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The Bravery

 
2006-01-21 DE – Düsseldorf - LTU-Arena Düsseldorf

Wie sagte bereits Wochen vorher ein Arbeitskollege von mir doch so treffend: „DEPECHE MODE begleiten mich jetzt quasi schon mein ganzes Leben lang; deswegen freue ich mich auch schon so total auf das Konzert.“
Recht hat der Mann, denn mir geht es da ähnlich: praktisch seit ich schwer pubertierend meine ersten Kassetten aus dem Radio aufgenommen habe (also seit ich richtig bewusst Musik konsumiere; und das begann nur ca. 1-2 Jahre bevor DEPECHE MODE ihre erste Platte raus brachten...), gehören die Engländer zu meiner musikalischen Grundausstattung. Und Dank immer wieder interessanter Alben und starker Songs sind sie da trotz meines sich zwischendurch gerne mal wandelnden Geschmacks auch bis heute geblieben.

Kein Wunder also, dass das Publikum an diesem Samstag wirklich überaus gemischt war, insgesamt aber einen doch recht hohen Altersdurchschnitt (im Gegensatz zu den Events, die ich sonst so besuche) aufwies. Da waren Gothic-Kids und Schwarzgewandete ebenso anzutreffen wie Disco-Mäuse, etwas gesetztere Personen, Hausfrauen oder Rechtsanwälte, um nur einige Beispiele zu nennen. Die sonstigen Szene-Zugehörigkeiten sollten sich im weiteren Verlauf des Abends aber sowieso als gegenstandslos herausstellen...

Bereits bei der Ankunft fiel uns zunächst die wirklich vorbildliche Organisation rund um die wahrlich gigantische LTU-Arena auf. Es gab reichlich Ordner, die zudem auch noch einen freundlichen und kompetenten Eindruck machten. Folglich gab es dann auch keine Probleme beim Parken von ca. 22.000 Fahrzeugen und dem Einchecken (welches übrigens, trotz der Hysterie bzgl. gefälschter Tickets und der angekündigten scharfer Kontrollen recht banal ausfiel; nicht mal richtig abgetastet wurden wir) und Verteilen der insgesamt ca. 50.000 Besucher. Damit war die Arena natürlich ausverkauft; unglaublich, wenn man bedenkt, dass DEPECHE MODE dieses Kunststück gleich an zwei Tagen hintereinander fertig brachten und dies nicht die einzigen Termine auf der aktuellen Tournee in Deutschland waren.

In der Halle war die Organisation im Prinzip auch ok, allerdings fiel negativ auf, dass es in den Essbereichen keine Tische oder andere Abstellmöglichkeiten für die Schalen mit Currywürsten oder Pommes etc. gab. Wenn man sich also gleichzeitig noch ein Getränk gekauft hatte, musste man sich entweder auf den Boden setzen oder die Treppenaufgänge blockieren. Keine Ahnung, warum man mir auf Nachfrage erklärt hat, das würde aus Sicherheitsaspekten so gemacht...

Die Halle selber machte hingegen wieder einen sehr guten Eindruck; alles sehr sauber und übersichtlich und tatsächlich auch geheizt. Obwohl wir leider nur einen Platz im Oberrang ergattern konnten, hatten wir einen störungsfreien Blick auf die Bühne, und auch die Videoleinwände waren aus unserer Perspektive gut einsehbar.

Um Punkt 20:00 ging es dann mit der Vorgruppe :: THE BRAVERY :: aus New York los, die mir bis dato noch völlig unbekannt waren. Erwartet hatte ich eine dieser typischen „The Bla irgendwas-„ Rockbands, die derzeit überall so gehypt werden. Im Prinzip stimmte das auch, allerdings wurde hier der altbackene Stil um einige Keyboard-Elemente erweitert, die mich schwer an ganz alte New Order-Zeiten erinnerten, während der Sänger wie eine indisponierte Version von Robert Smith klang (und sich vermutlich auch ordentlich Mut angetrunken hatte).
Der Sound war recht schrill und daher nicht besonders ohrenfreundlich, musikalisch hingegen fand ich es eher belanglos, was wohl auch der Großteil des Publikums so sah: mehr als ein wenig Höflichkeitsapplaus war da nicht drin, und eine Zugabe wollte nach dem 30-minütigen Auftritt auch niemand hören. Immerhin schnitten THE BRAVERY damit besser ab als so manch andere Vorgruppe auf einigen früheren Tourneen, und das, obwohl sie bestimmt nicht zum Grundrepertoire der meisten DEPECHE MODE-Fans gehören.

In der Pause wurde dann mit diversen La Ola-Wellen bereits im gesamten Rund mächtig Stimmung gemacht, bevor dann um 21:00 die Lichter ausgingen und die Attraktion des Abends nach kurzem Intro und unter tosendem Jubel des Publikums mit A Pain That I’m Used To ihr ca. zweistündiges Konzert begann. Die Bühnendeko war dabei wie das Cockpit eines UFO's gestaltet, und zwar so, wie man sich das wohl in den 60ern vorgestellt hätte (also komplett in Alu mit opulent geschwungenen Formen und vielen sinnlosen, aber bunt blickenden Lichtern). An den Seiten und an der Rückseite befanden sich Videoleinwände, die abwechselnd zu den Stücken passende Einspieler oder das Bühnengeschehen zeigten. Mir schien es aber so, als ob diese euphorische Stimmung zunächst auch schnell wieder etwas abflachte, vor allem, als zweites Stück das noch sperrigere John The Revelator nachgeschoben wurde.

Es zeigte sich aber schnell, dass die Ursache für diese Beobachtung wohl eher darin lag, dass eine gehörige Zahl der Anwesenden mit dem neuen Album Playing The Angels nicht so vertraut war, denn beim dritten Song A Question Of Time ging dann vor allem im Innenraum ordentlich die Post ab. Die Leute waren mit einmal höchst agil, der Text wurde lauthals mitgesungen, und die Stimmung insgesamt war einfach prächtig.

Das lag zum einen sicherlich am Sound, der an unserer Position für ein Konzert dieser Größenordnung wirklich optimal war: laut genug, aber eben auch nicht zu laut (und damit gesundheitsschädlich), dabei kristallklar und gut ausgesteuert. Der andere Pluspunkt bestand aber sicherlich in :: DEPECHE MODE :: selber, denn sowohl Dave Gahan als auch Martin L. Gore machten einen äußerst agilen und sehr gut aufgelegten Eindruck. Und als Dave Gahan dann zum ersten Mal den ins Publikum ragenden Laufsteg in voller Länge durchschritt bzw. zu seinem „Rotationstanz“ ansetzte, wurde die Stimmung endgültig frenetisch.

Im weiteren Verlauf des Konzertes zeigte sich dann recht deutlich, dass viele der Anwesenden das Material der neuen CD in der Tat eher konsumierend denn feiernd aufnahmen, zumal deren Songs z.T. auch nicht unbedingt live-tauglich sind. So kann man sich meiner Meinung nach Damaged People wirklich gut anhören, aber innerhalb des Sets wirkte das Stück eher bremsend, trotz einer sehr guten gesanglichen Interpretation durch Martin L. Gore. Dieser glänzte übrigens wieder mit dem abgefahrensten Outfit seiner Kollegen: nebst Engelsverkleidung in Schwarz gab es diesmal eine Art Strick-Irokesen-Haube zu bewundern, die mich ehrlich gesagt doch sehr an einen dieser selbstgehäkelten (hier überdimensionalen) Eierwärmer erinnerte. Jedenfalls blieb die Band im Hinblick auf die neuen Stücke konsequent und stellte mit insgesamt sieben Songs in der Tat das neue Album vor. Bei Suffer Well denke ich sogar, dass es mit größerem Bekanntheitsgrad durchaus eine der typischen Depeche Mode-Live-Hymnen werden könnte.

Für ausgelassene Party-Atmosphäre sorgten allerdings (erwartungsgemäß) die alten Tracks der Band, wobei vor allem Walking In My Shoes, World In My Eyes und Personal Jesus besonders gut ankamen. Beeindruckend auch die wunderschöne, halb-akustische Version von Home, die Martin mit zerbrechlicher Stimme und voller Emotionen präsentierte. Den krönenden Abschluss bildete dann zunächst Enjoy The Silence, dessen Refrain aus 50.000 Kehlen sehr deutlich vernehmbar mitgesungen wurde und so ein beeindruckendes Ende des regulären Sets markierte. Da musste Dave gar nicht mehr zeigen, dass er ebenfalls sehr gut bei Stimme war...

Die erste Zugabe wurde dann von A Question Of Lust eingeläutet, bevor Just Can’t Get Enough und Everything Counts den Innenraum wieder in einen Hexenkessel verwandelten und für raue Kehlen sorgten. Trotzdem muss ich ja ehrlich zugeben, dass ich Just Can’t Get Enough eigentlich nicht mehr hören kann. Wenn man schon unbedingt ein Stück vom ersten Album spielen will, warum dann nicht mal New Life oder Dreaming Of Me?

Jedenfalls ließ man sich zur zweiten Zugabe schon recht lange bitten, bevor das obligatorische, aber immer wieder geniale Never Let Me Down Again in langer Version inklusive Publikumsteil die Stimmung wieder zum Sieden und den endgültigen Höhepunkt brachte. Geiles Bild, wenn unter einem schätzungsweise 25.000 Leute mit den Armen im Gleichklang wedeln und auch auf den Tribünen alles in Bewegung ist...

Das ist nicht zu toppen, dachte ich jedenfalls, aber mit Good Night Lovers hatten DEPECHE MODE zum Abschluss noch ein Stück in Petto, welches ich persönlich überhaupt nicht auf der Liste hatte. Sich quasi mitten unter den Zuschauern befindend, sangen Martin und Dave Arm in Arm den Refrain Soul Sisters, Soul Brothers und dokumentierten damit vor aller Augen die offenbar wieder eingekehrte Harmonie im Lager der Briten (zu der es wohl gehören muss, dass Andrew Fletcher wie gewohnt absolut unauffällig, aber höchst solide agierte). Das Publikum nahm diese Geste bereitwillig auf, feierte seine Helden und fügte sich schließlich mit einem lachendem und einem weinenden Auge, aber doch glückselig taumelnd dem Schicksal, also dem nach ca. 2 Stunden subjektiv viel zu früh empfundenen Ende des Konzerts.

Leider gab es zum Schluss dann doch noch einige kleinere Ärgernisse zu vermelden, denn zwischenzeitlich hatte sich wohl auch der Großteil des Hallen- und Organisationspersonals verabschiedet, so dass der Rückweg zu den Parkplätzen und die Abfahrt einiges an Geduld erforderten. Sicherlich können so viele Autos die Verkehrswege mit Leichtigkeit verstopfen, aber warum jetzt z.B. keine Shuttlebusse mehr eingesetzt wurden wie vor dem Konzert ist nicht so leicht zu erklären.

Trotz des nicht ganz so gelungenen Ausklangs war es insgesamt aber ein genialer Konzertabend, der die fast 60,- € tatsächlich durchaus wert war. Wer nicht da war, hat definitiv was verpasst!

Setlist: Intro, A Pain That I'm Used To, John The Revelator, A Question Of Time, Policy Of Truth, Precious, Walking In My Shoes, Suffer Well, Damaged People, Home, I Want It All, The Sinner In Me, I Feel You, Behind The Wheel, World In My Eyes, Personal Jesus, Enjoy The Silence // A Question of Lust, Just Can't Get Enough, Everything Counts // Never Let Me Down Again, Good Night Lovers

 

story © Psycho • pics © Franky