Dajana: So, jetzt
nochmal ganz offiziell: Hallo Markus ;) Heute ist der vorletzte
Tag vom zweiten Teil Eurer Set Sail To Doom & Horror Tour
2010. Der erste Teil der Tour im Frühjahr mit Alcest und
Fjoergyn war ja recht erfolgreich. Wie sieht’s jetzt kurz
vor dem Ende der Herbsttour aus?
Schwadorf: Der erste Teil der Tour im Frühjahr ist
für uns sicherlich besser gelaufen. Wahrscheinlich auch,
weil beide Bands ihre Alben grad frisch am Markt hatten und
so mehr Leute gezogen haben. Aber mit dem zweiten Teil der Tour
sind wir auch zufrieden. Wir hatten nur ein Ausfallkonzert dabei,
in Feuchtdorf in Österreich, welches… naja…
breiten wir den Mantel des Schweigens drüber. Und ich habe
so meine Befürchtungen, dass es heute Abend auch nicht
so dolle wird…
Dajana: Naja, so schlimm sieht’s nicht aus da draußen…
150 bis jetzt?
Wiebke: Nee, so viele sind das nicht, vielleicht 50…
Schwadorf: Ich hätte jetzt auch so mit 50 bis 100
Leuten gerechnet. Wir hatten immer so 150 Leute. Mit Ahab verstehen
wir uns super, ist ne tolle Band. Mit Alcest hatten wir uns
prima verstanden. Das ist auch eine Band, die ich gerne mag.
Von daher sind wir – alles in allem… sehr zufrieden
mit der Tour.
Dajana: Mit Set
Sail To Mystery habt ihr wieder ein fantastisches Album
abgeliefert. Jetzt, so n halbes Jahr später, wie waren
die Resonanzen und der kommerzielle Erfolg?
Schwadorf: Was den kommerziellen Erfolg betrifft, ist das
heutzutage schwierig zu sagen, da die Plattenverkäufe weiterhin
rückläufig sind und man gar nicht mehr abschätzen
kann, ob das jetzt wirklich erfolgreich ist oder nicht. Also
unsere ersten beiden Platten sind von den reinen Verkaufszahlen
her mit Abstand am erfolgreichsten, was natürlich daran
liegt, dass die Leute heute immer weniger und weniger CDs kaufen.
Was sich beim neuen Album positiv ausgewirkt hat, war das Artbook,
dass wir zusätzlich herausgebracht haben. Das wird von
den Fans super angenommen, weil es total schön gestaltet
wurde; da hat man einfach mehr in der Hand als nur die Musik,
die man sich eh kostenlos im Netz zieht. Von daher sind wir
mit Set Sail To Mystery sehr zufrieden. Die Resonanzen
der Presse waren sehr gut und was ich so gesehen habe in den
Lesercharts in den verschiedenen Magazinen, da stehen wir auch
gut da. Von daher würde ich schon sagen, dass unsere neue
Platte erfolgreich gelaufen ist.
Dajana: Ich persönlich
empfinde Set Sail To Mystery quasi als die Essenz Eures
bisherigen Schaffens. Ihr habt Euren Stil perfektioniert, alle
Elemente finden sich wieder. Allerdings gibt es auch nicht mehr
viel Neues. Ich würde sagen, musikalisch ist Euer Stil
ausgereizt…
Schwadorf: Hmm… weiß ich nicht. Wir haben noch
nicht mit den Arbeiten am neuen Album begonnen. Das ergibt sich
immer ganz von allein glaub ich. Also ich kann es jetzt nicht,
ob es für mich das gleiche Gefühl ist. Wenn man selbst
die Musik macht, ist das immer was anderes. Aber ich kann mir
trotzdem gut vorstellen, wenn wir anfangen an neuen Songs zu
schreiben… Eigentlich ist es immer so, dass der erste
Song vorgibt, in welche Richtung es geht. Und ich kann mir gut
vorstellen, dass wir in Zukunft mehr Songs schreiben, die in
Richtung von I Dined With The Swans oder sowas machen. Also
noch atmosphärischer, vielleicht weniger krachig und weniger
rockig. Könnte ich mir vorstellen, weiß ich aber
nicht, weil, wir haben noch nicht angefangen zu schreiben.
Dajana: Sonst würdet ihr Euch vermutlich auch nur
noch wiederholen.
Schwadorf:
Ja. Aber ich finde schon, dass wir auf unserem neuen Album auch
drei Stücke haben, die für THE VISION BLEAK
schon ziemlich ungewöhnlich sind: A Curse Of The Grandest
Kind, das Intro sozusagen, was aber für mich ein eigener
Song ist; dann I Dined With The Swans, sowas haben wir
vorher auch noch nicht gemacht, eigentlich fast eine Ballade;
und Mother Nothingness der Doom-Song. Natürlich…
du wirst immer… Jeder Musiker hat seine eigene Art Songs
zu schreiben, ein eigenes Melodieempfinden.
Dajana: Ok, angefangen
habt ihr noch nicht, aber gibt es vielleicht schon Ideen, Konzepte
in musikalischer Hinsicht?
Schwadorf: Nein, noch gar nicht. Wir wollten jetzt erstmal
nur touren. Wir haben noch ein paar Gigs bis zum Jahresende
und dann schauen wir mal ganz langsam. Ohne Hektik, ohne Stress.
Mal schauen was passiert. Wenn man dann einmal dran und der
Funke wieder da ist, dann geht es eh immer ziemlich schnell.
Schwierig ist das Reinkommen, sich Hinsetzen, anfangen, wieder
verwerfen…
Wiebke: Du produzierst
ja auch viel, inwieweit bekommst Du da Input?
Schwadorf: Ich bekomme da sehr viel Input. Das macht wahnsinnig
viel aus. Wenn ich Bands produziere, die ich mag, dann pick
ich mir schon Elemente raus und denk, sowas könnten wir
auch mal machen. Das ist schon sehr inspirierend. Aber manchmal
auch lähmend, weil man den ganzen Tag mit Musik zu tun
hat. Wenn ich einen Büro-Job machen würde, hätte
ich abends wenn ich nach Hause komme viel mehr Lust Musik zu
machen. So da hast du 8 Stunden produziert, 8 Stunden lang den
Klick vom Schlagzeug gehört, da kommst du abends heim und
willst alles andere machen, nur nichts mit Musik. Von daher
ist so ein Studiojob beides: sehr inspirierend, weil man viele
Musiker kennenlernt und deren Eigenheiten und denkt: ah, oh,
so macht der das, cool, kann ich auch mal probieren oder eine
Struktur von einem Song, die super funktioniert oder ein Thema,
dass einem total gefällt. Auf der anderen Seite hast du
aber auch so ein bisschen diesen Burn-Out, weil man wirklich
die ganze zeit nur mit Musik beschäftigt ist, dass man
privat dann keine richtige Lust mehr drauf hat.
Dajana: Lernst
Du noch was im Studio? Also jetzt von der Studiotechnik her?
Schwadorf: Man lernt nie aus. In keinem Beruf der Welt und
auch beim Musik machen nicht. Es gibt viele schlechtere Musiker,
aber viele, die besser sind als ich. Und natürlich kann
man von denen noch was lernen und ich frage dann auch.
Dajana: Ihr gebt
Euch als Band und musikalisch immer sehr mystisch und düster-romantisch.
Inwieweit gibt es da Parallelen zu Eurem Privatleben?
Schwadorf: Eigentlich gar nicht. Ich erklär das immer
so: Ich find Menschen, die keinen Abgrund haben, sind total
langweilig. Und jeder Mensch hat, glaube ich, seinen Abgrund.
Es gibt Leute, die leben den nicht aus, und andere schaffen
das eben. Und mich ist diese Beschäftigung mit diesen düsteren
Themen ist für mich wie ein Ausgleich zum Privatleben.
Privat bin ich ein total fröhlicher Mensch, der Spass am
Leben hat. Ich habe zwei Kinder daheim und stehe im Leben. Und
diese Beschäftigung mit der dunklen Seite oder mit dem
eigenen Abgrund ist für mich der Weg, wie Ying und Yang,
in Balance mit mir selbst zu bleiben. Auch den Abgrund zu schätzen,
sich wirklich damit zu befassen und nicht einfach beiseite zu
schieben. Das ist wie im Irrenhaus, die singen alle Hallelujah,
weil sie verzweifelt nach Balance suchen. Da sing keiner traurige
Lieder…
Dajana: Alle 4
Alben basieren auf Horrorliteratur und Horrorfilmen mit Vorliebe
von H.P. Lovecraft, Lord Byron, A.E. Poe, William Blake, wobei
Lovecraft ja nun ziemlich abgegrast ist… Wo findet ihr
neue Beute?
Schwadorf: Also ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das
neue Album wieder eine konzeptionelle Geschichte wird. Ich lese
gerne und viel, wenn es denn Job und Familie zulassen, was leider
viel zu selten der Fall ist. Es gibt z.B. eine Geschichte von
Algernon Blackwood die ich wirklich liebe, A Descent Into Egypt,
wo ich mir vorstellen kann, dass man die als Vorlage nimmt und
das dann vertont. Aber wie gesagt, ich hab noch keinen Plan.
Wiebke: Wie sieht
es aus so mit technischen Dingen? So mit Zeppelinen oder alte
Flugzeuge?
Schwadorf: Nee, ich bin nicht so der Technik-Freak.
Dajana: THE VISION BLEAK im alten Doppeldecker…
Schwadorf: Mit so alten Fliegermützen…
Dajana: Für’s Cover muss mal was anderes her…
genau… ein Zeppelin…
Schwadorf: Schiff hatten wir, Kutsche auch… vielleicht
die ersten Autos oder so…
Dajana: Ein Thema
muss unbedingt auf den Tisch…
Schwadorf: Hahaha… ja klar
Dajana: Empyrium ist zurück! Viele wird es freuen…
Ich schätze, die Newsmeldung hat eingeschlagen wie eine
Bombe.
Schwadorf: Ja, ich glaub schon. Also wenn ich auf die
Prophecy Facebookseite schau oder andere… da waren schon
wahnsinnig viele Einträge dazu. Ich merk es ja auch auf
Konzerten, wie oft ich darauf angesprochen werde. Am Anfang
hat es mich genervt muss ich sagen, aber mittlerweile habe ich
verstanden, wieviel diese Band den Leuten bedeutet. Und das
ist eigentlich ein sehr schmeichelhaftes Gefühl. Mittlerweile
rede ich wieder gern drüber und ich mach es ja auch wieder.
Es macht mir wahnsinnig viel Spass. Wir hatten ja von Prophecy
die Anfrage bekommen, ob wir einen Song (The Days Before
The Fall) für die Compilation machen wollen (Whom
The Moon A Nightsong Sings). Ich war am Anfang skeptisch,
weil dann ja auch direkt die Erwartungshaltung der Leute wieder
aufflammt. Dann dachte ich, lass es uns tun, auch wirklich als
Test um zu sehen, wie es sich anfühlt. Lügt man sich
in die Tasche und macht es nur aus irgendwelchem Grund und es
gefällt einem gar nicht… Aber nee, es hat sich gut
angefühlt! Es gibt diesen einen Song, und noch einen anderen,
und es gibt noch viele Ideen für mehr Songs. Es ist ne
andere Richtung und trotzdem hat es viel von den Trademarks
was Empyrium ausgemacht hat. Aber es wird auf keinen Fall eine
Wiederholung von dem, wo wir aufgehört haben.
Dajana: Und…
was ein neues Album angeht, habt ihr Euch ja sehr nebulös
geäußert… gibt es schon so was wie einen Zeitrahmen,
so Pi mal Daumen?
Schwadorf: Nee, das kann ich wirklich nicht sagen. Das kommt
auf so viele Dinge an und ich will mir da auch keinen Druck
machen. Ich hab für mich den Anspruch, dass ich bei allem
was ich mache damit zufrieden sein muss. Und gerade Empyrium
ist ein Pflänzchen, dass gehegt und gepflegt werden muss.
Wenn ich jetzt nach 10 Jahren mit etwas ankomme, mit dem ich
selbst nicht zufrieden bin, dass sich nicht perfekt anfühlt,
dann weiß ich, dass das auch die Fans merken werden. Und
das will ich nicht.
Dajana: Du bist
ja zum zweiten Mal Vater geworden, wird es demnächst eine
längere Pause in Euren Aktivitäten für die Familie
geben?
Schwadorf: Nee, kann ich nicht *Gelächter* Aber ich
beschäftige mich natürlich schon viel mit meiner Familie,
hab feste Studiozeiten und arbeite ganz normal wie jeder andere
auch, von 9 – 18 Uhr. Dann ist auch wirklich Schluss mit
dem Studio, dann geh ich nach Hause und bring meine Kinder ins
Bett. Aber eine längere Pause… das könnte ich
gar nicht. Ich brauche diese Beschäftigung, ich werd sonst
total hibbelig.
Dajana: Du bist
bekanntermaßen ein großer Fan von Dead Can Dance.
Verfolgst Du noch so, was Lisa und Brendan dieser Tage veröffentlichen?
Schwadorf: Also ich hab mir gestern noch die Ark von Brendan
Perry gekauft. Ich hab sie allerdings noch nicht gehört…
Dajana: Ich kann Dir sagen, das Album ist toll. Ich hab
es kürzlich rezensiert, das wird Dir ganz sicher gefallen.
Schwadorf: Ich hatte bisher nur den Teaser gehört,
und der war gigantisch. Außerdem liebe Brendan Perry‘s
Stimme. Für mich ist das einer der besten Sänger überhaupt.
Wenn er den Mund aufmacht, dann klebe ich am Lautsprecher. Dieser
Mann hat solch eine Aura in der Stimme, einfach unglaublich.
Brendan Perry und Nick Cave, das sind so meine Lieblingssänger.
Dajana: Oh, dann hast Du wahrscheinlich Nick Cave live
grad nicht gesehen, der war mit Grinderman auf Tour.
Schwadorf: Nee, ich gehe selten auf Konzerte, schon weil
ich auch in einer Gegend wohne, wo sich Fuchs und Hase gute
Nacht sagen.
Dajana: Dann warst Du wohl auch nicht beim Dead Can Dance
Konzert damals in Köln (2005)?
Schwadorf: Nein, leider nicht. Aber da wäre ich
hingefahren, wenn ich es denn nicht total verpasst hätte.
Mir hat keiner Bescheid gesagt... Lisa Gerrard verfolge ich
da weniger, obwohl ich ihre Stimme liebe. Der bessere Songwriter
ist natürlich Brendan Perry ;)
Dajana & Wiebke:
Ok, dann wären wir am Ende mit unseren Fragen. Jetzt kannst
Du noch ein bisschen Deine Stimme schonen und Dich von Josi
pflegen lassen und wir sehen uns dann gleich beim Konzert ;)