Als
sich herausstellte, dass ausgerechnet ZERAPHINE
den Support-Gig für die HIM-Tour machen, dürfte die
Freude im Lager der Schwarzkittel groß gewesen sein. Für
mich eine gute Gelegenheit, mit den sympathischen Berlinern über
alte Zeiten, neue Singles und das Glück zu plaudern, einen
Proberaum zu haben...
Ole:
Wir haben uns im Dezember das letzte Mal gesehen. Könnt Ihr
vielleicht mal erzählen, was seitdem bei Euch passiert ist?
Sven:
Och, einiges eigentlich. Also zum einen kam halt die Nachricht
mit der HIM-Tour und dann haben wir 'ne Single gemacht, 'ne neue,
dann haben wir dazu noch ein Video gedreht, dann haben wir noch
ein bißchen geprobt für die Tour und dann sind wir
auch schon losgefahren.
Ole:
Man hörte ja zwischendurch Schauerliches von Euch, von wegen
Krankheiten allenthalben...
Sven:
Nee, das war auf der Dezember-Tour. Bei der geht’s noch!
(lacht)
Ole:
Zur Single New Year’s Day. Frage: Warum das?
Norman:
Weil ich ein ganz großer U2-Fan bin, und ich wollte schon
immer mal einen Song von denen covern, und weil das einfach ein
großartiger Song ist, aus meiner Jugend damals. Lang ist’s
her.. (lacht) Hat mich jedenfalls sehr beeindruckt.
Ole:
Nun ist natürlich New Year’s Day so ein Knaller,
so ein Über-Hit...
Norman:
Ja, ich weiß gar nicht, ob das damals so ein Hit war...
Ole:
Zumindest nach zwanzig Jahren...
Norman:
Ja, nach zwanzig Jahren natürlich immer wieder.
Ole:
Auf jeder Abi-Party immer wieder. Zumindest zu meinen Zeiten (verständiges
Gelächter in der Runde). Ihr habt aber auch einen Hang dazu,
Euch so ganz große Sachen vorzunehmen, oder? Twist In
My Sobriety damals?
Sven: Ja, damals.
Ole:
Ja, damals. Aber das ist schon ein Riesen-Hit gewesen. Oder was
ist mit In Your Room?
Norman: Zumindest sind das alles Lieder, die sich ganz
gut bearbeiten lassen, dass man die auf seine eigene Art interpretieren
kann.
Ole:
Muss man sich Vergleiche mit den Originalen da nicht immer wieder
gefallen lassen, als wenn man eher unbekannte Sachen nimmt? Wäre
es nicht einfacher zu sagen, jetzt nehmen wir mal Stücke,
die keiner kennt und die vielleicht erst beim zweiten Durchhören
von den Leuten erkannt werden?
Sven:
Ja, dem spricht eigentlich nichts wider... (grinst) öh, dem
widerspricht eigentlich nichts. Aber darauf kommt man wahrscheinlich
eher. Aber es liegt vielleicht näher, bekannte Songs zu machen,
auch für Leute, die einen noch nicht so kennen.
Ole:
Also, quasi als Einstieg für künftige ZERAPHINE-Anhänger?
Sven:
Ja, möglicherweise. Aber zum Beispiel bei In Your Room,
das bringt einfach unheimlich Spaß, den zu spielen. Das
war jetzt zwar auch eine Single von Depeche Mode, aber das war
jetzt auch keine Nr. 1, soweit ich weiß. Da hätte man
wahrscheinlich Walking In My Shoes von dem Album nehmen müssen.
Insofern ist es nicht so, dass man nur so Riesen-Hits macht. Von
U2 hätte man dann auch eher Sunday Bloody Sunday nehmen müssen,
das wäre dann der ultimative Gassenhauer gewesen. Ich seh
das also nicht so problematisch.
Ole:
Von dem Video war jetzt schon mehrmals zu lesen, es hätte
eine „David Lynch Atmosphäre“. Was macht für
Euch David Lynch aus?
Norman:
Na ja, ein bißchen düster, ein bißchen strange
Geschichte, halt. Man muss es sich vielleicht auch ein paar Mal
angucken, damit man da durchblickt. Ist halt alles ein bißchen
merkwürdig.
Ole:
Ward Ihr eigentlich an dem Video-Konzept beteiligt?
Sven:
Es war eigentlich ein bisschen wenig Zeit, um speziell daran mitzuarbeiten.
Wir haben halt so’n Konzept vorgelegt bekommen und uns hat
die Sache an sich gefallen und so kam das dann zustande.
Ole:
Ist es nicht schwierig, sich mit einem Video irgendwo zu etablieren?
Schließlich ist es auch nur eines von vielen, das den Sendern
täglich ins Haus flattern.
Sven: Ja, total.
Ole:
Aber ohne ist es wahrscheinlich schwieriger...
Norman:
Na ja, ich meine, wenn man ein Video hat, das aber kein Mensch
spielt, ist es erstmal rausgeschmissenes Geld. Man hat natürlich
aber trotzdem die Hoffnung, dass es irgendwo gespielt wird. Aber
es ist trotzdem wahnsinnig schwierig, da man ja immer noch irgendwo
diesen Gothic-Stempel aufgedrückt bekommt. Gerade die meisten
populären Fernseh-Sender sagen dann: „Wir müssen
schon andere Sachen spielen, weil die gerade in den Charts sind.“
Ole:
Du meinst, sowas wie Oomph! ?
Norman:
Ja, ich meine, die müssen das ja tun. Und wenn die nicht
gerade acht Wochen auf Nummer eins gewesen wären, hätten
sie die auch nicht so einfach gespielt. Jedenfalls nicht in der
Rotation
Ole:
Aber das kommt doch erst dadurch auf Nr. 1, wenn es gespielt wird.
Norman:
Da war es halt so lange auf Nr. 1, weil es gespielt wurde. Wir
kennen ja schon so Ansagen wie „Das Video sollen wir spielen?
Wir müssen ja schon Tiamat spielen.“, und dann war’s
das auch schon für die Musik-Sparte und mehr passt dann da
auch nicht. Da wird die Musik auch schon sehr geprägt von,
gerade von den beiden großen Musiksendern. Die haben da
so ihre Favourites und ich denke mal, Alternative Rocker, sind
da nicht so viele in der Redaktion.
Ole:
Obwohl ich Euren Sound nicht gerade als „Alternative“
bezeichnen würde. Das hat für mich doch eher den Anstrich
von „Garage“. Und gerade Euer Sound klingt doch eigentlich
sehr, wenn man es so nennen darf, sehr „edel“.
Norman:
Aber das ist es ja, wo man den Eindruck hat, dass denen darum
gar nicht geht. Dass die es sich gar nicht unbedingt anhören
und das reinpacken, sonder der Stempel, den diese Band eben hat.
„Och, das ist ja Gothic Rock“, das reicht denen schon
Ole:
Noch etwas zum Sound und der viel gestellten Frage nach dem Einfluss?
Sven: Alles, wahrscheinlich. Und am meisten, glaube ich,
beeinflussen wir uns selbst.
Ole:
Ihr seid also autark?
Norman: Kann man so natürlich schwer sagen. Man
wird von allem beeinflusst, was man hört. Nicht unbedingt
bewusst, sondern eher unbewusst.
Michael:
Und dazu kommen natürlich alle aus anderen Richtungen und
bringen ihre Einflüsse mehr oder weniger stärker mit.
Ole:
Trotzdem klingt es doch sehr homogen.
Michael:
Na klar, das ist natürlich auch der Reiz, dass sich alles
nachher verbindet zu einer stimmigen Mischung, in irgendeiner
Form.
Ole:
Du sagst was von „unbewussten“ Einflüssen - Gibt
es denn „bewusste“ Einflüsse? (allgemeines Gelächter)
Norman:
Nee, wirklich nicht bewusst. Wir setzen uns einfach hin und fangen
an, Songs zu schreiben und die klingen dann, wie sie klingen,
halt. Es ist so, dass wir sagen: „Das Album war ein bißchen
poppiger, jetzt müssen wir mehr in die härtere Richtung
gehen.“ Nee, überhaupt nicht. Eigentlich geben es die
Songs vor, wie wir klingen. Wie die gerade so geschrieben werden.
Ole:
Songwriting ist ein gutes Stichwort. Wie geht das bei Euch ab?
Ist das wirklich so, wie man das kennt, einer setzt sich mit der
Gitarre zuhause hin und kommt danach in den Proberaum: „Jungs,
ich hab da was Neues“?
Sven: Wenn wir so ein paar Grundideen gesammelt haben,
musikalische Skizzen, dann ziehen wir uns gemeinsam zurück
und arbeiten dran. Das heißt, wir haben so einen Rechner
dabei, wo wir das ganze mal ausprobieren, also ganz viel experimentieren,
welche Gitarre passt jetzt dazu, wo sollte was passieren.
Michael: Es ist aber auch nicht so, dass da einer
im Proberaum steht und sagt: „Jetzt spiel du mal A-C-F..."
Sven:
Aber immerhin haben wir inzwischen einen Proberaum.
(allgemeines Gelächter)
Ole:
Wieso? War das vorher so schwierig?
Norman: Ja, allerdings. Das heißt, wir hatten auch
schon vorher Proberäume, aber wechselnde.
Sven: Je nachdem, wo einer frei war.
Norman:
Aber es war eh nie so, dass sich die Band dreimal die Woche im
Proberaum getroffen hat und gespielt hat, wir haben immer nur
vor Konzerten mal geprobt. Die Songwriting-Sachen haben wir dann
extra gemacht. Für die haben wir uns dann richtig Zeit genommen,
am besten auch erstmal raus aus Berlin, da hat man eh keine Ruhe.
Ole:
Wieso das?
Norman:
Na ja, weil ständig das Telefon klingelt, der eine hat dies
zu tun, der andere das. Das ist ganz schwer, die Ruhe dafür
zu finden, die Muße.
Ole:
Eine Frage zu Deinen Texten, Sven. Ich sag mal „früher“
war das bei Euch ja schon alles eindeutiger „Gothic“,
inklusive aller Klischees.
Sven:
Hm...Ich weiß nicht, man sieht, glaub ich, meine Entwicklung.
Ich glaube, ich hab einen eigenen Schreibstil gefunden, das ging
am Ende bei der Shadows los, hat sich heraus kristallisiert, die
Art mit Worten umzugehen und es geht mittlerweile weiter.
Ole:
Also, auch schon bei der Cycle...
Sven:
Also, da auf jeden Fall. Ich meine, ich hab jetzt Texte für
insgesamt sechs Alben geschrieben. Am Anfang neigt man dazu, alles
so groß wie möglich auszudrücken, aber inzwischen
kann man gewisse Klischees auch einfach rauslassen und ganz intensive
Sachen ganz einfach sagen.
Ole:
Ist das eine Frage des Alters?
Sven: Wahrscheinlich auch.
Ole:
Wie alt seid Ihr eigentlich? (verlegenes Lachen in der Runde)
Sven: Michael, wie alt bist Du?
Michael: 24.
Marcellus:
Die anderen auch so in dem Dreh. - Eher „plus“
Ole:
Auf der Single sind noch zwei andere Stücke, I’m
Numb und Sometimes. Worum geht’s da inhaltlich?
Sven:
*seufz* ach, Gott – das ist immer so eine Frage. Kann man
halt schwer beschreiben. Das ist halt der Versuch, eine Stimmung
zu transportieren.
Ole:
Ist die Single so eine Art Vorgeschmack auf etwas?
Sven:
Sicher. Wir machen auf jeden Fall ein neues Album. Was von diesen
Songs, die auf der Single drauf sind, auf dem Album überhaupt
stattfindet, muss man einfach mal sehen, ob wir das überhaupt
machen. I’m Numb ist ein Song, der in einer ganz
anderen Version entstanden ist. Und dann muss man mal gucken,
ob man nicht das eine oder andere ändert. Insofern könnte
es schon ein Vorgeschmack sein, aber wie gesagt, das kann man
jetzt überhaupt noch nicht sagen, wie die nächste Platte
soundlich werden wird. Es gibt ein paar Songs bereits, aber das
ist noch nicht genug...
Ole:
Vielleicht noch ein paar Worte zur Tour. Wie lange geht die Tour
jetzt weiter?
Sven: Bis Ostern.
Ole:
Wie war’s bis jetzt?
Sven:
Sehr gut. Wir sind schon ziemlich überwältigt von den
Reaktionen. Man sich ja schon so seine Gedanken angesichts des
Publikums, die warten alle auf HIM, da fragt man sich schon, ob
man da nicht die ganze Zeit nur beschimpft wird, aber überhaupt
nicht – im Gegenteil. Ich hab das schon so oft gesehen,
bei richtig tollen Vorbands, z.B. The Cranes von The Cure, und
das die ganze Zeit über, da macht man sich schon so seine
Gedanken.
Ole:
Ich habe heute gelesen, Ihr kennt Ville Valo schon länger.
Wie kam der Kontakt zustande?
Sven: Der war mal Shadows-Fan.
Ole:
War mal...
Sven:
Ja, gibt’s ja nicht mehr. (allgemeines Gelächter)
Ole:
HIM und ZERAPHINE – das ist ja schon ein ziemlich dickes
Konzert-Paket.
Sven: Aber ich finde, das passt wohl ganz gut zusammen.
Ole:
Ich denke, das finden andere wohl auch. Hofft Ihr, dass ganze
als eine Art „Trittbrett“ nutzen zu können?
Sven: Na ja, ich hoffe, und das tun wir ja auch, dass
wir unsere Musik Leuten vorstellen können, die uns bisher
noch nicht gehört haben.
Michael:
Das Publikum ist auf jeden Fal gemischter als bei unserer letzten
Dezember-Tour. Da ist es ganz gut, diesen anderen Bevölkerungs-Gruppen
überhaupt die Gelegenheit zu geben, uns überhaupt wahrzunehmen.
(lacht) Wenn es schon nicht im Radio läuft oder das Video
nicht gespielt wird, hat man nicht so die Möglichkeit, sich
bekannt zu machen.
Ole:
Und irgendwann endet das ganze als Star-Schnitt in der BRAVO.
Michael:
Das wäre zumindest mal ein Sprung!
Ole:
Wie war das bei Euch nach der ersten CD? Kommt da so eine Art
Druck auf, da weiter zu machen, um ja den Status, den man erreicht
hat, nicht zu verlieren?
Norman: Eigentlich überhaupt nicht. Eigentlich machen
wir uns da überhaupt keine Gedanken drum. Wir wissen einfach
nur, es ist schön, das wir noch ein nächstes Album machen
dürfen und dann machen wir einfach die Musik, die uns Spaß
macht. Da machen wir uns überhaupt keinen Druck
Michael: Das ist berechtigt, wenn das erste Album
sehr erfolgreich wird, dass Bands unter Druck geraten, wenn das
erste Album aus Material von fünf oder sechs Jahren besteht
und man innerhalb eines Jahres ein neues schreiben muss, aber
unser erstes Album ist halt auch in einem Zyklus entstanden, den
wir jetzt zur Verfügung haben, um weitere Alben zu machen.
Norman:
Es entwickelt sich oder es hält an, dass sich dieses
Album verkauft. Es war ja nicht so, dass es von einem Moment auf
den anderen geknallt hat. Es war ja von Anfang an eine ganz gesunde
Entwicklung, auch von Seiten der Plattenfirma, die sagen schon
„Macht mal (mehr oder weniger) euren Stil“, und so
ist das für die in Ordnung und so ist das für uns in
Ordnung.
Ole:
Wie fandet Ihr eigentlich Eure Vorband bei dem Auftritt gestern?
Eat The Gun kommen übrigens auch aus Münster...
Sven: Das ist jetzt nicht so die Art von Musik, die ich
mir vorstellen könnte zu machen.
Norman: Aber sie sind doch sehr gut angekommen.
Haben wohl den Laden gerockt.
Ole:
Abschließende Frage: Was macht Ihr, wenn Ihr wieder zuhause
seid?
Norman: Wäsche waschen. (Gelächter) - Und E-Mails
beantworten.
Sven:
Och, nö, das mach ich morgen noch nicht. Dann ist wieder
der ganze Tag rum.
Ole:
Na gut. Wie auch immer. Das war’s soweit. Vielen Dank! |