Ja,
der Tag hat schon fantastisch begonnen. Erst Bandprobe, wo ich
mein neues Multieffektboard ausgiebig testen konnte und mich vollends
aus den Socken gehauen hat. Nur blöd, dass ich vergessen
habe, meinen Amp etwas leiser zu drehen, bevor ich ihn –
jetzt mit dem Effektboard davor – einschaltete. Ein grelles,
lautes Fiepen durchdrang Mark und Bein und ich dachte, mir zerfetzt
es sämtliche Gehörgänge... Langweile ich Euch?
Sorry, aber diese kurze Vorgeschichte musste sein, denn wegen
besagten Vorfalles habe ich mich während des KRAKÓW
Auftritts dazu entschieden, erstmalig bei einem Klubkonzert Ohropax
in die Ohren zu stopfen, nachdem vor allem mein rechtes höllisch
zu schmerzen begann... Aber so viel zur Vorgeschichte!
Viertel nach sieben komme ich mit meinem Kumpel Raphi am Backstage
an, was schon die erste Überraschung in sich birgt: das alte
neue Backstage ist nicht mehr. Die Stadt München hat entschieden,
direkt an der Friedenheimer Brücke eine weitere S-Bahn Haltestelle
entstehen zu lassen und wiederum mussten die Betreiber des Backstage
den kürzeren ziehen, nachdem sie der Wohnbaupolitik Münchens
bereits vor einiger Zeit zum Opfer gefallen sind und das schnuckelige
Backstage an der Donnersberger Brücke, von der Location und
der Verkehrsanbindung her das Nonplusultra in München, verlassen
mussten. Schade drum. Eine der beiden Hallen im Werksgelände
ist heute auf jeden Fall voll in norwegischer Hand. Direkt am
Merchandisestand begrüßen einen dann auch gleich AUDREY
HORNE Fronter Toschie und sein Bandkollege und ENSLAVED
Gitarrist Arve „Ice Dale“ Isdal, der mir auch gleich
erzählt, dass man einen Aushilfsgitarristen als Ersatz für
Thomas (den Toschie während des Gigs als Mr. Richie Sambora
vorstellt... ;) ) mit auf Tour genommen hat, da dieser noch mit
Liveaktivitäten seiner anderen Band Sahg beschäftigt
gewesen ist.
Unser lockeres
Gespräch unterbrechen dann völlig überraschend
(keine Viertel Stunde waren wir in der Halle) und zeitig die ersten
Takte des rabiaten Stoner Rocks der Opener ::
KRAKÓW
:: Und der weiß durchaus zu gefallen. Der Wechselgesang
zwischen Gitarrist René mit seinen cleanen und Bassmonster
Frode mit seinen gebrüllten Vocals sorgt für Kurzweile
in den Songs, Gitarrist Kjartan entlockt seiner Gitarre wunderschöne
Leadsounds und Trommler Christopher (sieht Ulvers Garm zum Verwechseln
ähnlich!) unterlegt das alles mit höllisch groovenden
Beats. Nach knapp 25 Minuten verabschieden sich die Norweger dann
schon vom sehr rar gesäten Münchner Publikum. Der Auftritt
verlief für die Band nicht ganz problemlos, wie mir René
anschließend verrät. Ein Straplock an der Gitarre ging
kaputt und das musste dann mit Klebeband fixiert werden... Dass
dadurch die Bewegungsfreiheit des Gitarristen eingeschränkt
war, versteht sich von selbst, denn so eine Notlösung kann
auch schnell dazu führen, dass die Klampfe einfach mal auf
den Boden knallt. Und das tut nicht nur ihr weh, sondern auch
dem Herzen des Gitarristen... Trotzdem ein kurzweiliger Einstieg.
Danke dafür!
Setlist: Kraków, Last, Firefly, Coronated King
Nach einer
kurzen Umbaupause läutet das wunderschöne Love Theme
von Angelo Badalamentis Twin Peaks Soundtrack den Auftritt von
:: AUDREY
HORNE :: ein. Ein besseres Intro hätte man
nicht wählen können. Und mit The Sweet Taste Of Revenge
vom Debüt No Hay Banda steigen die Bergener
dann auch gleich furios in einen leidenschaftlichen Gig ein. Sänger
Toschie spurtet wie ein Berserker über die Bühne und
versprüht dabei so viel Energie, dass man sich als Fan selbst
nicht mehr zurückhalten kann und dementsprechend mitgeht.
Ice Dale, die Coolness in Person, post wie ein junger Gott und
entlockt seiner Gitarre bei glasklarem Sound die geilsten Licks
und Riffs. Toschie wird an den Vocals vom Tourbasser und –
Keyboarder unterstützt, was vor allem bei den zweistimmigen
Gesangsharmonien wichtig ist. Der Sound ist ungemein ausgewogen
gemischt und somit kann man jedes einzelne Instrument sehr deutlich
heraushören. Toschie beweist auch auf der Bühne, dass
er ein großartiger und technisch herausragender Sänger
ist, der sowohl eine sehr charakteristische cleane Stimme hat
(Confessions & Alcohol – welches Toschie Schlagzeuger
Kjetil widmet), aber auch fantastisch brüllen kann (Dead).
Kjetil hinter dem Schlagzeug sorgt timingsicher für den nötigen
Groove und der Livegitarrist, dessen Name mir leider nicht bekannt
ist, ist ein würdiger Ersatz für Thomas, der selbst
bei schwierigen Passagen wie dem zweistimmigen Solo in Threshold
eine gute Figur macht. Für mich ist klar, dass AUDREY
HORNE die Meßlatte für den Mainact mit diesem mitreißenden
Auftritt fast schon zu hoch gelegt hat. Der ein oder andere Hammersong
hätte für meinen Geschmack noch kommen können,
dabei vor allem noch das fantastische Prince Cover The Cross
oder das mit einem traurigschönen Refrain ausgestattete Get
A Rope; aber man kann ja nicht alles haben. Sänger Toschie
meint bei einem abschließenden Schwatz, dass das Publikum
bislang generell sehr tolerant auf AUDREY HORNE reagiert
hat, auch wenn sie anderorts auf etwas engstirnigere Fans gestoßen
sind, so beispielsweise beim Gig in Glasgow/Schottland. Das dort
anwesende Publikum bestand laut Aussage des Sängers hauptsächlich
aus Die Hard Black Metallern, die mit dem Sound der Norweger nicht
viel anfangen konnten.
Setlist: The Sweet Taste Of Revenge, Last Call, Bright
Lights, Dead, Confessions & Alcohol, Threshold
::
ENSLAVED
:: fährt nach ebenfalls kurzer Umbaupause schweres
Geschütz auf. Das Bühnenbild ist beeindruckend und ungewöhnlich.
Das Schlagzeug steht nicht, wie sonst üblich, hinten in der
Mitte der Bühne, sondern vom Publikum aus gesehen im linken
Eck, was den beiden Gitarristen und Sänger/Bassisten Grutle
aber noch mehr Freiraum zum Herumtoben gibt. Herbrands Keyboard
ist auf einem Podest aufgebaut, somit thront er quasi über
allen; zudem ist das Podest mit einem ENSLAVED Banner versehen,
so dass es fast schon aussieht, als würde der Keyboarder
von seinem Altar aus die Meute verzaubern (was auch Raphi auffiel).
Und die zu jedem einzelnen Song liebevoll gestalteten Videos,
die auf eine Leinwand im Hintergrund projiziert werden, untermalen
die Botschaft des jeweiligen Songs auf beeindruckende Weise.
Erwartungsgemäß legen die Bergener mit dem genial verschachtelten
Opener Clouds, meinem Favoriten auf Vertebrae,
los. Der Schwerpunkt des Sets liegt logischerweise auf dem brandneuen,
saustarken Album. Und das kommt bei den Fans klasse an. Neben
Songs der letzten vier Platten (die das Publikum am besten aufnimmt),
kommen auch diejenigen, die alten Zeiten nachtrauern, mit dem
Titelsong von Eld (zu welchem Grutle das genaue
Erscheinungsjahr nicht genau einfällt, nachdem er während
den Aufnahmen eh besoffen war... ;)) und Allfadr Odinn
von der EP Hordanes Land voll auf ihre Kosten. Nach
einer knappen Stunde ist der reguläre Set bereits vorbei.
Etwas kurz für meinen Geschmack, auch wenn ENSLAVED
nach lautstarken Zugabeforderungen seitens des Publikums doch
noch einmal zurückkommen, um der Meute das heiß ersehnte
Isa vorzuwerfen. Sehr geil, aber wie gesagt, ein definitiv
zu kurzer Auftritt der Norweger.
Nichtsdestotrotz haben ENSLAVED heute bewiesen, dass sie
das hochkomplexe Material der letzten Scheiben live kongenial
umsetzen können und dabei noch eine Menge zusätzlicher
Power freisetzen, was vor allem den Songs neueren Datums sehr
gut zu Gesichte steht.
Setlist: Clouds, The Watcher, Ground, Fusion Of Sense
And Earth, New Dawn, To The Coast, Eld, Allfadr Odinn //Isa, As
Fire Swept Clean The Earth, Ruun.
Bleibt abschließend
festzuhalten, dass der heutige Abend ein fantastisches Konzerterlebnis
war mit einer äußerst vielversprechenden Vorband und
dem qualitativ sowohl im Livebereich als auch auf Konserve ebenbürtigen
Bergener Doppelschlag AUDREY HORNE/ENSLAVED. Dass sich
selbst bei der Hauptband die Halle maximal zur Hälfte gefüllt
war, liegt mit Sicherheit nicht an fehlender Popularität.
Vielmehr nagt das Überangebot an Konzerten in den Monaten
November und Dezember an den Geldbeuteln der Fans, so dass man
wohl bedenkt, auf welches Konzert man geht und welches man außen
vor lässt… Zudem hat sich ENSLAVED erst letztes
Jahr in Deutschland sehen lassen. Die eine oder andere Nase hätte
sich vielleicht trotzdem die höllisch teuren Tickets für
manch ein Konzert größerer Bands sparen und dem norwegischen
Triumvirat eine Chance geben sollen. Verdient gehabt hätten
sie’s...
Vielen Dank
für Eure Aufmerksamkeit!