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anathema

 
2008-10-13 DE – Bochum - Matrix

The Hindsight Tour

[Dajana] 4 Jahre ist es her, das die Liverpooler Düsterrocker die Matrix beehrten, um ihr damaliges Album A Natural Disaster unter die Leute zubringen. Seitdem haben ANATHEMA ein ziemliches Schattendasein gefristet, wurden vom Label fallengelassen, ohne ein neues zu finden und hatten auch so allerlei Probleme. Zwischendrin waren die Jungs jedoch fleißig auf Tour, mehrfach mit Porcupine Tree, ein perfektes Package das immer unter die Haut ging.
2008 haben es ANATHEMA endlich geschafft, das lang angekündigte Album Hindsight zu veröffentlichen, was allerdings nur einen neuen Song enthält, der Rest sind akustisch/symphonisch aufbereitete alte Stücke. Trotzdem schön und ein Grund, sich live wieder blicken zu lassen, und das als Headliner, was natürlich eine entsprechende Spielzeit erwarten ließ… ;)

:: Fotos ::

[Dajana] Also ab in die Bochumer Matrix, deren Zeiten einen immer wieder verwirren. Nach angekündigten Öffnungszeiten von 18 Uhr und einem Beginn um 19 Uhr, öffneten die Türen erst nach Sieben und die Show begann um 8. Hmm. Das Kölner Getränkeprinzip scheint sich in Bochum ebenfalls rumgesprochen zu haben… die Belüftungsanlage blieb aus und damit wurde es schnell verdammt heiß in der Tube, bei gerade mal 350 Nasen… Naja…

[Dajana] Das französische Multitalent Nicolas Chapel alias :: DEMIANS :: eröffnete den Abend, verstärkt mit einem Schlagwerker und Bassisten. Knapp 50 Minuten gab es eine fantastische Reise durch das atemberaubende Debüt Building An Empire, welches mit dem 15 Minütigen und unglaublich intensiven Sand ihr Ende findet.
[Jochen] Was bereits beim Support unangenehm auffiel (und beim Hauptact nicht besser wurde), war der lausige Sound in der Matrix, der vor allem den schnellen Einstieg und die kürzeren Zwischenstücke, die The Perfect Symmetry und Sand rahmten, nachhaltig in Richtung breiiges 08/15 Geknüppel verschob. Hier war nichts zu spüren von der vielfach berufenen Nähe zu Porcupine Tree. Richtig stark waren DEMIANS, wenn sie sich Zeit ließen, ihre Ideen ruhig entwickelten und erst peu a peu in härtere Gefilde vorstießen. Auf jeden Fall eine Band mit Potenzial, von der man hoffentlich noch Bemerkenswertes, in adäquater Umgebung, hören wird.

[Dajana] :: ANATHEMA :: werden danach lautstark begrüßt und eröffnen ihr Set geradezu klassisch mit Deep und Closer. Der bereits bei Demians schon matschige Sound wird noch unausgewogener, Vincent Cavanaghs Gitarre und Gesang sind furchtbar leise, während es bei einer der Boxen wohl einen Wackelkontakt gibt und selbige hin und wieder mal ausfällt. Der Monitorsound scheint okay zu sein, denn die Band bekommt scheinbar nichts mit. Es ist dunkel, total vernebelt und die drei Brüder nicht mehr als Schattengestalten. Keyboarder Lez und Drummer John tauchen nur sporadisch aus dem Nebel auf. Die Fans nehmen es gelassen und feiern ANATHEMA ungemein enthusiastisch ab. Jeder Song wird mitgesungen und der vielstimmige Chor findet insbesondere bei den Klassikern seine Höhepunkte. Mit Gänsehaut Garantie. Derweil scheinen sich ANATHEMA bei ihren eigenen Songs nicht mehr auszukennen, die inzwischen mehrfach umgestrickt und passend zum aktuellen Album Hindsight eher ruhig interpretiert wurden. Es gab jedenfalls den einen oder anderen deutlichen Verspieler, auch fand Sänger Vincent nicht immer den richtigen Einsatz oder die richtige Textzeile.

[Jochen] Es ist nicht unproblematisch auf Tour zu gehen, wenn das letzte reguläre Album mehrere Jahre zurück liegt und eine Band die Bühne besteigt, um olle Kamellen zum Besten zu geben. Entweder ist die Grundlage solcher Auftritte, die Freude am gemeinsamen Musizieren oder ein Versuch, alte Songs in neuem Gewand zu präsentieren. Ersteres will ich ANATHEMA gar nicht absprechen, teilweise agierten vor allem die drei Frontleute recht enthusiastisch, wobei Vincents Aktivitäten mitunter zum bloßen Posing gerieten; hauptsächlich aufgrund der bereits von Cal benannten Soundprobleme. Dass das Publikum als „best audience so long“ betitelt wurde, war nicht bar jeder Ironie, denn das Bochumer Konzert war erst das Sechste der Tour. Was die Neuorientierung angeht, so ist der Wille wohl da, aber die Umsetzung gerät nur halbherzig. Zwar immer noch elegisch, aber insgesamt härter als auf dem semi-akustischen Hindsight Album, pendelt die Band augenscheinlich zwischen der Sehnsucht eine feste Größe im engagierten Alternative-Rock melancholischer Ausprägung zu werden und zugleich headbangende Momente nicht auszuschließen. Allerdings existieren bereits etliche Bands, die diese Gratwanderung besser hinbekommen. Dabei brauchen ANATHEMA ihr Licht gar nicht unter den Scheffel zu stellen; sie sind meisterlich darin bewegende Stimmungen zu erzeugen, und immer wenn sie drauflos spielten, ganz egal ob verträumt oder verschärft, das Publikum mit einbezogen, wurde es warm ums Herz und auch der Bewegungsapparat bekam seinen Teil zu tun. Geboren für eine charismatische Show, bremste sich die Band leider viel zu oft selbst aus. Und Vincents Versuche am Vocoder gehören zwar noch zu den besseren mit dem unsäglichen Stimmverzerrer, aber so wirklich braucht niemand dieses Ding im gewählten Umfeld. Das überlassen doch lieber Cher.
So lieferten ANATHEMA zwei Stunden Unterhaltung voller Höhen und Tiefen: mal ergreifend, mal öde, orientierungslos und dann doch wieder fähig Songs und Inhalte auf den Punkt zu bringen. Eine Phase des Übergangs, wobei die spannendste Frage sich erst nach dem Konzert stellte: was kommt danach? Kommt überhaupt (noch) was???
Setlist: Deep, Closer, Far Away, Angels Walk Among Us, A Simple Mistake, Anyone Anywhere, Empty, Judgement/Panic, Shroud Of False, Lost Control, Regret, Hope, Temporary Peace, Flying, Are You There, One Last Goodbye // Angelica, Sleepless, Hindsight

[Dajana] Insgesamt also ein eher durchwachsender Abend mit mäßigem Sound und Licht, eine überaus begeisternde Performance von DEMIANS und eine frenetisch aufgenommene Show von ANATHEMA.
[Jochen] Dem kann ich mich nur vorbehaltlos anschließen ;)

 

 

story Jochen & Dajana • pics © Dajana