Die ewig-junge, britische Post-Punk Legende KILLING JOKE um den charismatischen Frontmann Jaz Coleman auf Club-Tour kann man sich eigentlich nicht entgehen lassen, wenn man auf Mucke aus genau jenem Genre steht, dass KILLING JOKE schon in den Achtzigern ja eigentlich verlassen haben. Erst kamen poppiger Wave, später dann Industrial und Metal hinzu – kein Wunder, dass Legionen von Bands KILLING JOKE als Einfluss benennen.
Als Vorband wurden GRAVE PLEASURES auserkoren, die finnische Band Postpunk-Band der jüngeren Generation um den ebenfalls sehr charismatischen Briten Mat McNerney. GRAVE PLEASURES hatten das unglückliche Los die Nachfolgeband der schnell verglühten Shooting-Stars Beastmilk zu sein, deren Debüt Album Climax in allen Polls durch die Decke ging. Der GRAVE PLEASURES Nachfolger Dreamcrash konnte da nur vor die Wand fahren, weil zündende Songs fehlten und die Platte zu gebügelt glatt klang.
Als :: GRAVE PLEASURES :: auf die Bühne müssen, ist die :: Zeche Bochum :: eher spärlich gefüllt (geiles Wetter draussen, dazu gigantische Temperaturen?) aber die wenigen Fans vor der Bühne machen deutlich, dass sie vor allem wegen GRAVE PLEASURES hier sind. Und schon nach wenigen Minuten und kurzen und knackigen Songs wird klar, dass GRAVE PLEASURES wesentlich bissiger und ungezügelter als auf Dreamcrash zu Werke gehen. Viel Drive, viel Spielfreude und ein ungemein charismatischer Frontmann nehmen die Fans mit, ohne dass GRAVE PLEASURES auf Nummer sicher gehen: zwei Songs vom Climax Album, nur einer von Dreamcrash und der Track Deadenders von der Funeral Party EP. Dafür aber drei neue starke Songs. Der Gig macht richtig Laune und lässt das halbgare Dreamcrash Album schnell vergessen. Ja nu und an dem Abend wurde wohl ein neuer Platten-Deal unterzeichnet, Goodbye Majorlabel, hallo Century Media?
Setlist: Infatuation, Joy, Fear Your Mind, Death Reflects Us, Atomic, Deadenders (EP), New Hip Moon, Love In A Cold World
Die Sorgen einer leeren Halle waren unbegründet. Als :: KILLING JOKE :: die Bühne enterten, ist die Zeche prall gefüllt. Vor allem ältere Fans haben, wie es scheint, den Weg hierher gefunden. Gekleidet in einen langen dunklen Mantel, reißt Jaz Coleman das Ruder direkt an sich, obwohl die Temperaturen auch drinnen bedenkliche Höhen erreichen. Der Frontmann ist mit seinen 57 Jahren immer noch unvergleichlich und charismatisch, und reißt das Publikum mit Leichtigkeit mit.
Urmitglied Geordie an der Gitarre gibt eher den Stoiker, während der permanent grinsende Bassist Youth aussieht, als ob ein Clown ihn angezogen hätte. Mit Paul Fergusen an den Drums ist ein viertes Urmitglied an Bord, nicht alle waren permanent dabei, kamen aber immer wieder zu KILLING JOKE zurück. Unterstützt werden die streitbaren Briten heutzutage von Reza Uhdin an den Keyboards.
The Wait vom Debüt eröffnet den Reigen, gefolgt von Autonomous Zone vom Pylon Album – der Sound ist höllisch laut, dass direkt die Ohren klingeln. Die stoischen und fast schon technoid monotonen Drums ballern alles weg was im Weg steht. Die Gitarren schneiden und der Bass bollert, manchmal schießen die Effekte vom Keyboard lautstärkemäßig übers Ziel hinaus.
Im Doppelpack geht es mit den Überhits Love Like Blood und Eighties weiter, die das Night Time Album zum Erfolg gebracht haben. European Super State von Absolut Dissent folgt, mit der Ansage, dass KILLING JOKE überzeugte Europäer sind – wird natürlich positiv honoriert, alles andere hätte mich aber auch gewundert.
Mit Suns Goes Down vom Ha! Album, Unspeakable von What‘s THIS For…, Wardance vom Debüt gab es eine Reihe alter Songs aus den frühen Achtzigern. Bei I Am The Virus von Pylon denke ich schon, dass die Neunziger Phase von KILLING JOKE ein wenig kurz kommt, dann folgt jedoch wenigstens Exorcism vom Pandemonium Album. Jaz Colemans Ansagen pendeln zwischen politischen Äußerungen, kritischen Hinterfragungen der modernen Entwicklungen bis hin zu manchmal wirren Traktaten, bei denen man sich nicht sicher ist, ob er einen verarscht oder es ernst meint. Mit Asteroid geht’s zum 2003er Killing Joke Album, Corporate Elect vom MMXII und mit Pssyche von Ha! endet die reguläre Spielzeit.
Die alten Herren lassen sich aber nicht lange bitten, schließlich soll das Volk gegen 22.00 Uhr aus der Zeche geräumt werden, damit hier eine Depeche Mode Party starten kann.
Mit $O 36 und Requiem gab’s nochmal einen Doppelpack vom Debüt, bevor The Death & Resurrection Show (Killing Joke) und Pandemonium (Pandemonium) die Zeitreise durch das KILLING JOKEsche Paralleldimension beenden.
Ein eindrucksvolles sowie höllisch lautes Konzert, dirigiert vom Endzeitprediger in Person: Jaz Coleman. Wahnsinn, diese Energie, dieser Malstrom und dieser fast durchgehende stoische Groove, der einen fast anderthalb Stunden lang nicht mehr los lässt. Stark, einzigartig – einfach toll. Den alten Herren macht so leicht keiner was vor!
Setlist: The Wait, Autonomous Zone, Love Like Blood, Eighties, European Super State, Sun Goes Down, Unspeakable, Wardance, I Am The Virus, Exorcism, Asteroid, Corporate Elect, Pssyche // $O 36, Requiem, The Death & Resurrection Show, Pandemonium
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