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Goatwhore - Angelus Apatrida - Havok

 
2012-05-05 DE – Essen - Turock

[Psycho] Was für ein krönender Abschluss einer genialen Konzertwoche: nach Rock In Den Ruinen am vorigen Samstag mit Killing Joke und Saxon und den mächtigen Judas Priest am folgenden Montag nun dieses geniale Package mit vier überaus interessanten Bands.
Dabei war mir nach den ersten Vorankündigungen gar nicht so recht klar, wer denn hier nun den Headliner geben sollte: die Heavy-Metal-Brüder von 3 INCHES OF BLOOD oder die ebenfalls fest etablierten, aber eben doch in einer ganz anderen Nische beheimateten GOATWHORE? Letztere passten für mein Dafürhalten mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Death und einigen Black Metal-Elementen eigentlich nicht so recht zum Rest der Bands, folgerichtig gab's dann die große Metal-Party erst zum Schluss… ;-)

[Psycho] Besonders gefreut habe ich mich aber, endlich mal :: HAVOK :: live sehen zu können, gehören die Jungs doch zu meinen absoluten Faves bei den neuen Thrash Metal-Bands. Mit den Maniacs aus Denver ging es vor ca. 220 Anwesenden auch direkt los. Man merkte der Band richtig an, wie heiß die Mannen um Band-Leader David Sanchez auf ihren ersten Europa-Gig waren, und dementsprechend motiviert legte man sich auf der Bühne ins Zeug. Kein Wunder also, dass der Funke sofort auf das Publikum übersprang, selten so gute Reaktionen auf eine Band gesehen, die in einem großen Package als erste auftreten musste. In unserem Interview zur ersten CD Burn hatte David ja bereits angekündigt, dass uns bei einer HAVOK-Show reichlich Action erwarten würde. Das war nicht zuviel versprochen, denn alle Musiker waren permanent am Bangen oder sonst wie in Bewegung, ohne das die musikalische Performance darunter gelitten hätte. Ein gelungener Auftritt also, der mit dem fulminanten Afterburner ein brachiales Ende fand. Sehr geil, aber mit nur 6 gespielten Songs leider doch etwas arg kurz…
[BRT] HAVOK, mir bis auf ein oder zwei Songs unbekannt, waren der ideale Opener, ungestüm, keine Gefangenen machend und ne ganze Prise jugendliches Herzblut versprühend. Etwas das viele der großen alten Thrash Bands doch inzwischen arg vermissen lassen. Hier war der Sound noch okay, doch das sollte sich im Laufe des Abends leider rapide ändern. Leider ging der Gesang allerdings etwas im Gesamtsound unter.

[Psycho] :: ANGELUS APATRIDA :: brauchten nach diesem Parforce-Ritt 2-3 Songs, bis sie annähernd die gleiche Betriebstemperatur erreicht hatten. Bis dahin hatte man den Eindruck, als ob die Spanier es zunächst mal ein wenig ruhiger angehen lassen wollten (oder etwa gar eingeschüchtert waren?), aber dann legte die Band noch eine ordentliche Schippe drauf, was sich auch sofort in den Publikumsreaktionen bemerkbar machte. Interessanter Weise gefielen mir die Sachen live sogar besser als auf CD. Auf Konserve leiden die Songs der Band ja zuweilen darunter, etwas zu zerfahren zu wirken. Live hingegen klang das hingegen alles deutlich kompakter und mehr auf den Punkt gebracht, so dass der Gesamteindruck mehr als positiv ausfiel. Daran konnte auch der jetzt schlechtere Sound nichts ändern. An die starke Stage-Performance von Havok kamen ANGELUS APATRIDA allerdings nicht ganz ran, aber trotzdem war auch dieser Auftritt schon nach viel zu kurzer Zeit und 7 gespielten Songs wieder vorbei. Zumindest mein Lieblingsstück National Disgrace hätten die Jungs ruhig noch spielen dürfen…
[BRT] ANGELUS APATRIDA gingen im vergleich zu Havok ein wenig gebremster zu Werke, was vermutlich am etwas komplexeren Songmaterial lag. Was Havok an Energie rüberbrachten, glichen ANGELUS APATRIDA aber durch Ausstrahlung und Charisma aus. Das Songmaterial gefiel mir einen Tacken besser als bei Havok, aber auch hier ging der Gesang im zunehmenden Soundbrei unter. Der Sound wurde zunehmend lauter und übersteuerter, aber keineswegs besser.

[Psycho] Bei :: GOATWHORE :: wurde es dann erstmal etwas leerer vor der Bühne, den meisten Leute im Publikum stand halt der Sinn wohl mehr nach Thrash und Power Metal, oder von mir aus auch mehr nach Party als nach pechschwarzem Armageddon. Zusätzlich hatten die Amis auch am meisten mit dem Sound zu kämpfen, der viel zu laut und übersteuert aus den Boxen kam und so kaum mehr als Brei erkennen ließ (sofern man sich nicht was in die Ohren gestopft hatte).
Trotzdem konnte die Band mit immer längerer Spielzeit die Halle wieder gut auffüllen. Woran lag’s? Zum einen am viel zu guten Songmaterial, welches neben ordentlichem Geprügel auch Raum für abwechslungsreiche Riffs und Arrangements lässt, vor allem aber an Fronter L. Ben Falgoust II, der nicht nur über ein extrem garstiges Organ, sondern auch über eine enorme Bühnenpräsenz verfügt. Mit dieser Mischung, unterstützt durch die sehr tighte Rhythmus-Sektion, erarbeiteten (oder besser erkämpften) sich GOATWHORE letztendlich doch einen reichlich verdienten Erfolg beim Essener Publikum. Die zum Verkauf angebotenen Tanga-Slips fand ich aber trotzdem total daneben…
[BRT] Inzwischen war die Soundqualität bei unterirdisch angelangt und normalerweise hätte ich mir deshalb mal ne Pause gegönnt, aber GOATWHOREs Southern-Death-Black-Metal Gemisch sprach mich doch schon sehr an, tightes Geprügel welches mich ein wenig an Soilent Green erinnert und dazu Frontmann L. Ben Falgoust II der eine absolut imposante Bühnenerscheinung hergibt. Für mich auch deshalb bis dahin die beste Band des Abends, auch wenn der Soundmann sich alle Mühe gab jeglichen Hörspaß zu torpedieren.

[Psycho] Auch auf :: 3 INCHES OF BLOOD :: war ich dann mehr als gespannt. Genau genommen habe ich die Band erst vor etwas mehr als einem halben Jahr so richtig für mich entdeckt, in dieser Zeit aber durchaus sehr schätzen gelernt. Woran das starke neue Album Long Live Heavy Metal (jawoll!) nicht ganz unschuldig ist…
Über die Jahre hinweg hat die Popularität der Kanadier ganz schön zugenommen; hilfreich war dabei sicherlich das generelle momentane Interesse an eher traditionellem Metal mit ordentlich Bums. Folglich ging es jetzt vor der Bühne wieder dichter gedrängt zu, und sowohl Band als auch Fans hatten Bock, so richtig schön abzufeiern. Da brauchten sich Sänger Cam Pipes und seine Mitstreiter eigentlich gar nicht besonders anstrengen, was sie aber natürlich trotzdem taten… ;-)
Mit grandiosen Songs wie Metal Woman, Trial Of Champions (endlich mal ohne das blöde Orgel-Gedudel im Refrain), Deadly Sinner, Die For Gold, Battles And Brotherhood oder der neuen Bandhymne Leather Lord und viel Twin-Guitar-Power konnte da aber auch mal gar nichts schiefgehen, selbst wenn man sich an der einer oder anderen Stelle das Lachen aufgrund der massiv aufgefahrenen Klischees nicht ganz verkneifen konnte. Da sich aber 3 INCHES OF BLOOD selber ebenfalls nicht bierernst nehmen und dabei trotzdem ganz auf die Musik konzentriert bleiben, geht das so natürlich völlig in Ordnung.
Neu-Basser Byron Stroud wirkte noch nicht zu 100% integriert, war aber einfach viel zu routiniert, als dass dieser Umstand die Show in irgendeiner Weise hätte negativ beeinflussen können. Einzig um Cams Stimme muss man sich wirklich Sorgen machen; ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass er die Leistung dieses Abends die ganze Tour über wiederholen kann.
[BRT] 3 INCHES OF BLOOD, klassicher traditioneller Metal und textliche Klischees, bei denen selbst Manowar Angst und Bange werden muss, also eigentlich alles, was der Metaller zum feiern, bangen und mitgröhlen braucht. Dementsprechend voll war es vor der Bühne und die Band hatte ihr Publikum sofort voll im Griff. Bei mir sprang der Funken aber irgendwie nicht wirklich über, der Sound wurde noch matschiger, spielerische Feinheiten konnte man fast gar nicht mehr heraushören und der schon recht krass-hohe und extreme Gesang klang bei dem Versuch das Dezibel-Inferno zu übertönen einfach nur noch quiekig. Sollte die Stimme von Frontmann Cam das Ende der Tour noch überleben, wäre das echt erstaunlich... Schade, den eigentlich haben 3 INCHES OF BLOOD alles, was ein veritabler Headliner braucht... ich weiss das für viele Metal = Laut bedeutet, dann sollte man allerdings auch Soundmänner einstellen, die das Problem anpacken können.

[Psycho] Tja, und dann war es auch schon wieder vorbei. Und zwar ohne jede Zugabe, nicht mal vom Headliner, obwohl von der Meute lautstark gefordert. Das hat man so auch nicht alle Tage…
Hat aber trotzdem reichlich Spaß gemacht, und über die 19,- Euro Eintritt kann es auch nur eine Meinung geben: ein mehr als fairer Preis für das, was man da geboten bekam. Dass bei so vielen Bands nicht immer ausreichend Raum bleibt, um sich adäquat zu präsentieren, ist selbstverständlich bedauerlich, allerdings ist bei den meisten Touren eine Qualitätsdichte wie hier einfach nicht gegeben. Was die Frage nach der Sinnhaftigkeit solcher schlechten Tourzusammenstellungen eigentlich an sich schon beantwortet…
Insofern will ich in diesem Fall auch mal nicht meckern. Wäre jedoch trotzdem schön, wenn der Mann am Mischpult demnächst nicht Lautstärke mit transparentem Sound verwechseln würde; das war dann aber auch schon der einzige Wermutstropfen dieses Abends…
[BRT] Der Preis für vier Bands dieser Größenordung war absolut super, mir hat die Zusammenstellung sehr gut gefallen, schön abwechslungsreich, auch wenn ich drei Bands pro Abend für mehr als ausreichend halte, buddhaseidank wurde das Package nicht mit ein paar weiteren Bands künstlich aufgeblasen. Der oder die Soundmänner gehören allerdings zum Mond geschossen, ein paar Dezibel weniger und dafür ein klarer transparenter Sound wäre hier wirklich sinnvoll gewesen.

 

story © Psycho & BRT • pics © Jörg Litges