Es
begann... irgendwann im letzten Jahr, ich kann mich nicht mehr
erinnern, zu welchem Anlass, aber von da an bekam ich regelmäßig
die Ankündigungen zu den GERÄUSCHWELTEN,
welche (neben Köln) in meiner Heimatstadt im sozio-kulturellen
Zentrum Cuba
stattfinden. Experimentelle Sounds, die am ehesten in der Industrial/Electro/Ambient
Szene beheimatet sind. In einem Zustand surrealer Wahrnehmung
(war schräg drauf) gelang es mir an diesem Tage, dem letzten
Event vor der Sommerpause beizuwohnen. Ich hatte ehrlich gesagt
keinen blassen Schimmer, was mich erwartete. Ich hatte auf Grund
der Vorankündigungen zwar eine gewisse Vorstellung, die aber
– wie üblich – weit neben der Realität lag.
Pünktlich zur auf der Homepage angegeben Zeit betrat ich
das Cuba, nur um einmal mehr festzustellen, das
es sich hier nur um die Einlasszeit, aber nicht den Beginn handelte.
Aber ich war nicht die einzige Zeitverpeilte ... Dies gab mir
wiederum die Gelegenheit, die im Foyer ausgestellten Zeichnungen
von Paula Müller unter der Prämisse C’est la dynamique!
zu begutachten. „Mit Mut zu Farben und Formen, die - frei
von gedanklich-logischen Strukturen - energiegeladen in der Rauminstallation
Paula Müllers aufeinander treffen, durchbrechen die Arbeiten
in dichter, wirr erscheinender Misch-Technik den Versuch, mittels
Fototapete und Matterhorn Ordnung ins Spiel zu bringen. Aufwühlend
und spannend zeigt sich hier das Bestreben - ausgehend von Worten,
Halbsätzen, versprachlichten Gedankenfetzen -, auch unselektierter
Lebendigkeit künstlerischen Ausdruck und Raum zu verleihen.“
Da gab es einiges zu entdecken, das mir wohl lange Zeit im Gedächtnis
bleiben wird (Ausstellung bis 30.06.2005 9-21 Uhr). Meine Wahrnehmung
hatte sich dadurch noch irgendwie intensiviert, so dass ich sogar
dem auf die Haut gebannten tentakeligen Beweis des bezahlten Obolus’
von 7 € eine tiefere Bedeutung beimaß. Gegen 21 Uhr
und mit 24 weiteren Interessierten strebte ich dann endlich meiner
ersten GERÄUSCHWELT entgegen...
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Fotos ::
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DAS SYNTHETISCHE MISCHGEWEBE :.
Concrete Noises,
Hypnagogia... während Concrete Noise eine klare Aussage bietet,
verwirrt der zweite Term, der eigentlich eine Art erweiterten
Bewusstseinszustand beschreibt, den jeder in der Einschlafphase
durchläuft. Nicht mehr wach, aber auch noch nicht eingeschlafen.
Ein Zustand der häufig als Quelle für kreatives Denken
und Einfallsreichtum benannt wird. Aber wie bringt man diesen
Zustand mit „greifbaren Geräuschen“ unter einem
Hut? Braucht man diesen Zustand, um die gesamte Bandbreite der
kreierten Geräuschkulisse zu erfassen? Oder bezieht das Projekt
Guido Hübner (unterwegs mit Richard Rupenus / New Blockaders)
seine Einfälle zu diesem Projekt aus jener Phase? DSM muss
man erlebt haben, die Interpretation bleibt dann jedem selbst
überlassen. Ich jedenfalls hab noch nie so viele Kücheninstrumente
gesehen, mit denen man derartige Geräusche erzeugen kann.
In der Mitte des Raumes war ein Tisch (die Zuschauer saßen
drumherum) mit unendlich vielen Utensilien aufgebaut, mit in Plastikblumentöpfen
eingebaute Lautsprecher als „Ableger“ in den Raum
hinein. Alles und jedes war verkabelt und stand unter Strom, in
deren elektrischen Feldern eine Vielzahl verschiedener Utensilien
zwischen den Polaritäten tanzten und somit ungeahnte Geräusche
erzeugten. Es gab Salatschüsseln, elektrischen Zahnbürsten,
alten Kaffee-Mahlmaschinen, Eieruhren, Wecker, Knarren, Katzenspielbälle,
Fahrradrücklichter, Rasierer, Drahtbürsten, Diktiergeräte,
Spielzeugautos, Plastikschweinchen, leere Senfgläser, Glasmurmeln,
aufgeblasene Einweg-Handschuhe, eine Handnähmaschine oder
Keksdosen. Dazu stand auf jeder Seite ein Mischpult. Zu dem teilweise
vorproduzierten Kompositionen (vom Player) kombinierten die beiden
Soundartisten ihre Geräusche, die mal fragmentenhaft rüberkamen
oder in massiven Soundkollagen einflossen. In jedem Fall ist jede
Show ein Unikat, da man vorher nie weiß, wie die Soundexperimente
ausfallen werden und ob alles so klappt, wie ausgetüftelt.
Ein Hörgenuss auf Abwegen...
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LEGION
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Hinter diesem
Solo Projekt verbirgt sich Andrew Lagowski (S.E.T.I., Terror Against
Terror, Isolrubin B.K., Lustmord), der seit über 20 Jahren
zu den wichtigsten und renommiertesten Künstlern der englischen
elektronischen Szene gehört, und sich in LEGION
seinen düsteren, von obskuren Geräuschen und fehlgeleiteten
Kommunikationsströmen geprägten Ambience-Klangkosmos
hingibt. Seine Musik ist ein einheitliches Sounderlebnis aus schweren,
düsteren und melancholische Soundkollagen, welches sich wellenartig
aufbaut und wieder abschwillt. Die Aufmerksamkeit des Zuhörers
wurde dabei auf eine große Leinwand gelenkt, auf der die
Musik visuell interpretiert und umgesetzt wurde. Eine Symbiose
aus verstörenden Bildern und gleichermaßen verstörender
Musik, voller Schönheit, Widerwillen und Entsetzen. So entsteht
eine Atmosphäre, in die man sich zwar verlieren kann, die
aber keineswegs angenehm ist.
Der einzige
Nachteil dieser Show war, dass der Sound ein wenig zu laut war.
Aber vielleicht ist das auch Mittel zum Zweck, damit man sich
eben nicht zu behaglich fühlt. Es gab einige, die leicht
nervös auf ihren Stühlen herumrutschten. Und natürlich
war das alles viel zu kurz. Beide Bands spielten jeweils nur eine
knappe Stunde, was insbesondere bei LEGION sehr
schade war.
Nun gibt es erst einmal die Sommerpause, die GERÄUSCHWELTEN
melden sich dann erst wieder im Oktober zurück. Aber eins
steht jetzt schon mal fest: die erste GERÄUSCHWELT
war definitiv nicht die letzte ;)