The
Hindsight Tour
[Dajana]
4 Jahre ist es her, das die Liverpooler Düsterrocker die
Matrix beehrten, um ihr damaliges Album A Natural Disaster
unter die Leute zubringen. Seitdem haben ANATHEMA ein ziemliches
Schattendasein gefristet, wurden vom Label fallengelassen, ohne
ein neues zu finden und hatten auch so allerlei Probleme. Zwischendrin
waren die Jungs jedoch fleißig auf Tour, mehrfach mit Porcupine
Tree, ein perfektes Package das immer unter die Haut ging.
2008 haben es ANATHEMA endlich geschafft, das lang angekündigte
Album Hindsight zu veröffentlichen, was allerdings
nur einen neuen Song enthält, der Rest sind akustisch/symphonisch
aufbereitete alte Stücke. Trotzdem schön und ein Grund,
sich live wieder blicken zu lassen, und das als Headliner, was
natürlich eine entsprechende Spielzeit erwarten ließ…
;)
::
Fotos ::
[Dajana]
Also ab in die Bochumer Matrix, deren Zeiten einen immer wieder
verwirren. Nach angekündigten Öffnungszeiten von 18
Uhr und einem Beginn um 19 Uhr, öffneten die Türen erst
nach Sieben und die Show begann um 8. Hmm. Das Kölner Getränkeprinzip
scheint sich in Bochum ebenfalls rumgesprochen zu haben…
die Belüftungsanlage blieb aus und damit wurde es schnell
verdammt heiß in der Tube, bei gerade mal 350 Nasen…
Naja…
[Dajana]
Das französische Multitalent Nicolas Chapel alias ::
DEMIANS
:: eröffnete den Abend, verstärkt mit einem
Schlagwerker und Bassisten. Knapp 50 Minuten gab es eine fantastische
Reise durch das atemberaubende Debüt Building An Empire,
welches mit dem 15 Minütigen und unglaublich intensiven Sand
ihr Ende findet.
[Jochen] Was bereits beim Support unangenehm auffiel (und
beim Hauptact nicht besser wurde), war der lausige Sound in der
Matrix, der vor allem den schnellen Einstieg und die kürzeren
Zwischenstücke, die The Perfect Symmetry und Sand
rahmten, nachhaltig in Richtung breiiges 08/15 Geknüppel
verschob. Hier war nichts zu spüren von der vielfach berufenen
Nähe zu Porcupine Tree. Richtig stark waren DEMIANS,
wenn sie sich Zeit ließen, ihre Ideen ruhig entwickelten
und erst peu a peu in härtere Gefilde vorstießen. Auf
jeden Fall eine Band mit Potenzial, von der man hoffentlich noch
Bemerkenswertes, in adäquater Umgebung, hören wird.
[Dajana]
:: ANATHEMA
:: werden danach lautstark begrüßt und eröffnen
ihr Set geradezu klassisch mit Deep und Closer.
Der bereits bei Demians schon matschige Sound wird noch unausgewogener,
Vincent Cavanaghs Gitarre und Gesang sind furchtbar leise, während
es bei einer der Boxen wohl einen Wackelkontakt gibt und selbige
hin und wieder mal ausfällt. Der Monitorsound scheint okay
zu sein, denn die Band bekommt scheinbar nichts mit. Es ist dunkel,
total vernebelt und die drei Brüder nicht mehr als Schattengestalten.
Keyboarder Lez und Drummer John tauchen nur sporadisch aus dem
Nebel auf. Die Fans nehmen es gelassen und feiern ANATHEMA
ungemein enthusiastisch ab. Jeder Song wird mitgesungen und der
vielstimmige Chor findet insbesondere bei den Klassikern seine
Höhepunkte. Mit Gänsehaut Garantie. Derweil scheinen
sich ANATHEMA bei ihren eigenen Songs nicht mehr auszukennen,
die inzwischen mehrfach umgestrickt und passend zum aktuellen
Album Hindsight eher ruhig interpretiert wurden.
Es gab jedenfalls den einen oder anderen deutlichen Verspieler,
auch fand Sänger Vincent nicht immer den richtigen Einsatz
oder die richtige Textzeile.
[Jochen]
Es ist nicht unproblematisch auf Tour zu gehen, wenn das letzte
reguläre Album mehrere Jahre zurück liegt und eine Band
die Bühne besteigt, um olle Kamellen zum Besten zu geben.
Entweder ist die Grundlage solcher Auftritte, die Freude am gemeinsamen
Musizieren oder ein Versuch, alte Songs in neuem Gewand zu präsentieren.
Ersteres will ich ANATHEMA gar nicht absprechen, teilweise
agierten vor allem die drei Frontleute recht enthusiastisch, wobei
Vincents Aktivitäten mitunter zum bloßen Posing gerieten;
hauptsächlich aufgrund der bereits von Cal benannten Soundprobleme.
Dass das Publikum als „best audience so long“ betitelt
wurde, war nicht bar jeder Ironie, denn das Bochumer Konzert war
erst das Sechste der Tour. Was die Neuorientierung angeht, so
ist der Wille wohl da, aber die Umsetzung gerät nur halbherzig.
Zwar immer noch elegisch, aber insgesamt härter als auf dem
semi-akustischen Hindsight Album, pendelt die Band
augenscheinlich zwischen der Sehnsucht eine feste Größe
im engagierten Alternative-Rock melancholischer Ausprägung
zu werden und zugleich headbangende Momente nicht auszuschließen.
Allerdings existieren bereits etliche Bands, die diese Gratwanderung
besser hinbekommen. Dabei brauchen ANATHEMA ihr Licht gar
nicht unter den Scheffel zu stellen; sie sind meisterlich darin
bewegende Stimmungen zu erzeugen, und immer wenn sie drauflos
spielten, ganz egal ob verträumt oder verschärft, das
Publikum mit einbezogen, wurde es warm ums Herz und auch der Bewegungsapparat
bekam seinen Teil zu tun. Geboren für eine charismatische
Show, bremste sich die Band leider viel zu oft selbst aus. Und
Vincents Versuche am Vocoder gehören zwar noch zu den besseren
mit dem unsäglichen Stimmverzerrer, aber so wirklich braucht
niemand dieses Ding im gewählten Umfeld. Das überlassen
doch lieber Cher.
So lieferten ANATHEMA zwei Stunden Unterhaltung voller
Höhen und Tiefen: mal ergreifend, mal öde, orientierungslos
und dann doch wieder fähig Songs und Inhalte auf den Punkt
zu bringen. Eine Phase des Übergangs, wobei die spannendste
Frage sich erst nach dem Konzert stellte: was kommt danach? Kommt
überhaupt (noch) was???
Setlist: Deep, Closer, Far Away, Angels Walk Among Us,
A Simple Mistake, Anyone Anywhere, Empty, Judgement/Panic, Shroud
Of False, Lost Control, Regret, Hope, Temporary Peace, Flying,
Are You There, One Last Goodbye // Angelica, Sleepless, Hindsight
[Dajana]
Insgesamt also ein eher durchwachsender Abend mit mäßigem
Sound und Licht, eine überaus begeisternde Performance von
DEMIANS und eine frenetisch aufgenommene Show von ANATHEMA.
[Jochen] Dem kann ich mich nur vorbehaltlos anschließen
;)