2019-10-26 DE – Essen - Colosseum Theater

 

| Einlass: 19.00 Uhr | Beginn: 20.00 Uhr | Tickets: 41,95 - 64,95 Euro zzgl. Gebühren |

 

[Dajana] HEILUNG ist eine weitere Band, welche auf meiner Konzert-Wunschliste zu finden ist und die ich bis dato noch nicht live gesehen habe. Allerdings sind HEILUNG keine legendäre Band, die seit Dekaden unterwegs ist. Obwohl… legendär sind sie mittlerweile eigentlich schon. Ich kenne keine Band, die es in letzter Zeit zu solchem Kultstatus gebracht hat. Musik und Live Performance sind in aller Munde.
[BRT] Der Hype um HEILUNG ist völlig an mir vorbeigegangen. Erst im Frühjahr hatte ich von der Band gehört und ob des Schriftzuges eher in die Black Metal Richtung verortet. Uups, da lag ich wohl völlig daneben.
[Dajana] 2014 gegründet, wurden HEILUNG durch ihre außergewöhnlichen Liverituale in 2017 beim Castlefest und dem Midgardsblot zur Sensation. Das 2015 erschienene Debüt Ofnir wurde erst danach wirklich von Fans und Presse wahrgenommen. Die nordische rituelle Folkmusik, welche laut Bandangabe auf Original-Artefakten und überlieferten Texte aus der Eisen- und der Wikingerzeit basiert, trifft irgendwie den Nerv der Zeit in dieser turbulenten und schnellebigen Welt. Das im Juni veröffentlichte Zweitwerk Futha wurde, wie zu erwarten war, von Fans und Presse gleichermaßen begeistert aufgenommen und in den höchsten Tönen gelobt und bewertet.

[Dajana] Nun kommen HEILUNG endlich abseits der Festivals für vier Headliner-Shows nach Deutschland. Und eines dieser Konzerte führte uns in das wunderbare :: Colosseum Theater :: nach Essen. Aber wie schon bei Archive einen Monat zuvor ist ein bestuhltes Konzert für solch eine Band eher hinderlich, wie sich später zeigen wird. Über die Anreisemodalitäten lege ich derweil mal den Mantel des Schweigens… Grrrr. Zum Glück gab es eine Vorband als Zeitpuffer… ;)
[BRT] Von den HEILUNG Liveshows hatte ich ebenfalls schon was gehört, auch das übliche Herum-Gemopper von den Metal- und Gothic Hardliner-Szene-Wächtern hier und da. Insgesamt jedoch konnte ich ohne große Erwartungen oder Vorurteile an das Konzert herangehen. Allerdings fand ich die teils horrenden Preise schon sehr schräg für eine doch recht neue Band, Bühnen-Trara hin oder her...
[Dajana] Stimmt, die Ticketpreise hatten es in sich. Aber in Anbetracht der Größe des Ensembles und der gebotenen Show durchaus verständlich. Das Konzert war nichtsdestotrotz ausverkauft.

[BRT] Das Publikum war auf jeden Fall buntgemischt. Vom älteren Herrn, der vermutlich von HEILUNG im Feuilleton gelesen hat, über die LARP/Mittelalter-Gewandeten, die vermutlich direkt von der Essener Spiele-Messe herübergekommen sind, bis hin zu den üblichen Verdächtigen der Metal- und Gothic-Szene. Aber leider auch ein extrem hoher Anteil an Wacken-Party-Krawall-Publikum, das mir im Laufe des Konzertes durch Gegröle und Asi-Verhalten schwerst auf den Sack gegangen ist.

:: Fotos :: SANGRE DE MUERDAGO ::

[Dajana] Zum Glück gab es eine Vorband… ;) Eine Vorband, die nirgendwo angekündigt war. Gehört hatte ich von :: SANGRE DE MUERDAGO :: bis dato auch nicht. Da niemand kontrollierte, schoß ich, obwohl viel zu spät dran, noch schnell ein paar Fotos, fiel dann erschöpft auf meinen Sitzplatz und nutzte die verbliebene Zeit der 30 Minuten-Performance, um runterzukommen und mich auf Heilung einzustimmen. Ich fand die Musik ganz angenehm aber wenig spektakulär.
[BRT] Mir fielen SANGRE DE MUERDAGO bereits im Frühjahr äußerst positiv auf dem Culthe-Fest in Münster auf. Ihr mystisch versponnener Galician Forest-Neofolk war vor allem leise, hypnotisch und wunderschön. Vielseitig instrumentiert, mehrstimmig interpretiert – für mich ein absolut sympathisches Highlight, was aber von den vielen quatschenden Nervensägen anscheinend weniger goutiert wurde. War mit 30 Minuten aber auch viel zu kurz. Möglicherweise bin ich aber auch der einzige mit dieser Meinung. Da wurde auf jeden Fall am Merch-Tisch zugegriffen.

Band: Pablo C. Ursusson, Georg "Xurxo" Börner, Asia Kindred Moore, Erik Heimansberg

:: Fotos :: HEILUNG ::

“Remember, that we all are brothers
All people, beasts, trees and stone and wind
We all descend from the one great being
That was always there
Before people lived and named it
Before the first seed sprouted.”

[Dajana] Richtig spektakulär wurde es erst danach. Viel konnte man bereits über die :: HEILUNG :: Shows lesen, hören und sehen. Eine HEILUNG Show selbst zu erleben, zu fühlen, mit allen Sinnen aufzunehmen… ist ganz was anderes!
Die Spannung im Publikum war greifbar, als die Bühne zunächst mit Räucherwaren gereinigt wurde. Dann ging das Licht aus und das Ensemble betrat die Bühne, fand sich im Kreis zusammen und begann mit der Eröffnungszeremonie. Es wurde mucksmäuschenstill.
Dann setzten mit In Maidjan schamanische Rhythmen und eine Art knurriger Obertongesang ein und belegten das Publikum mit einem magischen Bann. Wie hypnotisiert folgte es den Dynamiken auf der Bühne.
Nach und nach enthüllte Licht die Details eines wundervollen Bühnensettings. Weiße Birkenstämme dominierten die Szene. Dazwischen bewegten sich die Krieger und das Ensemble mit einer ganzen Reihe an antiken Instrumenten. Im Mittelpunkt stand fast immer Maria Franz, die wie eine Lichtgestalt die Bühne erhellte. Ganz in weiß gehüllt, wie eine Birke, mit einem zierlichen Geweih auf dem Kopf intonierte sie variantenreich die einzelnen Tracks und Passagen.
Das gesamte Ensemble agierte ruhig und gemessen, ja würdevoll und erhaben würde ich sagen. Obwohl alles sehr geordnet auf der Bühne ablief, hatte man nicht das Gefühl einer durchchoreographierten Inszenierung. Vielmehr hatte man das Gefühl aus Versehen in ein heidnisches Ritual hineingeplatzt zu sein. Man wollte gar nicht stören und konnte sich doch nicht mehr abwenden. Es war zu faszinierend, zu magisch.
Ich fühlte mich wie in eine norwegische Sage versetzt, mit Trollen, Geistern und Elfen. Wie im Trollwald auf dem Fløyen (Bergen). Tatsächlich wurde mit den Stücken ja auch eine Geschichte erzählt, nur nicht so umfangreich wie auf den Alben. Es gab verschiedene Passagen zwischen den Songs, die wie Interludien fungierten. So gab es das Zwiegespräch Galgaldr zwischen Maria und Kai Uwe, der Eröffnungstrack von Futha, mittendrin, oder zum Beispiel eine Fesselungs- und Feuer-Performance am Ende der Show.
Tatsächlich bestritten HEILUNG die erste Hälfte des Sets mit Tracks des Debüts Ofnir und gingen dann zu Futha über. Wie auch immer, diese Performance war nur magisch, fast unwirklich, wie eine Sinneserweiterung, oder eine transzendente Erfahrung.

[BRT] Ich bin da eher zwiegespalten. Einiges gefiel mir richtig gut, einiges war auch völlig mitreißend, aber einiges auch total nervig. Aber vielleicht konnte ich mich an diesem Abend auch nicht so darauf einlassen, wie man sich eigentlich sollte oder müßte.
Richtig gut fand ich die atmosphärischen an Dead Can Dance erinnernden Songs, mit dem eher ätherischen Frauengesang. Das Bühnenbild fand ich klasse, auch das Spektakel auf der Bühne war sehr unterhaltsam. Warum da „afrikanische Stammeskrieger“ herumliefen erschloss sich mir allerdings nicht so ganz.
An manchen Stellen war auch das fast technoide Getrommel geil, wenn die stupid-grölenden Wacken-Vollpfosten direkt hinter mir nicht gewesen wären. Den knurrigen Laibach-mäßigen Lead-Gesang fand ich dagegen eher mäßig – und nein Oberton- oder Kehlgesang (wie es z.B. Huun-Huur-Tu in Perfektion zelebrieren) ist das definitiv nicht!

[Dajana] Nun ja, ob es nun afrikanische Stammeskrieger waren… ich weiß nicht. Und was den Obertongesang angeht, egal ob das nun welcher war oder nicht – ich fand, er passte gut zu den Stücken. Ich finde auch, dass gerade die modernen Klänge in Kombination HEILUNG einzigartig machen. Reine Nordic (Ritual) Folk Musik gaben es ja auch schon vorher. Man erinnere sich an Hagalaz Runedance zum Beispiel. Und Maria Franz und Christopher Juul kommen ja aus dem Electro-Umfeld (Euzen).
Die Lichtshow war toll, der Sound gut, auch wenn man nicht jedes Instrument, das gespielt wurde, heraushören konnte. Dafür war die Show insgesamt deutlich druckvoller, als die Musik auf CD.
Die 90-Minuten-Show endete mit Hamrer Hippyer, einem treibenden 15 Minuten-Stück, bei dem die Horde das Publikum aufforderte mitzugehen. Beinahe jeder sprang vom Sitz, um sich im Stroboskop-Gewitter irgendwie zu bewegen. Hatte ich schon erwähnt, wie großartig die Show war? ;) Wahnsinnsabend! Gerne wieder!

[BRT] Insgesamt war das schon ein unterhaltsames Konzert, aber Fan werde ich von der Band wohl eher nicht. Sicher, ich werde dem Ganzen auf Konserve mal in Ruhe und ungestört eine Chance geben.

Band: Kai Uwe Faust, Maria Franz, Christopher Juul

Setlist: Opening Ceremony, In Maidjan, Alfadhirhaiti, Krigsgaldr, Hakkerskaldyr, Othan, Norupo, Traust, Elddansurin, Galgaldr, Hamrer Hippyer

 
 

story © BRT & Dajana • pics © Dajana & Dajana Winkel • Photography