Wie
sagte bereits Wochen vorher ein Arbeitskollege von mir doch so
treffend: „DEPECHE MODE begleiten mich
jetzt quasi schon mein ganzes Leben lang; deswegen freue ich mich
auch schon so total auf das Konzert.“
Recht hat der Mann, denn mir geht es da ähnlich: praktisch
seit ich schwer pubertierend meine ersten Kassetten aus dem Radio
aufgenommen habe (also seit ich richtig bewusst Musik konsumiere;
und das begann nur ca. 1-2 Jahre bevor DEPECHE MODE
ihre erste Platte raus brachten...), gehören die Engländer
zu meiner musikalischen Grundausstattung. Und Dank immer wieder
interessanter Alben und starker Songs sind sie da trotz meines
sich zwischendurch gerne mal wandelnden Geschmacks auch bis heute
geblieben.
Kein Wunder
also, dass das Publikum an diesem Samstag wirklich überaus
gemischt war, insgesamt aber einen doch recht hohen Altersdurchschnitt
(im Gegensatz zu den Events, die ich sonst so besuche) aufwies.
Da waren Gothic-Kids und Schwarzgewandete ebenso anzutreffen wie
Disco-Mäuse, etwas gesetztere Personen, Hausfrauen oder Rechtsanwälte,
um nur einige Beispiele zu nennen. Die sonstigen Szene-Zugehörigkeiten
sollten sich im weiteren Verlauf des Abends aber sowieso als gegenstandslos
herausstellen...
Bereits bei
der Ankunft fiel uns zunächst die wirklich vorbildliche Organisation
rund um die wahrlich gigantische LTU-Arena auf. Es gab reichlich
Ordner, die zudem auch noch einen freundlichen und kompetenten
Eindruck machten. Folglich gab es dann auch keine Probleme beim
Parken von ca. 22.000 Fahrzeugen und dem Einchecken (welches übrigens,
trotz der Hysterie bzgl. gefälschter Tickets und der angekündigten
scharfer Kontrollen recht banal ausfiel; nicht mal richtig abgetastet
wurden wir) und Verteilen der insgesamt ca. 50.000 Besucher. Damit
war die Arena natürlich ausverkauft; unglaublich, wenn man
bedenkt, dass DEPECHE MODE dieses Kunststück
gleich an zwei Tagen hintereinander fertig brachten und dies nicht
die einzigen Termine auf der aktuellen Tournee in Deutschland
waren.
In der Halle
war die Organisation im Prinzip auch ok, allerdings fiel negativ
auf, dass es in den Essbereichen keine Tische oder andere Abstellmöglichkeiten
für die Schalen mit Currywürsten oder Pommes etc. gab.
Wenn man sich also gleichzeitig noch ein Getränk gekauft
hatte, musste man sich entweder auf den Boden setzen oder die
Treppenaufgänge blockieren. Keine Ahnung, warum man mir auf
Nachfrage erklärt hat, das würde aus Sicherheitsaspekten
so gemacht...
Die Halle
selber machte hingegen wieder einen sehr guten Eindruck; alles
sehr sauber und übersichtlich und tatsächlich auch geheizt.
Obwohl wir leider nur einen Platz im Oberrang ergattern konnten,
hatten wir einen störungsfreien Blick auf die Bühne,
und auch die Videoleinwände waren aus unserer Perspektive
gut einsehbar.
Um Punkt 20:00
ging es dann mit der Vorgruppe :: THE
BRAVERY :: aus New York los, die mir bis dato noch
völlig unbekannt waren. Erwartet hatte ich eine dieser typischen
„The Bla irgendwas-„ Rockbands, die derzeit überall
so gehypt werden. Im Prinzip stimmte das auch, allerdings wurde
hier der altbackene Stil um einige Keyboard-Elemente erweitert,
die mich schwer an ganz alte New Order-Zeiten erinnerten, während
der Sänger wie eine indisponierte Version von Robert Smith
klang (und sich vermutlich auch ordentlich Mut angetrunken hatte).
Der Sound war recht schrill und daher nicht besonders ohrenfreundlich,
musikalisch hingegen fand ich es eher belanglos, was wohl auch
der Großteil des Publikums so sah: mehr als ein wenig Höflichkeitsapplaus
war da nicht drin, und eine Zugabe wollte nach dem 30-minütigen
Auftritt auch niemand hören. Immerhin schnitten THE
BRAVERY damit besser ab als so manch andere Vorgruppe
auf einigen früheren Tourneen, und das, obwohl sie bestimmt
nicht zum Grundrepertoire der meisten DEPECHE MODE-Fans
gehören.
In der Pause
wurde dann mit diversen La Ola-Wellen bereits im gesamten Rund
mächtig Stimmung gemacht, bevor dann um 21:00 die Lichter
ausgingen und die Attraktion des Abends nach kurzem Intro und
unter tosendem Jubel des Publikums mit A Pain That I’m
Used To ihr ca. zweistündiges Konzert begann. Die Bühnendeko
war dabei wie das Cockpit eines UFO's gestaltet, und zwar so,
wie man sich das wohl in den 60ern vorgestellt hätte (also
komplett in Alu mit opulent geschwungenen Formen und vielen sinnlosen,
aber bunt blickenden Lichtern). An den Seiten und an der Rückseite
befanden sich Videoleinwände, die abwechselnd zu den Stücken
passende Einspieler oder das Bühnengeschehen zeigten. Mir
schien es aber so, als ob diese euphorische Stimmung zunächst
auch schnell wieder etwas abflachte, vor allem, als zweites Stück
das noch sperrigere John The Revelator nachgeschoben
wurde.
Es zeigte
sich aber schnell, dass die Ursache für diese Beobachtung
wohl eher darin lag, dass eine gehörige Zahl der Anwesenden
mit dem neuen Album Playing The Angels nicht so vertraut
war, denn beim dritten Song A Question Of Time ging dann
vor allem im Innenraum ordentlich die Post ab. Die Leute waren
mit einmal höchst agil, der Text wurde lauthals mitgesungen,
und die Stimmung insgesamt war einfach prächtig.
Das lag zum
einen sicherlich am Sound, der an unserer Position für ein
Konzert dieser Größenordnung wirklich optimal war:
laut genug, aber eben auch nicht zu laut (und damit gesundheitsschädlich),
dabei kristallklar und gut ausgesteuert. Der andere Pluspunkt
bestand aber sicherlich in :: DEPECHE
MODE :: selber, denn sowohl Dave Gahan als auch
Martin L. Gore machten einen äußerst agilen und sehr
gut aufgelegten Eindruck. Und als Dave Gahan dann zum ersten Mal
den ins Publikum ragenden Laufsteg in voller Länge durchschritt
bzw. zu seinem „Rotationstanz“ ansetzte, wurde die
Stimmung endgültig frenetisch.
Im weiteren
Verlauf des Konzertes zeigte sich dann recht deutlich, dass viele
der Anwesenden das Material der neuen CD in der Tat eher konsumierend
denn feiernd aufnahmen, zumal deren Songs z.T. auch nicht unbedingt
live-tauglich sind. So kann man sich meiner Meinung nach Damaged
People wirklich gut anhören, aber innerhalb des Sets
wirkte das Stück eher bremsend, trotz einer sehr guten gesanglichen
Interpretation durch Martin L. Gore. Dieser glänzte übrigens
wieder mit dem abgefahrensten Outfit seiner Kollegen: nebst Engelsverkleidung
in Schwarz gab es diesmal eine Art Strick-Irokesen-Haube zu bewundern,
die mich ehrlich gesagt doch sehr an einen dieser selbstgehäkelten
(hier überdimensionalen) Eierwärmer erinnerte. Jedenfalls
blieb die Band im Hinblick auf die neuen Stücke konsequent
und stellte mit insgesamt sieben Songs in der Tat das neue Album
vor. Bei Suffer Well denke ich sogar, dass es mit größerem
Bekanntheitsgrad durchaus eine der typischen Depeche Mode-Live-Hymnen
werden könnte.
Für ausgelassene
Party-Atmosphäre sorgten allerdings (erwartungsgemäß)
die alten Tracks der Band, wobei vor allem Walking In My Shoes,
World In My Eyes und Personal Jesus besonders
gut ankamen. Beeindruckend auch die wunderschöne, halb-akustische
Version von Home, die Martin mit zerbrechlicher Stimme
und voller Emotionen präsentierte. Den krönenden Abschluss
bildete dann zunächst Enjoy The Silence, dessen
Refrain aus 50.000 Kehlen sehr deutlich vernehmbar mitgesungen
wurde und so ein beeindruckendes Ende des regulären Sets
markierte. Da musste Dave gar nicht mehr zeigen, dass er ebenfalls
sehr gut bei Stimme war...
Die erste
Zugabe wurde dann von A Question Of Lust eingeläutet,
bevor Just Can’t Get Enough und Everything
Counts den Innenraum wieder in einen Hexenkessel verwandelten
und für raue Kehlen sorgten. Trotzdem muss ich ja ehrlich
zugeben, dass ich Just Can’t Get Enough eigentlich
nicht mehr hören kann. Wenn man schon unbedingt ein Stück
vom ersten Album spielen will, warum dann nicht mal New Life
oder Dreaming Of Me?
Jedenfalls
ließ man sich zur zweiten Zugabe schon recht lange bitten,
bevor das obligatorische, aber immer wieder geniale Never
Let Me Down Again in langer Version inklusive Publikumsteil
die Stimmung wieder zum Sieden und den endgültigen Höhepunkt
brachte. Geiles Bild, wenn unter einem schätzungsweise 25.000
Leute mit den Armen im Gleichklang wedeln und auch auf den Tribünen
alles in Bewegung ist...
Das ist nicht
zu toppen, dachte ich jedenfalls, aber mit Good Night Lovers
hatten DEPECHE MODE zum Abschluss noch ein Stück
in Petto, welches ich persönlich überhaupt nicht auf
der Liste hatte. Sich quasi mitten unter den Zuschauern befindend,
sangen Martin und Dave Arm in Arm den Refrain Soul Sisters, Soul
Brothers und dokumentierten damit vor aller Augen die offenbar
wieder eingekehrte Harmonie im Lager der Briten (zu der es wohl
gehören muss, dass Andrew Fletcher wie gewohnt absolut unauffällig,
aber höchst solide agierte). Das Publikum nahm diese Geste
bereitwillig auf, feierte seine Helden und fügte sich schließlich
mit einem lachendem und einem weinenden Auge, aber doch glückselig
taumelnd dem Schicksal, also dem nach ca. 2 Stunden subjektiv
viel zu früh empfundenen Ende des Konzerts.
Leider gab
es zum Schluss dann doch noch einige kleinere Ärgernisse
zu vermelden, denn zwischenzeitlich hatte sich wohl auch der Großteil
des Hallen- und Organisationspersonals verabschiedet, so dass
der Rückweg zu den Parkplätzen und die Abfahrt einiges
an Geduld erforderten. Sicherlich können so viele Autos die
Verkehrswege mit Leichtigkeit verstopfen, aber warum jetzt z.B.
keine Shuttlebusse mehr eingesetzt wurden wie vor dem Konzert
ist nicht so leicht zu erklären.
Trotz des
nicht ganz so gelungenen Ausklangs war es insgesamt aber ein genialer
Konzertabend, der die fast 60,- € tatsächlich durchaus
wert war. Wer nicht da war, hat definitiv was verpasst!
Setlist:
Intro, A Pain That I'm Used To, John The Revelator, A Question
Of Time, Policy Of Truth, Precious, Walking In My Shoes, Suffer
Well, Damaged People, Home, I Want It All, The Sinner In Me, I
Feel You, Behind The Wheel, World In My Eyes, Personal Jesus,
Enjoy The Silence // A Question of Lust, Just Can't Get Enough,
Everything Counts // Never Let Me Down Again, Good Night Lovers