Bei diesigem
Wetter mit Temperaturen um den Gefrierpunkt machten wir uns nach
Osnabrück auf den Weg, um die Halle Gartlage als exzellente
Konzertlocation vorzufinden: Parken direkt vor der Tür, mittelgroße
Halle mit Tribüne und riesigem „Foyer“ für
Merchandise-Stände, Bier- und Würstchenbuden.
Wir suchten uns einen netten Platz ganz oben auf der Tribüne,
um unsere alten Knochen für den Hauptact zu schonen (später
waren wir aber dann doch zu bequem, um uns noch in das Getümmel
vor der Bühne zu stürzen).
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Fotos ::
Pünktlich
rockte die erste Vorband SABATON
los mit dem Titelsong ihres ersten Longplayers Primo Victoria.
Die sechs jungen Schweden spielen epischen Power Metal mit einem
Hauch von progressivem Einfluss, der aber richtig abgeht. Sie
überzeugten vor allem mit kraftvollem, recht tiefem Gesang
und sehr gutem Gitarrenspiel, dem die anderen Instrumentalisten
aber kaum nachstanden. Die Band beglückte eine ganze Reihe
Fans mit einigen Songs vom zweiten Album, das in Kürze erscheinen
soll und Wolfpack, Into The Fire und Metal
Machine vom oben genannten Album. Nach einer kurzen, aber
überzeugenden Show, mussten SABATON die
Bühne auch schon wieder räumen.
Wie ein Sturm
brachen DRAGONFORCE
über uns herein, nachdem noch ein extra Podest auf die Bühne
gestellt worden war. Unglaublich, diese Spielfreude, unglaublich
ihr Können. Es war die reinste Freude, den sechs Musikern
aus aller Welt zuzuschauen, wie sie über die Bühne tobten,
sich gegenseitig fast umrannten, der anderen Instrumente im Vorbeigehen
zu spielen versuchten und wie sie ihre Späße machten.
Währenddessen spielten sie ultraschnellen, fröhlichen
Metal, der aber absolut mitsingtauglich ist. Manchmal konnte man
den Fingern von Gitarrist Herman „Shred“ Li mit den
Augen kaum noch folgen. Und wenn er dann in seinen Soli hin und
wieder mit der linken Hand von oben spielte, ohne dass man den
Wechsel hörte, mochte man seinen Augen kaum trauen. Sam Totman
bewegte sich noch in menschlicher Geschwindigkeit, was die Gitarre
angeht und konnte Herman trotzdem meistens folgen. Da standen
sie dann immer wieder zu zweit auf dem Podest und spielten diese
superschnellen Leads und Soli parallel, um sich dann umzudrehen
und in hohem Bogen, passend zur Musik von selbigem herunter zu
springen. Meist wurden sie verdrängt von Sänger ZP Theard,
dessen Stimme leider zu leise und zu schrill ausgesteuert war,
der aber bestens mit dem Publikum kommunizierte und eine enorme
Präsenz auf der Bühne hatte. Nochmals die Augen reiben
musste man sich, als Keyboarder Vadim Pruzhanov mit einem „Umhänge-Keyboard“
nach vorne kam. Zunächst hielt er es mit der linken Hand
und spielte mit der rechten, wie üblich. Doch dann stüzte
er es mit dem Knie und spielte eine ganze Weile mit beiden Händen.
Wie man in einer solchen Haltung überhaupt spielen kann,
ist mir schleierhaft, doch bei ihm sah es aus wie ein Kinderspiel.
Basser und Drummer hatten natürlich auch genug zu tun und
trugen ihren Teil zu den Späßen bei. Besonders schön
anzusehen war der Effekt einer Windmaschine vor dem Podest: sie
ließ die ultralangen Haare der Musiker dynamisch fliegen.
Dieses Feuerwerk von Musik und Show, das richtig gute Laune machte,
war nach fünf Songs viel zu schnell zu Ende.
Setlist: My Spirit Will Go On / Fury Of The
Storm / Dawn Over A New World / Through The Fire And Flames /
Valley Of The Damned
Endlich fiel
der schwarze Vorhang, der die Bühne gerade für DRAGONFORCE
viel zu klein gemacht hatte und die Bühne war bereit für
EDGUY.
Aus den Lautsprechern dröhnte, passend zum Karneval, “Fiesta
Mexicana” von Rex Gildo. Tobi ist schon wirklich ein Witzbold
– und er hat echt schwarzen Humor, wenn man bedenkt, dass
Rex Gildo sich unter anderem wegen dieses Songs das Leben genommen
hatte und man den Song seitdem kaum noch irgendwo zu hören
bekam.
Und dann, mit “Ladies and gentlemen! Welcome to the
FREAKSHOW!”, enterten EDGUY die aufwändig
gestaltete Bühne und eröffneten die durchgestylte Show
mit dem doch recht einfachen Catch Of The Century vom
neuen Album Rocket Ride. Tobias Sammet
trug zur Strass-besetzten Röhre einen fürchterlichen
Zebra-Mantel, den er zum Glück schon für das sehr rockige
Sacrifice ablegte. Das war wohl auch bitter nötig,
denn ganz seinem Naturell entsprechend flippte Tobi über
die Bühne, so dass man sich fragen musste, woher er die ganze
Energie nahm. Stimmlich auf der Höhe, aber im Gesamtmix leider
zu leise, sang er sich durch fast die Hälfte des neuen Albums,
durchsetzt mit (leider zu wenigen) Perlen vergangener Tage. Die
Fans waren begeistert und zogen bei den Publikumsanimationen und
Scherzen eifrig mit. Das Anspielen des Iron Maiden-Songs The Trooper
war wohl eher überflüssig und gehört auch eigentlich
nicht in die Setlist. Interessant hingegen war die Entdeckung
einer alten Setlist von Hammerfall, die auf dem Boden der Bühne
klebte (wohl noch vom November letzten Jahres), die Tobi dazu
inspirierte auch einen Hammerfall-Song anzuspielen. Das war doch
endlich mal eine spontane und gelungene Aktion! Obwohl wir wirklich
unseren Spaß hatten und uns die Leistung von EDGUY
überzeugte, wurden wir das Gefühl nicht los, dass so
gut wie jede Aktion bis ins kleinste Detail geplant war, ob es
nun die Demonstration von Tobis Gitarrenkenntnissen, die wiederholte
Performance seines Grätsch-Sprungs vom Drum-Podest, sein
Ausflug ins Publikum (er kam bis in unsere Reihe ;) ) oder sogar
das doch beeindruckende Drum-Solo war, das wie üblich mit
dem “Imperial March” endete. Wir hätten uns ein
wenig mehr Spontaneität erhofft, was Setlist und Anekdoten
anging, aber so wird es ja von vielen Bands praktiziert und auch
von den Labels verlangt. Vielleicht lag dieser Eindruck aber auch
nur an dem unglücklichen Umstand, dass EDGUY
nach den doch sehr starken DRAGONFORCE spielen
mussten, denen sie in Sachen Virtuosität und Spielfreude
natürlich nicht das Wasser reichen konnten. Und ihre Trümpfe
was das Songwriting angeht, konnten EDGUY mit
dieser Setlist leider nicht ausspielen, da die Songauswahl hauptsächlich
aus Stücken des neuen, recht nachdenklichen Albums bestand
und somit alles andere als repräsentativ für das Schaffen
der Band war.
Setlist: Catch Of The Century / Sacrifice
/ Babylon / The Trooper (Cover) / Lavatory Love Machine / Trinidad
/ Tears Of A Mandrake / How Many Miles / Superheroes / Save Me
/ Mysteria / Vain Glory Opera / Avantasia / King Of Fools
Alles in allem
war es ein gelungener Konzertabend, wenn auch anstrengend, trotz
Sitzplatz. Drei Bands sind einfach zuviel, auch wenn sie alle
eine überzeugende Performance abgeliefert haben.
Wir freuen uns für EDGUY, dass sie mittlerweile
so groß sind, hoffen aber sehr, dass ihre Frische und Unbeschwertheit
nicht durch den wachsenden Leistungsdruck einer langweiligen Routine
weichen wird, wie es bei vielen anderen Bands zu beobachten ist.
Uns hat dieser Abend aber hauptsächlich Lust auf den Besuch
eines DRAGONFORCE-Headliner-Konzertes gemacht!