel und zerbrechlich sind (so wie ich) und sie spüren irgendwie was in der Welt um sie herum geschieht. Sie haben eine Art “Antenne” für die Atmosphäre die auf dieser Welt herrscht und sie verwandeln ihre Energie und ihre spirituelle Meinung zu den Geschehnissen in Kunst. So kommt es einfach, dass es viele Gothic oder Dark Metal Bands gibt und ich finde, dass selbst Teile der Popmusik heutzutage ziemlich düster wirken.“

Caro: „Was hasst Du am meisten im Music Business?“

Jyrki: „Mit diesem Album spüre ich zum ersten mal, dass die Leute etwas von uns erwarten und dadurch ein gewisser Druck entsteht. Manchmal ist das schon sehr ermüdend. Ich spüre jetzt mehr denn je, dass das alles sehr Ernst wird. Früher war das für uns alles nur Party, aber jetzt ist alles viel ernster und jeder schaut auf mich, was aber auch nicht schlecht ist und ich habe ein wirklich gutes Gefühl, was unser neues Album angeht. Das Ganze ist aber zugleich auch etwas erschreckend, denn es sind immer Leute um dich herum die etwas von dir erwarten, das gibt mir aber auch mehr Selbstvertrauen. Manchmal ist es harte Arbeit, aber ich gehe alles gerne sehr relaxt an. „

 

Eigentlich sollte an der Stelle das Interview aus sein, aber Jyrki wollte gerne noch weiterplaudern und so erzählte er mir noch mehr über das neue Album und wirkte sogar sehr bescheiden, als ich ihm noch viel Erfolg damit wünschte und er erklärte mir noch: “der Grund, warum ich in einer Band wie „The 69 Eyes“ bin, ist; um mich am Leben zu erhalten, und es ist ein guter Weg um Leute kennen zu lernen, die so wie ich denken und die selben Gefühle haben… Aber fuck the success, wenn ich Erfolg habe, kann ich vielleicht ein paar Models flachlegen (haha, das kann ich ja jetzt eh auch), aber das Wichtigste ist einfach, dass ich viele Leute mit meiner Musik und meinen Ansichten  erreiche.” Außerdem schien Jyrki sehr begeistert vom Mera Luna Festival zu sein, wo sie ja auch gespielt haben und er war sehr stolz darauf, dass er ein paar, sonst so stille Gruftis, zum Tanzen brachte! That’s just Rock’n Roll!

 

2000; Caroline