Es
ist einfach wunderbar, dass es nach einem Album Release oft gleich
eine Tour gibt. Wenn man nämlich die Band gerade über
das neue Album kennen und sehr schätzen gelernt hat, kann
man sich von den Qualitäten derselben sofort auch live überzeugen
lassen.
So nahm ich die Gelegenheit war und gönnte mir ein Wochenende
in London, gekrönt von einem DIARY OF DREAMS
Gig aus der Nigredo-Tour im Londoner The
Underworld.
Lange
harrten wir aus in Nieselregen und kaltem Wind vor dem Worlds
End bis uns Einlass in die „Unterwelt“ gewährt
wurde. Der Club im Untergeschoss mit großem Barbereich im
vorderen Raum wirkte nicht sehr einladend, aber angemessen düster.
Der „Konzertraum“ war klein, die Bühne noch kleiner
und merkwürdig aufgeteilt. Es war kalt. Nur einige Fans versammelten
sich schon im Zuschauerbereich. So war es ein Leichtes, sich direkt
an der Bühne zu platzieren.
::
Fotos ::
Nach einer
weiteren Ewigkeit betrat PSYCHE
Sänger Darrin Huss die Bühne und stellte einen großen
Teil von PSYCHE’s neuem Longplayer The
11th Hour, sowie eine ganze Reihe älterer Songs
vor – Darrin hatte sogar den Song Misery vom 89er
Album The Influence im Gepäck,
der das Programm abrundete.
Unterstützt wurde er von DOD-Mann Bernd Servos, der recht
unmotiviert die Tasten drückte, was man ihm nicht übel
nehmen konnte, war es doch nur zu offensichtlich, dass das Keyboard
nur als eine Art Tarnung für den viel wichtigeren MP3-Player
diente.
Darrins Gesang und Show waren überzeugend und rissen die
handvoll Fans durchaus mit. Höhepunkt war aber ganz klar
seine Performance von Goodbye Horses (Lazarus Coverversion),
bei dem alle DIARY OF DREAMS Musiker –
bis auf Adrian – am Bühnenrand standen und mitsangen.
Nach einem
kurzen Umbau blieb die Bühne wieder lange leer und alle blickten
immer wieder dahin, wo sich der schwarz verhängte Hintergrund
wie ein Vorhang teilte. Dann veränderte sich das Licht und
die Live-Besetzung von DIARY
OF DREAMS betrat die Bühne. Die Gesichter waren
schwarz verschmiert – nur bei näherem Hinsehen konnte
man erkennen, dass die schwarze Schminke in Mustern aufgetragen
war. Sänger und Mastermind Adrian Hates war ungeschminkt
und trug, wie auch Gitarrist Gaun:A, einen langen schwarzen Mantel
zur Gitarre, die blonde Haarpracht hatte er in einen strengen
Zopf gebändigt. Kaum glauben konnte ich, dass es wirklich
Torben Wendt war, der sich hinter die Synthesizer stellte.
Druckvoll begann der Auftritt mit dem Titelsong der neuen EP MenschFeind
und ging zu meiner großen Freude gleich kraftvoll weiter
mit Reign Of Chaos vom Album Nigredo.
Die sehr spärliche Lightshow war dennoch sehr schön
abgestimmt. Und es war wunderschön, zu erleben, wie auch
britische Fans aus vollem Halse zu Stücken wie Traumtänzer
mitsangen. Überhaupt fand ich es sehr interessant zu beobachten,
was für Menschen sich zum Konzert eingefunden hatten und
dass es nicht gerade wenige waren. Gut, der Zuschauerraum war
nicht wirklich voll, aber die Menschenmenge reichte aus, um für
zurückhaltende, doch gute Konzertatmosphäre zu sorgen.
Vor allem ein fast fanatischer Fan mit Nigredo-Banner-Tattoo auf
dem Arm ist mir in lieber Erinnerung geblieben, der immer wieder
„Adrian-Adrian“ skandierte und sich auch ein „Adrian,
I love you“ nicht verkneifen wollte, obwohl seine Freundin
neben ihm stand...
DIARY OF DREAMS stellten eine große Auswahl
an Stücken vor, die sorgfältig und gut zusammengestellt
waren. Mir persönlich haben allerdings ein paar von den Perlen
der Nigredo gefehlt, gerade auch weil
die Tour ja unter dem Titel des Albums lief.
Mit gleich zwei E-Gitarren auf der Bühne hätte man sich
ein gitarrenlastiges Konzert vorgestellt, doch oft genug konnte
ich kaum Gitarrenklänge ausmachen, obwohl gerade Gaun:A sein
Instrument mit großer Inbrunst bearbeitete. Das müssen
dann wohl die Stücke gewesen sein, über die Gaun:A zu
sagen pflegt, dass es eben diejenigen gibt, bei denen man meint,
keine Gitarren zu hören, obwohl sie im ganzen Song vorhanden
sind – im Gegensatz zu solchen, in denen man sie zu hören
meint, obwohl keine einzige gespielt wird.
Für 1A-Live-Athmosphäre sorgte der Drummer Beam (Feindflug),
der agil und irgendwie dämonisch hinter dem umfangreichen
Schlagzeug stand – ja: stand!
Torben Wendt – zu ihm braucht man ja nicht viel zu sagen,
da alle wissen, wie souverän und konzentriert er die Keys
beherrscht. Mit Sicherheit spielte auch er nicht alles live, doch
bemühte er sich beim Playback sehr um Authentizität.
Auch Adrians charismatische Stimme braucht man nicht weiter zu
kommentieren. Professionell setzte er sie ein und ließ sich
nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn er während der ersten
Hälfte des Auftritts angespannt und unnahbar wirkte und auch
späterhin kaum auftaute, obwohl er sich natürlich nach
und nach des Mantels und des Haargummis entledigte. Die Gitarre
passte irgendwie gut zu ihm und ich fragte mich immer wieder,
warum er sie nicht mehr einsetzt in seiner Musik, ist er doch
mit dem klassischen Pendant dieses Instruments so gut wie aufgewachsen.
Zwei Mal verschwanden die Jungs von der Bühne, um mit Nachdruck
vom Publikum zurückgefordert zu werden. Der Abschluss des
Konzertes bildete den absoluten Höhepunkt mit einer Akustikperformance
von AmoK: nur Adrians Gesang und Torben am Piano –
einfach wunderschön.
Die familiäre Stimmung dieses kleinen Konzertes kam aber
erst richtig bei der After-Show-Party auf, als sich sämtliche
Musiker im Barbereich einfanden und mit jedem, der sie ansprach,
einen lockeren Plausch hielten.
Kein Wunder
also, dass mich DIARY OF DREAMS live auch völlig
überzeugt haben, obwohl ich vorher skeptisch war, ob ich
mich mit der Liveumsetzung von elektronischer Musik generell anfreunden
könne, da ja irgendetwas immer Playback bleiben muss.
Voller schöner Eindrücke ging es im Bus durchs verregnete
London zurück zur Unterkunft, nicht ohne einen vorerst letzten
Blick auf das The
Underworld und den dahinter geparkten Nightliner
der Band zu werfen.
Man darf wohl schon jetzt gespannt und voller Erwartung sein auf
ein neues Album und die dazugehörige Tournee.
Setlist:
MenschFeind, Reign Of Chaos, The Curse, Giftraum, End Of Flowers,
Methusalem, Chemicals, But The Wind Was Stronger, Play God!, Butterfly:
Dance!, Soul Stripper, Sin Skinner, O’Brother Sleep, Kindrom
// Traumtänzer, She // Panic, AmoK (piano version)