Irgendwelche
koordinatorisch unterbegabten Menschen hatten es geschafft, dass
METALLICA und HEAVEN & HELL
am selben Tag in Wien spielen sollten – allerdings an verschiedenen
Orten. Wäre es dann tatsächlich so gekommen, wären
wohl nicht wenige Metaller vor einem Dilemma gestanden, meinereiner
jedenfalls mit Sicherheit. Diese Entscheidung wurde mir allerdings
abgenommen, indem man die Halbgötter Iommi, Butler, Appice
und Dio einfach zur METALLICA-Vorgruppe für
diesen Tag umfunktionierte. Leider waren erstere dadurch natürlich
zu einem deutlich kürzeren Auftritt als am Rest ihrer Tour
gezwungen. Nachdem aber METALLICA in jüngerer
Vergangenheit mehrfach durch extrem Klassiker-dominierte Setlisten
aufgefallen waren, war ich letztendlich doch froh, nicht auf mein
erstes Metallica-Konzert seit 1993 verzichten zu müssen (was
ich ansonsten wohl zugunsten von HEAVEN & HELL
getan hätte).
Ach ja, als
erste Vorgruppe hätten eigentlich Bullet For My Valentine
spielen sollen, die ihren Auftritt aber aus nicht genau erläuterten
Gründen absagten, was uns jetzt nicht weiter traurig stimmen
soll. Die Rammstein-Vorbilder ::
OOMPH! ::
wurden letztendlich stattdessen engagiert – eine Band, die
zwar in ihrem Bereich sicher zu den kompetentesten Vertretern
zählt, aber trotzdem nicht mein Fall ist, weshalb ich, ebenso
wie die meisten meiner Freunde und Bekannten unter den Konzertgängern,
beschloss, erst gegen Ende des OOMPH!-Auftritts einzutreffen,
was uns auch sehr akkurat glückte – die letzten 2 Stücke
bekamen wir in der Warteschlange beim Eingang mit.
Der Austragungsort
dieses Giganten-Freilufttreffens, nämlich der Rotundenplatz
beim Wiener Messegelände, war mir als solcher bis dato unbekannt
und erwies sich als sandiger Schottterboden – wahnsinnig
gemütlich… dennoch fanden sich über 30 000 Hanseln
und Greteln zum großen Ereignis ein – darunter gut
70% Mainstream-Publikum.
Von diesen
war der überwiegende Teil nicht übermäßig
an der göttlichen Darbietung interessiert, die ::
HEAVEN
& HELL :: pünktlichst nach Zeitplan
darzubieten begannen, und zwar mit dem traditionellen Intro E5150,
gefolgt von einem (von den wenigen tausend Interessierten) eifrig
beklatschten Mob Rules. Schon da war klar, dass Dio mit
seinen 66 Jahren nach wie vor ein absoluter Ausnahmekönner
seines Fachs ist – nennen wir es beim Namen: der beste Sänger
im Metal-Bereich. In seinem Samthemd vollführte er wieder
einmal Gesten, als hätten wir das Jahr 1980. Trotz des starkes
Windes war der Sound (zumindest dort, wo wir standen) ziemlich
akzeptabel, und so stand einem ungestörten Genuss von fast
ausschließlich vom Überalbum Heaven And
Hell und vom Nachfolger Mob Rules
stammenden Klassikern wie Children Of The Sea, I
(einziges Dehumanizer-Stück),
Voodoo oder The Sign Of The Southern Cross nur
das inkompetente Gegröle einiger Ignoraten im Wege, welches
aber auch nicht allzu schwer ins Gewicht fiel. Niemand außer
Toni Iommi (wie üblich mit diesem entsetzlichen riesigen
Kreuz behängt) kann derartige tonnenschwere Riffs in diesem
unvergleichlichen Stil vortragen – und damit steht dieses
Konzert in meiner persönlichen Wertung auf einer Stufe mit
dem Black Sabbath – Auftritt vor 2 Jahren in der Stadthalle,
als man mit Ozzy am Mikrofon die Anfangsphase der Sabbath-Karriere
ebenso genial nachzeichnete wie eben diesmal die Dio-Jahre. Die
Young – zum Glück habe ich das nicht getan, sonst
hätte ich diese großartige Nummer nie live um die Ohren
gekriegt. Absoluter Höhepunkt des Sets war dann das abschließende
Heaven & Hell, auch heute natürlich wieder um
einige Kilometer länger als in der Studioversion. Ein perfekter
Auftritt also, oder nicht? NEIN, nicht ganz! Wo um alles in der
Welt war Neon Knights? Wird doch am Rest der Tour gespielt!
Kann doch nicht sein, dass da heute keine Zeit dafür ist!!!!
Meine Herren: Die Nummer auszulassen, erfüllt den Tatbestand
des Tiefschlages! Die paar Minuten wäre wohl noch Zeit gewesen!
Aber gut, das soll den extrem positiven Gesamteindruck jetzt aus
nicht allzu entscheidend trüben. Es war göttlich, und
man darf ja hoffentlich damit rechnen, bei der Headlinertour im
Herbst dann eine deutlich längere Vorstellung mitzuerleben.
In der folgenden,
fast einstündigen Umbaupause wurde es im vorderen Bereich
des Areals dann mehr als eng, sodass unsereiner es vorzog, sich
eher im mittleren Bereich aufzuhalten, wo man wenigstens noch
ein paar Zentimeter Platz zum Birne-Beuteln hatte. Als also dann
endlich das altbekannte Intro The Ecstasy Of Gold ertönte,
gingen zahllose Fäuste in die Luft, und was danach in den
ersten 2 Dritteln des über 2 Stunden dauernden ::
METALLICA
:: Autrittes folgte, musste eigentlich jedem Anhänger
der ersten 4 Alben die Freudentränen in die Augen treiben.
Da ich zuvor weitestgehend erfolgreich sämtliche in diversen
Intenetforen kursierende Setlisten ignoriert hatte, war meine
freudige Überraschung jetzt umso größer, gleich
als erstes mein Lieblingsstück Creeping Death serviert
zu kriegen. Schon da wurde endgültig klar, dass die Fans
der Frühphase nicht gerade die absolute Mehrheit im Publikum
stellten, sonst hätte das altbewährte „Die! Die!
Die!...“-Spielchen im Mittelteil, bei dem das Publikum eigentlich
zunächst ohne Aufforderung aktiv werden sollte, wohl etwas
mehr Mitwirkende gefunden als bestenfalls 10% der Anwesenden.
For Whom The Bell Tolls folgte mit schlechtem Sound nach,
und mit dem Titelstück wurde gleich noch ein drittes Ride
The Lightning – Stück hinterhergeschoben,
glücklicherweise bereits mit besserem Sound, der aber trotzdem
in der gesamten ersten Halbzeit noch ziemlich vom Wind abhängig
blieb. Die ohnehin schon verrückt spielenden Glückshormone
der Thrasher wurden mit dem nicht unbedingt zum Stammset zählenden
Disposable Heroes noch weiter angestachelt, und bei Sanitarium
bekam ich dann die ersten Stimmprobleme. An Schonung war aber
nicht zu denken, denn schon kam die nächste Genialität
in Form von …And Justice For All angefahren. Trotz
aller Professionalität war doch auch die Spielfreude der
Band nicht zu übersehen, wenn auch die immer wiederkehrenden
kurzen Solos von Hammett und Trujillo den beiden Chefs willkommene
Verschnaufpausen gewesen sein dürften... ist ja auch wirklich
erschreckend, wie alt der Hetfield mittlerweile aussieht - da
weiß ich doch gleich wieder, wieso ich den ganzen Abend
lang keinen Tropfen Alkohol zu mir genommen hab. In seinen Ansagen
betonte er stets die Nähe zwischen Band und Publikum und
würdigte auch die Herren von HEAVEN & HELL
als diejenigen, die seiner Partie den Metal beigebracht hätten.
Ruhe für meine Stimme und Genickmuskeln gab es dann bei The
Memory Remains, bei dem allerdings nicht unbeträchtliche
Teile des Publikums ganz plötzlich ihre Mitsingqualitäten
entdeckten. Meinen in Richtung meines Nebenmannes geäußerten
Worten „Wenn man hauptsächlich in der Metalszene unterwegs
ist, kriegt man ja gar nicht so mit, wie unglaublich vielen Leuten
dieser neuere Scheissdreck taugt“ möchte ich an dieser
Stelle gar nix mehr hinzufügen. Genau diese vielen Leute
waren es dann auch, die bei der Göttergabe The Four Horsemen
wieder in ratloses Schweigen verfielen. Rob Trujillo durfte hernach
mit einer Soloeinlage und einem sehr kompetent umgesetzten Orion
beweisen, dass er, und das sage ich bei aller Sympathie für
Jason Newsted und mit vollem Respekt für dessen Verhalten
- vom Spielstil her der wahre Nachfolger von Cliff Burton ist
(seine schimpansenartige Bühnenpräsenz muss man ja deshalb
noch lang nicht sonderlich schätzen). Fade To Black
bot nochmal ein bisserl Zeit zum Verschnaufen, bevor das vielumjubelte
Master Of Puppets erneut körperliche Schwerarbeit
erforderte. Danach folgte mein persönlicher Höhepunkt
des gesamten Abends: Whiplash, in höllischer Geschwindigkeit
abgefeuert – darauf hatte ich echt kaum zu hoffen gewagt.
Großartig! Damit war der reguläre Teil, der meine kühnsten
Träume übertroffen hatte, beendet. Es kam, was kommen
musste, nämlich der erste Zugabeteil mit den sogenannten
„Hits“. Die nette Sandlerhymne Wherever I May
Roam kam dabei erfreulicherweise statt des unsäglichen
Sad But True zum Zug, gefolgt vom etatmäßigen
Schmachtfetzen Nothing Else Matters (bei dem interessanterweise
kaum Feuerzeuge in der Luft zu sehen waren, das aber natürlich
von der MTV-Fraktion dennoch leidenschaftlich mitgejammert wurde).
Maschinengewehr-Rattern, laute Explosionen und heftiger Pyro-Einsatz
– NA, WAS KANN DENN DAS SEIN? 100 Punkte! One,
ebenfalls von vielen lauthals mitgesungen, kam äußerst
heftig aus den Boxen und danach wurde die erwähnte MTV-Fraktion
mit Enter Sandman ins Bett geschickt. Tatsächlich
verließen jetzt etliche Leute das Gelände, nachdem
sie ihre aus Funk und Fernsehen bekannten Schlager gehört
hatten. Die Ausharrenden nötigten der Band noch eine weitere
Zugabe ab, bei der zunächst eine der unnötigsten Coverversionen,
die METALLICA jemals aufgenommen haben, nämlich
Stone Cold Crazy zum Einsatz kam (dabei dürften
sie ja in ein paar anderen Städten das mega-geniale Am
I Evil? ausgepackt haben – warum nicht bei uns? Protest!
Und ich wär ja eh schon mit Blitzkrieg, Beadfan
oder Last Caress mehr als zufrieden gewesen). Andererseits
konnte man nach dem, was der reguläre Teil so alles beinhaltet
hatte, eh nicht ernsthaft noch weitere Ansprüche stellen.
Den endgültigen Schlusspunkt setzte das der „Metallica-Familie“
gewidmete Seek And Destroy, das nochmal die Massen zum
heftigen Mitgrölen animierte. Dann war's vorbei, das Konzert,
das alle Hoffnungen bei weitem getoppt hatte (man bedenke: von
18 gespielten Stücken waren 11 von den ersten 3 Scheiben
und nur ein einziges aus der Zeit nach dem schwarzen Album) und
nach dem man mit glücklichem Grinsen zur U-Bahn, oder wohin
auch immer, trotten durfte. Netterweise setzte der für den
ganzen Nachmittag und Abend angekündigte Regen erst jetzt
ein.
Fazit:
Einfach super! Jetzt noch eine ordentliche Headliner-Tour von
HEAVEN & HELL (die für meine Begriffe
auch gern unter dem gebührenden Namen Black Sabbath rennen
kann) und nach Jahrhunderten wieder ein brauchbares METALLICA-Album,
dann hab ich endgültig nix mehr auszusetzen.