THE VISION BLEAK sind mit ihrem musikalischen Anspruch und der umgesetzten Konsequenz ihres Rahmenkonzeptes in Deutschland relativ einzigartig. Wobei man natürlich sagen muss, dass sich hier zwei Musiker gefunden haben, die ganz genau wissen, was sie wollen; und dabei auch zu keinen (oder nur wenigen) Kompromissen bereit sind.
Nach dem überaus gelungenen Nachfolge-Album Carpathia zum seinerzeit sensationellen Debüt The Deathship Has A New Captain drängten sich somit natürlich einige Fragen auf, die uns die Band (in diesem Fall Theodor Schwadorf) auch tatsächlich beantworten wollte.
So schickten wir im Winter des Jahres 2005 unsere Postkutsche mit den neugierigen Zeilen an die Band, aber diese scheint wohl einen Umweg über den Borgo-Pass gemacht zu haben, so dass Mr. Schwadorf erst knapp ein halbes Jahr später die Gelegenheit erhielt, uns seine Antworten mitzuteilen. Insofern sind nicht mehr alle Fragen wirklich up to date, aber der Authentizität halber haben wir darauf verzichtet, an dieser Stelle noch einmal große Änderungen vorzunehmen oder den ganzen Fragenkatalog komplett neu zu erstellen. Und wer weiß, vielleicht hätte der Umweg diesmal sogar über die Antarktis geführt, was wir dann doch nicht riskieren wollten...

The Vision Bleak

Michael: Das Jahr 2005 ist um, zieht doch mal aus Eurer Sicht Bilanz. Tief- und Höhepunkte, Resonanzen und Reaktionen... etc. und gebt einen Ausblick auf 2006.
Schwadorf:
2005 war definitiv ein sehr gutes Jahr für uns. Carpathia wurde von Fans und Presse hervorragend aufgenommen und wir hatten einige wirklich sehr bedeutsame Konzerte.
2006 ist ja nun auch schon ein paar Monate alt und wir hatten ebenfalls eine tolle Tour mit Helrunar, die, bis auf einen Ausrutscher in Ingolstadt, voll zu unserer Zufriedenheit lief. Ende des Jahres werden wir wohl mit der Vorproduktion für unser 3. Album starten und im Herbst stehen noch einige Gigs und Festivals an. Also, es wird auch dieses Jahr noch viel passieren.

Michael: War es von Anfang geplant, das Carpathia metal-lastiger als Deathship Symphony werden sollte, oder hat sich das erst im Laufe der Arbeit an dem Album so ergeben?
Schwadorf:
Das ergab sich einfach im Kompositionsprozess. Die ersten beiden Songs die wir für Carpathia geschrieben hatten waren Secrecies In Darkness und Carpathia - der Rest folgte dieser Marschroute sozusagen.

Michael: Warum verwendet Ihr nicht mehr Samples bzw. Soundtrack-artige Elemente? Das würde doch gut zur Atmosphäre der Stücke passen...
Schwadorf:
Ich denke Carpathia ist ein sehr "Score-mäßiges" cineastisches Album. Wüsste nicht ob das mit Samples zu steigern wäre...

Michael: Wie läuft bei Euch den generell die gemeinsame Arbeit ab? Schließlich wohnt Ihr meines Wissens nach doch ziemlich weit auseinander...
Schwadorf:
Wir wohnen ziemlich exakt 15 Km auseinander und sehen uns im Studio beinahe täglich. Die grobe Struktur der Songs erarbeite ich meist bei mir zu Hause in meinem kleinen Homestudio. Dann kommt Konstanz dazu und wir erarbeiten die Orchestrierung und die endgültige Struktur und das Arrangement zusammen in der Klanschmiede Studio E. Dazu schreibe ich dann die Texte und erarbeite dann zusammen mit Konstanz die Gesangslinien. Fertig ist ein Song.

Michael: Wie seid Ihr auf den doch eher ungewöhnlichen Bandnamen gekommen?
Schwadorf:
Keine Ahnung. Der Name kam eines Abends einfach zu uns.

Michael: Bisher musstet Ihr Euch in fast jedem Interview dafür rechtfertigen, dass vor allem Du nicht mehr die gleiche Musik wie bei Empyrium machst. Nervt Euch das, und verzweifelt Ihr nicht manchmal an den immer wieder gleichen Marktmechanismen und -reaktionen?
Schwadorf:
Es nervt sogar gewaltig. Es gibt einfach viele engstirnige, ignorante Leute die meinen, dass das was ihnen am besten gefällt gleichzeitig auch das Beste ist und die Schuld, dass sie ihrem Lieblingskünstler nicht mehr folgen können sollten sie eher in ihrer eignen Beschränktheit finden als in der Weiterentwicklung eines Künstlers.

Michael: Wenn man Euch in die Tradition von Schockrockern wie z.B. Alice Cooper stecken will, seht Ihr Euch damit passend getroffen, oder eher nicht?
Schwadorf:
Nein, eher nicht. Alice Cooper und dergleichen kokettieren ja mehr oder weniger nur mit dem Image des Horrors, während er bei uns kompletter Bestandteil des Konzeptes und des Ausdruckes der Band ist.

Michael: Muss ein guter Horror-Film in s/w sein?
Schwadorf:
Nein. The Fog beispielsweise ist ja auch ein Farbfilm mit einer hervorragenden Atmosphäre.

Michael: Was war Euer erster Kontakt zum Genre des Horror?
Schwadorf:
Ich habe im zarten Alter von 8 oder 9 Jahren "American Werewolf" gesehen und hatte davon wochenlang Albträume - das hat mich wirklich sehr geprägt.

Michael: In welchem Horrorfilm hättet Ihr gerne mitgespielt (und in welcher Rolle)?
Schwadorf:
Ich hätte gerne Pater Melone in "The Fog" gespielt - er hat tolle Monologe und seine Erzählung, unterlegt von der kongenialen Musik Carpenters, ist das Herzstück des Films. Mein schauspielerisches Talent hätte allerdings wohl kaum dafür gereicht.

Michael: Welches Buch müsste endlich mal verfilmt werden, damit Ihr den Soundtrack dazu verfassen könnt?
Schwadorf:
Keine Frage, At The Mountains Of Madness von Lovecraft.

Michael: Ihr habt auf Carpathia reichlich klassische Instrumente eingesetzt. Werdet Ihr zumindest einige Instrumente/Musiker auch live präsentieren, oder kommt das dann alles vom Band? Bzw. würdet Ihr gern mal mit dem Orchester auf der Bühne stehen wollen? Wenn ja, in welchem Rahmen?
Schwadorf:
Bei "normalen" Clubgigs kommt alles von Band - anders wäre der finanzielle und organisatorische Aufwand bei einer Band unserer Größenordnung nicht zu bewältigen. Wir haben allerdings ja beispielsweise schon auf dem With Full Force Festival vor zwei Jahren mit 8 zusätzlichen Musikern gespielt (inklusive Benny und Schwibs von der Letzten Instanz) und werde etwas ähnliches im Herbst dieses Jahres nochmals realisieren. Wann und Wo gibt's sicher bald zu lesen.

Michael: Wie gewichtet Ihr die Arbeit im Studio bzw. das daraus entstehende Endprodukt gegenüber den Live-Auftritten? (Was ist wichtiger; was macht mehr Spaß?)
Schwadorf:
Vor zwei, drei Jahren war ich definitiv noch ein reiner Studiotyp und Live spielen hat mir wenig bis gar keinen Spaß gemacht. Mittlerweile hat sich das allerdings gewandelt und mir bereitet das Live spielen mittlerweile ebenfalls viel Freude. Konstanz war schon immer eher der Entertainer dem das Auftreten viel Spaß bringt. Mittlerweile hat aber jeder von uns beiden vom anderen etwas gelernt. Trotz allem, für mich gibt es nach wie vor nichts Erhabeneres als das Komponieren eines Songs und die Befriedigung wenn dieser gelungen ist und einen selbst berührt.

Michael: Ihr habt Euch ja mit Eurem eigenen Studio, der Klangschmiede Studio E, einen richtig guten Namen gemacht und viele herausragende Alben produziert (ich denke da gerade an das aktuelle Dark Sanctuary Album, das sicherlich eine Herausforderung war). Seid Ihr beide daran beteiligt? Wer macht was und wie bringt Ihr das alles unter einem Hut? Welche Band würdet Ihr gern mal produzieren wollen?
Schwadorf:
Das Studio gehört mir und Martin Koller zusammen und Konstanz arbeitet dort als so genannter Freelancer mit. Er betreut hauptsächlich das kleinere Studio "Project Room" wo er sich hauptsächlich um jüngere Bands kümmert während ich im großen Studio "Studio E" vornehmlich Alben von etwas bekannteren Bands produziere. Eine meiner Traumbands wären sicherlich Entombed, ich liebe ihren rauen, unverwechselbaren Sound.

Michael: Wird es zu Carpathia noch eine richtige Tour geben, oder bleibt es bei einzelnen Festival und Club Auftritten?
Schwadorf:
Zu Carpathia gab es eine Tour mit Helrunar, die wir gerade abgeschlossen haben. Es wird aber auch dieses Jahr noch einige Clubgigs und Festivalauftritte geben. Bitte auf unserer Homepage für genaue Details nachschauen.

Michael: Gibt es schon Ideen für das dritte Album? Nach einem Konzeptalbum mit durchgehender Geschichte tut man sich ja manchmal ein wenig schwer damit, ggf. wieder „einzelne" Songs zu machen...
Schwadorf:
Es gibt schon viele Fragmente und Ideen und auch schon ganze Songs und es sieht momentan danach aus als würde es wieder ein etwas "loseres" Konzept als auf Carpathia geben. D.h., es gibt definitiv einen konzeptionellen Rahmen, aber wohl keine Geschichte die sich durch das ganze Album zieht.

Michael: Das Video zu Wolfmoon ist ja wirklich klasse gewesen! Ist zu Carpathia auch ein Clip geplant? Welchen Song würdet Ihr dafür auswählen?
Schwadorf:
Traurig aber wahr, wir hatten einen Clip zum Titelsong komplett gedreht (beim Dreh sind auch die Photos zur Platte entstanden) aber wegen der Unzuverlässigkeit einiger Leute konnten wir das Video leider niemals abschließen. Zu schade, denn was wir auf Band hatten war wirklich großartig.

Michael: Any last words?
Schwadorf:
Vielen Dank fürs Zuhören!

 

05/2006 © Michael Cichocki • The Vision Bleak