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GERÄUSCHWELTEN XVII

Legion - Das Synthetische Mischgewebe

 
2005-06-10 DE – Muenster - Cuba

Es begann... irgendwann im letzten Jahr, ich kann mich nicht mehr erinnern, zu welchem Anlass, aber von da an bekam ich regelmäßig die Ankündigungen zu den GERÄUSCHWELTEN, welche (neben Köln) in meiner Heimatstadt im sozio-kulturellen Zentrum Cuba stattfinden. Experimentelle Sounds, die am ehesten in der Industrial/Electro/Ambient Szene beheimatet sind. In einem Zustand surrealer Wahrnehmung (war schräg drauf) gelang es mir an diesem Tage, dem letzten Event vor der Sommerpause beizuwohnen. Ich hatte ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer, was mich erwartete. Ich hatte auf Grund der Vorankündigungen zwar eine gewisse Vorstellung, die aber – wie üblich – weit neben der Realität lag. Pünktlich zur auf der Homepage angegeben Zeit betrat ich das Cuba, nur um einmal mehr festzustellen, das es sich hier nur um die Einlasszeit, aber nicht den Beginn handelte. Aber ich war nicht die einzige Zeitverpeilte ... Dies gab mir wiederum die Gelegenheit, die im Foyer ausgestellten Zeichnungen von Paula Müller unter der Prämisse C’est la dynamique! zu begutachten. „Mit Mut zu Farben und Formen, die - frei von gedanklich-logischen Strukturen - energiegeladen in der Rauminstallation Paula Müllers aufeinander treffen, durchbrechen die Arbeiten in dichter, wirr erscheinender Misch-Technik den Versuch, mittels Fototapete und Matterhorn Ordnung ins Spiel zu bringen. Aufwühlend und spannend zeigt sich hier das Bestreben - ausgehend von Worten, Halbsätzen, versprachlichten Gedankenfetzen -, auch unselektierter Lebendigkeit künstlerischen Ausdruck und Raum zu verleihen.“ Da gab es einiges zu entdecken, das mir wohl lange Zeit im Gedächtnis bleiben wird (Ausstellung bis 30.06.2005 9-21 Uhr). Meine Wahrnehmung hatte sich dadurch noch irgendwie intensiviert, so dass ich sogar dem auf die Haut gebannten tentakeligen Beweis des bezahlten Obolus’ von 7 € eine tiefere Bedeutung beimaß. Gegen 21 Uhr und mit 24 weiteren Interessierten strebte ich dann endlich meiner ersten GERÄUSCHWELT entgegen...

:: Fotos ::

.: DAS SYNTHETISCHE MISCHGEWEBE :.

Concrete Noises, Hypnagogia... während Concrete Noise eine klare Aussage bietet, verwirrt der zweite Term, der eigentlich eine Art erweiterten Bewusstseinszustand beschreibt, den jeder in der Einschlafphase durchläuft. Nicht mehr wach, aber auch noch nicht eingeschlafen. Ein Zustand der häufig als Quelle für kreatives Denken und Einfallsreichtum benannt wird. Aber wie bringt man diesen Zustand mit „greifbaren Geräuschen“ unter einem Hut? Braucht man diesen Zustand, um die gesamte Bandbreite der kreierten Geräuschkulisse zu erfassen? Oder bezieht das Projekt Guido Hübner (unterwegs mit Richard Rupenus / New Blockaders) seine Einfälle zu diesem Projekt aus jener Phase? DSM muss man erlebt haben, die Interpretation bleibt dann jedem selbst überlassen. Ich jedenfalls hab noch nie so viele Kücheninstrumente gesehen, mit denen man derartige Geräusche erzeugen kann. In der Mitte des Raumes war ein Tisch (die Zuschauer saßen drumherum) mit unendlich vielen Utensilien aufgebaut, mit in Plastikblumentöpfen eingebaute Lautsprecher als „Ableger“ in den Raum hinein. Alles und jedes war verkabelt und stand unter Strom, in deren elektrischen Feldern eine Vielzahl verschiedener Utensilien zwischen den Polaritäten tanzten und somit ungeahnte Geräusche erzeugten. Es gab Salatschüsseln, elektrischen Zahnbürsten, alten Kaffee-Mahlmaschinen, Eieruhren, Wecker, Knarren, Katzenspielbälle, Fahrradrücklichter, Rasierer, Drahtbürsten, Diktiergeräte, Spielzeugautos, Plastikschweinchen, leere Senfgläser, Glasmurmeln, aufgeblasene Einweg-Handschuhe, eine Handnähmaschine oder Keksdosen. Dazu stand auf jeder Seite ein Mischpult. Zu dem teilweise vorproduzierten Kompositionen (vom Player) kombinierten die beiden Soundartisten ihre Geräusche, die mal fragmentenhaft rüberkamen oder in massiven Soundkollagen einflossen. In jedem Fall ist jede Show ein Unikat, da man vorher nie weiß, wie die Soundexperimente ausfallen werden und ob alles so klappt, wie ausgetüftelt. Ein Hörgenuss auf Abwegen...

.: LEGION :.

Hinter diesem Solo Projekt verbirgt sich Andrew Lagowski (S.E.T.I., Terror Against Terror, Isolrubin B.K., Lustmord), der seit über 20 Jahren zu den wichtigsten und renommiertesten Künstlern der englischen elektronischen Szene gehört, und sich in LEGION seinen düsteren, von obskuren Geräuschen und fehlgeleiteten Kommunikationsströmen geprägten Ambience-Klangkosmos hingibt. Seine Musik ist ein einheitliches Sounderlebnis aus schweren, düsteren und melancholische Soundkollagen, welches sich wellenartig aufbaut und wieder abschwillt. Die Aufmerksamkeit des Zuhörers wurde dabei auf eine große Leinwand gelenkt, auf der die Musik visuell interpretiert und umgesetzt wurde. Eine Symbiose aus verstörenden Bildern und gleichermaßen verstörender Musik, voller Schönheit, Widerwillen und Entsetzen. So entsteht eine Atmosphäre, in die man sich zwar verlieren kann, die aber keineswegs angenehm ist.

Der einzige Nachteil dieser Show war, dass der Sound ein wenig zu laut war. Aber vielleicht ist das auch Mittel zum Zweck, damit man sich eben nicht zu behaglich fühlt. Es gab einige, die leicht nervös auf ihren Stühlen herumrutschten. Und natürlich war das alles viel zu kurz. Beide Bands spielten jeweils nur eine knappe Stunde, was insbesondere bei LEGION sehr schade war.
Nun gibt es erst einmal die Sommerpause, die GERÄUSCHWELTEN melden sich dann erst wieder im Oktober zurück. Aber eins steht jetzt schon mal fest: die erste GERÄUSCHWELT war definitiv nicht die letzte ;)

 

story & pics © Dajana