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LADIES & LADYS LABEL FEST

Riot Spears - Kapa Tult - Luminescent

 
2021-08-13 DE – Münster - Sputnikhalle
 

| Einlass: 18:00 Uhr | Beginn: 19:00 Uhr | Tickets: Mindestpreis 6 Euro |

 

Meine Fresse, das erste Konzert. Endlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit. Das erste Konzert seit Februar letzten Jahres. Fühlte sich seltsam an, nahezu surreal, wieder mit dem Fotorucksack loszuziehen :) Und ich musste hernach erstmal wieder alte Liveberichte rauskramen, um zu wissen, wie Text, Fotos und Galerien zu formatieren sind. Nichtsdestotrotz, die Kamera liegt noch immer gut in der Hand, auch wenn es wohl noch zwei, drei Konzerte für das Feintuning braucht. Und der Workflow kam auch schnell wieder zurück ;)

Anlass für diese emotionale Achterbahnfahrt war ein kleines aber feines Label Festival in der :: Sputnikhalle :: Münster. Das 2016 von Johanna und Johanna gegründete “first officially sexist* music label in the world” :: LADIES & LADYS LABEL :: präsentierte an diesem Freitagabend zwei ihrer Label-Bands, nämlich RIOT SPEARS und LUMINESCENT, plus die Newcomer KAPA TULT, die ja auch gut zum Label passen würden.
Hier ein paar Worte aus dem Manifest des Labels:
"Ladies & Ladys Label ist das erste offiziell sexistische* Musiklabel der Welt. Provokant erscheint auf den ersten Blick das Wort sexistisch. 95%* der Musikindustrie ist Männerdominiert, Sexismus ist erlebter Alltag. Die Vorstände der drei Major Labels dieser Welt sind ausschließlich männlich und der weibliche Anteil auf den Bühnen der großen Festivals liegt oft bei unter 10%. Ladies & Ladys Label ist ein vollkommen transparentes Musiklabel welches sich um die Förderung von Ladys* in der Musikbranche kümmert."

Das Festival wurde besonders gefördert von: Create Music, Landesmusikrat NRW, LVR Landschaftsverband Rheinland, LWL Kulturstiftung, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und dem NRW Kultursekretariat Gütersloh.

Auf Grund des noch immer terrorisierenden kleinen Mistdingens fand das Festival draußen unter dem Vordach der Sputnikhalle mit den 3G Regeln statt (geimpft, gesundet, getestet). Was ist aus 3SNF geworden? Ok, Fotografen-Gag…
250 Personen waren erlaubt, knapp 100 fanden ihren Weg in die Sputte, bei einem "Zahl-was-du-kannst-Prinzip" und 6 Euro Mindestpreis. Da hätte ich mir schon ein volleres Haus gewünscht, zumal man sich maskenfrei bewegen und sitzen konnte. Maskenpflicht galt nur für die Innenräume, sprich Bar und Toiletten.
Trotz dieser Freiheiten war dennoch eine gewisse Unsicherheit und auch Distanziertheit zu spüren. Keiner wusste so richtig, wie man sich anderen gegenüber verhalten sollte. Wo man sich sonst üblicherweise um den Hals fällt, zuckte der Arm zum Handschlag und wurde verschämt wieder zurückgezogen. Bestenfalls trafen sich Ellbogen oder Fäuste zur Begrüßung. Seltsam und surreal. Krass, was Covid19 so aus uns in den letzten 18 Monaten gemacht hat.

:: Fotos :: LUMINESCENT ::

Los ging es kurz nach sieben mit der Sängerin und Songschreiberin :: LUMINESCENT ::, ein One-Woman-Dark-Pop Projekt aus Berlin. "Auf ihrem Debüt Collisions prallen Wünsche und Taten und Gefühle und Realitäten aneinander. Ihre Arrangements sind so schön reduziert und trotzdem gewaltig, lässig performt, ernstgemeint und so warm dabei." So das Label.
Die Ausgangssituation war sicherlich nicht gerade komfortabel. Einen Konzertabend zu eröffnen ist nie eine leichte Aufgabe. Das Publikum war zahlenmäßig noch recht spärlich und saß weit weg. LUMINESCENT war sichtlich nervös und brauchte zwei, drei Songs, um sich richtig reinzufinden, aber dann vermochte sie die Anwesenden mit ihren Songs zu verzaubern. Gut, Singer/Songwriter Musik ist naturgemäß immer etwas ruhiger, nichts, wo man geradewegs dazu ausflippen würde. Ein intimer Rahmen in einem kleinen, kuscheligen Club hätte sicher auch viel besser gepasst, aber nun, LUMINESCENT bot ein schönes Set – alle Songs kamen vom neuen Album Collisions und wurden mit Akustikgitarre, E-Gitarre oder Piano interpretiert.

Setlist: No Robot No Machine, Time Shackles, Treibsand, Zu Viel Egal, Kälte, Rootles, Alienation, Silence, Silhouettes

:: Fotos :: KAPA TULT ::

Die Stimmung änderte sich schlagartig, als kurz darauf :: KAPA TULT :: die Bühne enterten. KAPA TULT ist eine Band aus Leipzig und nennt ihre Musik Priority-Pop. Was ist das? Hm, das konnte die Band, laut Bassist Paul, bisher auch noch nie einwandfrei beantworten. Vielleicht Indie Pop Rock Punk mit ein bisschen Hip-Hop? Zugegeben, musikalisch ist das ja so gar nicht meine Baustelle als alte Heavy Metal Made (O-Ton eines Freundes), aber das Trio (tatsächlich war es ja ein Quartett mit Keyboarderin Robin, ich bin mir aber nicht sicher, ob sie fest zur Band gehört) hat mich einfach umgehauen. Die beiden Mädels (Drummerin Angi ist ein Riesen Mike Patton Fan – das gibt gaaaanz viele Pluspunkte, auch wenn sie an diesem Abend mit nem Kelly Family Shirt auflief ;)) und der Bassist waren unglaublich sympathisch und hatten so dermaßen viel Spass auf der Bühne, dass man da einfach mitmusste. Immer schön auf der Priority Lane. Knaller Song übrigens. Für mich neu war, dass man auch, wie Angi, im Stehen Schlagzeug spielen kann. Hab ich vorher auch noch nicht gesehen.
Die Texte sind sehr spitzzüngig, findig und zuweilen recht bissig. Da ich bisher keine anderslautenden Infos gefunden habe, gehe ich davon aus, dass alle gespielten Songs auf dem zukünftigen Debüt Meinten Sie Katapult? vertreten sein werden. Übrigens auch so ein spitzfindiger Bandname, also KAPA TULT, da weigern sich irgendwie Kopf und Zunge und wollen immer ein Katapult draus machen. Clevere Marketingstrategie jedenfalls ;)
Ein oder zwei Songs waren so brandneu, dass sie noch keine 24 Stunden alt waren. So gab es dann auch hier und da Irrung und Verwirrung, die für spontane Lacher sorgten. Überhaupt schien es so manchen internen Running Gag zu geben, welche den einen oder anderen immer mal wieder ins Lachen versetzte.
Und endlich zog es auch das Publikum vor die Bühne, animiert von Labelchefin Johanna und den Mädels des Headliners, die bei KAPA TULT ordentlich abzappelten.
Ja, das hat wirklich richtig Spass gemacht! Und Priority Lane steckt mir immer noch in den Gehörgängen und lässt mich ein ums andere Mal grinsen.

Band: Inga (Gitarre, Gesang), Angi (Drums), Paul (Bass), Robin (Keys)

Setlist: Elite, Auszeichnung, Premiun, Wolfgang, Menschen.Leben.Tanzen.Welt, Lova, U2, Cigarettes, Michelle, Schoko, Leck mich, Priority Lane/Street // Kittchen

:: Fotos :: RIOT SPEARS ::

:: RIOT SPEARS ::, so wurde mir im Vorfeld berichtet, schwimmen gerade auf einer richtigen Hype-Welle, haben es sogar in die Liste der 20 einflussreichsten Grungebands der letzten 20 Jahre geschafft. Und dass sie den Geist des Riot Grrrl Underground Feminist Punk heutzutage mitprägen. All das als Newcomer-Band, die im März ihr Debüt Bad veröffentlicht hat. Gleichwohl sind die Musikerinnen ganz gewiss keine Neulinge, sondern haben bereits in verschiedenen anderen Bands und Projekten ihre Meriten gesammelt.
Darüber hinaus sind RIOT SPEARS auch Aktivistinnen, selbstredend, und unterstützen FLINT* und DIY Bands in der Berliner Szene. Gefunden haben sich die Mädels im Grunge, mit einer ordentlichen Portion Punk und Noise. Oft wütend und ruppig wie bei Alien Pain, aber auch melancholisch und melodiös. Beim Suchen nach Infos wurde irgendwo Richtung Hole und Courtney Love referenziert – Ja, das passt ganz gut. Alte Joan Jett kämen mir auch in den Sinn.
Das Eis beim Publikum war nun endgültig gebrochen und vor der Bühne ging es ordentlich ab. Da brauchte es kaum Aufforderung. Lacher gab es auch, als RIOT SPEARS den Running Gag des kaum 24 Stunden alten neuen Songs von Kapa Tult wieder aufgriffen.
Natürlich ließ das Publikum die RIOT SPEARS nicht ohne weiteres einfach so von der Bühne ziehen. Gleich zweimal mussten sie für eine Zugabe zurück. Dabei gab es einen interessanten Wechsel, als Blanca und Svenja bei Park Song ihre Instrumente tauschten. Großartige Show!

Band: Blanca Schmid (Drums), Svenja Weiß (Bass), Martha Kamrath (Git, Vox),

Setlist: Harvester, Mermaid Bitch, Pathetic, Emo Fries, Monster, Boats, Bad/I Feel So Good, WWIII, Toir, Hot // Devil & The Sea, Park Song, Alien Pain

So. Das erste Konzert, seit einer halben Ewigkeit, liegt hinter mir. Obwohl, wie bereits erwähnt, das musikalisch so gar nicht meine Baustelle ist, hab ich bei diesem Label-Festival unglaublich viel Spass gehabt, habe Musik und Leute wirklich genossen und auch für mich selbst viel mitgenommen an Emotionen, an Miteinander, an Blickwinkeln und Perspektiven. Gut, vieles mag am Konzerte-Entzug liegen, die nicht-mehr-Selbstverständlichkeit ein solches erleben zu dürfen, so dass man jetzt so eine Show ganz anders wahrnimmt und wertschätzt. Vieles liegt aber auch daran, wie sehr man sich bzw. ich mich, und vieles andere auch, in den letzten Monaten verändert und wie sich Perspektiven und Fokus verschoben haben.

Und das Beste zum Schluss: Es wird ein weiteres LADIES & LADYS LABEL FEST geben, und zwar am 17. September 2021, dieses Mal mit ELL, Gigolo Tears und Wenn einer Lügt dann Wir. Wieder unter dem Vordach der Sputnikhalle mit den 3G Regeln. Die erste Band wird 18:30 Uhr auf der Bühne stehen. Der Ticktetpreis läuft wieder unter dem Motto: "zahl was du kannst" bei einem Mindestpreis von 6 Euro.

story & pics © Dajana & Dajana Winkel • Photography