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2005-02-20 GB – London - The Underworld

Es ist einfach wunderbar, dass es nach einem Album Release oft gleich eine Tour gibt. Wenn man nämlich die Band gerade über das neue Album kennen und sehr schätzen gelernt hat, kann man sich von den Qualitäten derselben sofort auch live überzeugen lassen.
So nahm ich die Gelegenheit war und gönnte mir ein Wochenende in London, gekrönt von einem DIARY OF DREAMS Gig aus der Nigredo-Tour im Londoner The Underworld.

Lange harrten wir aus in Nieselregen und kaltem Wind vor dem Worlds End bis uns Einlass in die „Unterwelt“ gewährt wurde. Der Club im Untergeschoss mit großem Barbereich im vorderen Raum wirkte nicht sehr einladend, aber angemessen düster. Der „Konzertraum“ war klein, die Bühne noch kleiner und merkwürdig aufgeteilt. Es war kalt. Nur einige Fans versammelten sich schon im Zuschauerbereich. So war es ein Leichtes, sich direkt an der Bühne zu platzieren.

:: Fotos ::

Nach einer weiteren Ewigkeit betrat PSYCHE Sänger Darrin Huss die Bühne und stellte einen großen Teil von PSYCHE’s neuem Longplayer The 11th Hour, sowie eine ganze Reihe älterer Songs vor – Darrin hatte sogar den Song Misery vom 89er Album The Influence im Gepäck, der das Programm abrundete.
Unterstützt wurde er von DOD-Mann Bernd Servos, der recht unmotiviert die Tasten drückte, was man ihm nicht übel nehmen konnte, war es doch nur zu offensichtlich, dass das Keyboard nur als eine Art Tarnung für den viel wichtigeren MP3-Player diente.
Darrins Gesang und Show waren überzeugend und rissen die handvoll Fans durchaus mit. Höhepunkt war aber ganz klar seine Performance von Goodbye Horses (Lazarus Coverversion), bei dem alle DIARY OF DREAMS Musiker – bis auf Adrian – am Bühnenrand standen und mitsangen.

Nach einem kurzen Umbau blieb die Bühne wieder lange leer und alle blickten immer wieder dahin, wo sich der schwarz verhängte Hintergrund wie ein Vorhang teilte. Dann veränderte sich das Licht und die Live-Besetzung von DIARY OF DREAMS betrat die Bühne. Die Gesichter waren schwarz verschmiert – nur bei näherem Hinsehen konnte man erkennen, dass die schwarze Schminke in Mustern aufgetragen war. Sänger und Mastermind Adrian Hates war ungeschminkt und trug, wie auch Gitarrist Gaun:A, einen langen schwarzen Mantel zur Gitarre, die blonde Haarpracht hatte er in einen strengen Zopf gebändigt. Kaum glauben konnte ich, dass es wirklich Torben Wendt war, der sich hinter die Synthesizer stellte.
Druckvoll begann der Auftritt mit dem Titelsong der neuen EP MenschFeind und ging zu meiner großen Freude gleich kraftvoll weiter mit Reign Of Chaos vom Album Nigredo.
Die sehr spärliche Lightshow war dennoch sehr schön abgestimmt. Und es war wunderschön, zu erleben, wie auch britische Fans aus vollem Halse zu Stücken wie Traumtänzer mitsangen. Überhaupt fand ich es sehr interessant zu beobachten, was für Menschen sich zum Konzert eingefunden hatten und dass es nicht gerade wenige waren. Gut, der Zuschauerraum war nicht wirklich voll, aber die Menschenmenge reichte aus, um für zurückhaltende, doch gute Konzertatmosphäre zu sorgen. Vor allem ein fast fanatischer Fan mit Nigredo-Banner-Tattoo auf dem Arm ist mir in lieber Erinnerung geblieben, der immer wieder „Adrian-Adrian“ skandierte und sich auch ein „Adrian, I love you“ nicht verkneifen wollte, obwohl seine Freundin neben ihm stand...
DIARY OF DREAMS stellten eine große Auswahl an Stücken vor, die sorgfältig und gut zusammengestellt waren. Mir persönlich haben allerdings ein paar von den Perlen der Nigredo gefehlt, gerade auch weil die Tour ja unter dem Titel des Albums lief.
Mit gleich zwei E-Gitarren auf der Bühne hätte man sich ein gitarrenlastiges Konzert vorgestellt, doch oft genug konnte ich kaum Gitarrenklänge ausmachen, obwohl gerade Gaun:A sein Instrument mit großer Inbrunst bearbeitete. Das müssen dann wohl die Stücke gewesen sein, über die Gaun:A zu sagen pflegt, dass es eben diejenigen gibt, bei denen man meint, keine Gitarren zu hören, obwohl sie im ganzen Song vorhanden sind – im Gegensatz zu solchen, in denen man sie zu hören meint, obwohl keine einzige gespielt wird.
Für 1A-Live-Athmosphäre sorgte der Drummer Beam (Feindflug), der agil und irgendwie dämonisch hinter dem umfangreichen Schlagzeug stand – ja: stand!
Torben Wendt – zu ihm braucht man ja nicht viel zu sagen, da alle wissen, wie souverän und konzentriert er die Keys beherrscht. Mit Sicherheit spielte auch er nicht alles live, doch bemühte er sich beim Playback sehr um Authentizität.
Auch Adrians charismatische Stimme braucht man nicht weiter zu kommentieren. Professionell setzte er sie ein und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn er während der ersten Hälfte des Auftritts angespannt und unnahbar wirkte und auch späterhin kaum auftaute, obwohl er sich natürlich nach und nach des Mantels und des Haargummis entledigte. Die Gitarre passte irgendwie gut zu ihm und ich fragte mich immer wieder, warum er sie nicht mehr einsetzt in seiner Musik, ist er doch mit dem klassischen Pendant dieses Instruments so gut wie aufgewachsen.
Zwei Mal verschwanden die Jungs von der Bühne, um mit Nachdruck vom Publikum zurückgefordert zu werden. Der Abschluss des Konzertes bildete den absoluten Höhepunkt mit einer Akustikperformance von AmoK: nur Adrians Gesang und Torben am Piano – einfach wunderschön.
Die familiäre Stimmung dieses kleinen Konzertes kam aber erst richtig bei der After-Show-Party auf, als sich sämtliche Musiker im Barbereich einfanden und mit jedem, der sie ansprach, einen lockeren Plausch hielten.

Kein Wunder also, dass mich DIARY OF DREAMS live auch völlig überzeugt haben, obwohl ich vorher skeptisch war, ob ich mich mit der Liveumsetzung von elektronischer Musik generell anfreunden könne, da ja irgendetwas immer Playback bleiben muss.
Voller schöner Eindrücke ging es im Bus durchs verregnete London zurück zur Unterkunft, nicht ohne einen vorerst letzten Blick auf das The Underworld und den dahinter geparkten Nightliner der Band zu werfen.
Man darf wohl schon jetzt gespannt und voller Erwartung sein auf ein neues Album und die dazugehörige Tournee.

Setlist: MenschFeind, Reign Of Chaos, The Curse, Giftraum, End Of Flowers, Methusalem, Chemicals, But The Wind Was Stronger, Play God!, Butterfly: Dance!, Soul Stripper, Sin Skinner, O’Brother Sleep, Kindrom // Traumtänzer, She // Panic, AmoK (piano version)

 

story & pics © Moonchild & Reverend