The
Big Four
Nach dem erfolgreichen
Absolvieren diverser Festivals im letzten Jahr und den vermutlich
noch erfolgreicheren DVD-Verkäufen war es ja eigentlich abzusehen,
dass es dazu noch ein "Nachspiel" geben würde…
Diesmal also eine komplette Tour durch große Arenen etc.,
wieder prominent besetzt mit den erfolgreichsten Ami-Thrash-Bands
der letzten 30 Jahre. Da ich die meisten davon (bis auf SLAYER)
schon lange nicht mehr live gesehen hatte, war die Gelegenheit
folglich günstig, und wenn man sich anschaut, was solche
Events ansonsten häufig kosten, lagen die ca. 80 Euro sogar
noch durchaus im akzeptablen Rahmen.
Das lässt sich von der Organisation allerdings nicht sagen.
Zwar gingen bei uns An- und Abfahrt sehr zügig und stressfrei
vonstatten (die Parkgebühr von 8 Euro verbuchen wir mal als
kalkulierte Unverschämtheit), vor der Halle fehlten aber
z.B. Hinweisschilder auf die Eingänge zum Innenbereich, so
dass sich viele Fans zunächst am falschen Tor anstellten.
Schlimmer
war aber, dass die Kapazitäten zur Versorgung der ca. 57.000
Leute schlicht und ergreifend zu gering kalkuliert waren. Es ist
halt etwas anderes, ob man eine große Masse Menschen für
ein 90minütiges Fußballspiel oder aber über ca.
8-10 Stunden versorgen muss. Sollte eigentlich jedem klar sein,
dass in einem solch langen Zeitraum eine ganz andere Bedürfnislage
entsteht. Außerdem dürfte es auch keine Neuigkeit sein,
dass bei Rock- und vor allem Metal-Konzerten einiges an Alkohol
getrunken wird, und normaler Weise ist dieser Umstand auch immer
ein wichtiger Punkt in der Gesamtkostenkalkulation.
Anscheinend aber nicht an diesem Tag, denn die vorhandenen Kapazitäten
hätten wahrscheinlich nicht mal bei der Hälfte des Publikums
zu einem stressfreien Ablauf ausgereicht. So entstanden sowohl
auf den Rängen als auch im Innenraum lange Wartezeiten, wenn
man sich einfach nur ein neues Bier oder einen Softdrink kaufen
wollte. Über 45 Minuten sind dafür einfach zu lang,
und der Andrang war folglich so groß, dass die Security
zusätzliche Ordner-Ketten einrichten musste, um den Druck
der Masse von den Bierständen abzuhalten. Dort wurde jedoch
vom zu spärlich vorhandenen Personal weiterhin ganz gemütlich
gezapft… wenn überhaupt, denn die gelegentlichen Fasswechsel
dauerten unerklärlich lange, was die Wartezeit weiter zunehmen
ließ. Fast konnte man meinen, dass Personal mache noch einen
Probelauf für die Zapfanlage…
Auch der Andrang an den Fressständen sprengte alle regulären
Dimensionen, und die Idee, die Toilettenfrage im Innenraum einfach
mit einem Karree von Dixies in der Nähe der Nordkurve zu
lösen, war ebenfalls höchstens suboptimal.
Zudem war es völlig unverständlich, warum es im Bereich
der Frontstage überhaupt keine Verpflegungs- und Toilettenmöglichkeiten
gab. So mussten die Leute dort diesen Bereich erst umständlich
durch zwei Schleusen verlassen und erhöhten so den durch
die Masse verursachten Druck im hinteren Teil des Innenraums.
Nicht verzichten wollte man hingegen auf die völlig überflüssige
Knappenkarte, weil damit angeblich keine Wechselgeldprobleme bei
den Verpflegungsständen entstehen. Mag sein, die gab es aber
dafür später offensichtlich an den Kartenhäuschen,
als die Leute ihr nicht verbrauchtes Guthaben wieder einlösen
wollten, zusätzlich zu den auch hier entstehenden Wartezeiten.
Und noch ein Punkt: in den Innenraum führten lediglich zwei
relativ schmale Tunnel, die sowohl als Ein- als auch als Ausgang
fungierten. Kommt einem diese Konstellation irgendwie bekannt
vor? Zum Glück war die Stimmung trotz Durst und Gedränge
die meiste Zeit über noch relativ entspannt und die Besucher,
gemessen an den Verhältnissen, zueinander sehr rücksichtsvoll.
Es ist aber ein absoluter Witz, wenn der Geschäftsführer
der Arena hinterher angibt, aufgrund behördlicher Anordnungen
hätte man nicht mehr Stände zur Versorgung der Zuschauer
aufbauen dürfen, sich über eine mögliche Eskalation
etc. im Innenraum aber anscheinend niemand Gedanken gemacht hat.
Dass die Kassenhäuschen teilweise mitten in den Laufwegen
zu den Tunneleingängen standen, hat daher wohl auch nicht
weiter gestört...
Die Aussage, dass man an sich wisse, wie solche Veranstaltungen
durchzuführen seien, mutet angesichts der tatsächlichen
Durchführung wie blanker Hohn an. Denn dann muss man einfach
die Frage stellen, warum diese Erkenntnisse nicht auch zu Ergebnissen
geführt haben?
(Foto: Marek Lieberberg Konzertagentur)
Immerhin wurde
die Halle während des gesamten Zeitraums gut belüftet,
um mal was Positives zu sagen. Bauart bedingt war der Sound eigentlich
bei keinem Act optimal, aber die Leute am Mischpult haben da zumindest
das Beste rausgeholt. Wir standen in der Regel zwischen den beiden
Kamera-Podesten, und da war es mit Abstrichen ok. Gewisse Probleme
mit Reflexionen und Hall traten zwar trotzdem auf, dafür
wurde zum Glück darauf verzichtet, das durch pure Lautstärke
wieder auszugleichen.
Für die sich weiter hinten befindlichen Zuschauer (also ca.
80% aller Anwesenden) gab es jeweils seitlich der Bühne große
Leinwände, beim Headliner sogar eine noch größere
Leinwand direkt hinter dem Drumkit. So konnte man eigentlich von
jedem Platz aus dem Geschehen auf der Bühne gut folgen. Aufgrund
des lichtdurchlässigen Daches kam allerdings erst bei METALLICA
die Lightshow zur Geltung und damit so richtiges Konzertfeeling
auf, vorher war es dafür einfach noch zu hell.
Überpünktlich
um 16:56 begannen :: ANTHRAX
:: mit ihrem Auftritt. Meine persönliche Erwartungshaltung
war dabei im Vorfeld gleich Null. Der unsympathische Umgang mit
einem meiner Lieblingsmusiker und das darauf folgende weitere
Sänger-Chaos haben mein Interesse an der Band beinahe zum
Erliegen gebracht. Dafür war es dann aber eigentlich ganz
ok. Ich will jetzt nicht gleich von einer Überraschung sprechen,
aber solide war es immerhin.
Andreas Kisser (Sepultura) vertrat den sich im "Vaterschaftsurlaub"
befindlichen Scott Ian mehr als ordentlich und lieferte sich einige
wilde Bang-Duelle mit Frank Bello. ANTHRAX spielten, wie
erwartet, ausschließlich Songs aus der Belladonna-Ära
– und wer etwas gehässig sein will, kann Joey Belladonna
auch gerne absprechen, John Bush-Songs vernünftig hinzukriegen.
Also vielleicht durchaus sinnvoll, so was erst gar nicht zu versuchen.
Weiterhin gab es mit Fight'Em Till You Can't noch einen
neuen Song, der aber ganz klar die klassische Linie verfolgte
und z.B. auf State Of Euphoria nicht weiter aufgefallen
wäre.
Ansonsten war die Songauswahl, bis auf die genannte Einschränkung,
ganz gut, zumal meine beiden Faves aus dieser Zeit gespielt wurden,
nämlich Madhouse und Medusa. Trotzdem konnte
ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass sich ein großer
Teil des Publikums nicht die Bohne für die Band interessierte…
Setlist: Caught In A Mosh, Madhouse, Got The Time, Among
The Living, Antisocial, Indians, Fight 'Em Till You Can't, Metal
Thrashing Mad, Medusa, I Am The Law
Bzgl. meiner
Erwartungshaltung im Vorfeld hatten ::
MEGADETH
:: eigentlich alle Trümpfe in der Hand. Schließlich
veröffentlicht die Band ja nach einer langen Durststrecke
wieder starke Alben, und technisch zählte man ja immer zum
Besten im gesamten Metalbereich.
Trotzdem war dieser Auftritt mit Abstand der schlechteste des
heutigen Tages, was man leider an Bandleader Dave Mustaine festmachen
muss. Wegen der Leinwände konnte man nämlich gut verfolgen,
dass der Rotschopf die meiste Zeit irgendwo hin sang… nur
eben nicht in das dafür vorgesehene Mikro. Als Folge war
der Gesang über weite Strecken kaum oder gar nicht zu vernehmen.
Ok, viele MEGADETH-Songs sind auch rein instrumental interessant,
aber muss man das auf einem Konzert haben?
Dazu kamen noch einige weitere Punkte: warum wählte man z.B.
einen dermaßen lahmen Opener? Warum verschwand die Band
in der ersten Hälfte des Sets nach jedem Song hinter der
Bühne, anstatt z.B. einfach mal das Publikum zu begrüßen?
Die Stimmung in der Menge ging infolge dessen immer weiter runter,
obwohl die Band technisch wie erwartet nichts anbrennen ließ.
Vor allem Chris Broderick konnte mich mit seinem Gitarrenspiel
absolut begeistern, wohingegen Dave Ellefson eher blass blieb.
Ein missglückter Auftritt also, und es konnte nur noch besser
werden…
Setlist: Trust, In My Darkest Hour, Hangar 18, Wake
Up Dead, Head Crusher, Rattlehead, Symphony Of Destruction, Peace
Sells… But Who's Buying, Holy Wars... The Punishment Due
Eigentlich
müsste es ja nicht The Big Four, sondern The Big One + Three
heißen, zumindest, wenn man sowohl die Rahmenbedingungen
für die drei ersten Bands und auch deren heutigen Publikumszuspruch
betrachtet. Nun, :: SLAYER
:: stachen lieber auf ihre Art aus dem sonstigen Programm
heraus, da sie einfach extremer als ihre Kollegen sind.
Das betrifft sowohl die Riffs bzw. Songs als auch das ganze Auftreten
an sich. Bei den Ansagen überzeugte Tom Araya hingegen ein
ums andere Mal als Charming Man und hatte damit die Massen schnell
im Griff. Konsequenter Weise kamen SLAYER deutlich besser
an als ihre beiden Vorgänger, da war zum ersten Mal richtig
Leben in der Bude. Spätestens ab War Ensemble gab
es kein Halten mehr, aber auch South Of Heaven oder Raining
Blood sorgten für deutlich sichtbare Begeisterung, zum
ersten Mal an diesem Abend auch auf den Rängen. Als Ersatz
für den immer noch durch eine Arachniden-Attacke außer
Gefecht gesetzten Jeff Hannemann hatte man Gary Holt (Exodus)
mitgebracht, der seinen Job mehr als ordentlich erledigte und
gut mit Kerry King harmonierte.
Leider gab es aber auch hier keine Zugabe, dafür ließ
man nach dem alles vernichtenden Abschluss Angel Of Death
ein zufriedenes, aber um so durstigeres Publikum zurück.
Spätestens jetzt ging an den Ständen gar nichts mehr…
Setlist: World Painted Blood, Hate Worldwide, War Ensemble,
Postmortem, Stain Of Mind, Disciple, Dead Skin Mask, Snuff, South
Of Heaven, Raining Blood, Black Magic, Angel Of Death
Nach diesem
absolut überzeugenden Auftritt hatten ::
METALLICA
:: allerdings trotzdem keine Probleme, das Ganze in
Punkto Bombast und Publikumsreaktion zu toppen. Der überwiegende
Teil war eben ganz klar nur wegen einer einzigen Band gekommen,
und viele davon waren sicherlich keine originären Thrash-Fans.
Jedenfalls ein beeindruckendes Bild, wenn man von unten die Ränge
hoch schaute und überall feiernde Fans beobachten konnte.
METALLICA nutzten die jetzt deutlich verbreiterte Breite
der Bühne wirklich gut aus und hatten dazu eine relativ abwechslungsreiche
Light- und Pyroshow aufgefahren. Zum Glück spielten sie auch
ein ziemlich gut zusammengestelltes Set mit einigen Überraschungen,
sei es beim Opener Hit The Lights (wer hatte da schon mit
so einem alten Song gerechnet?) oder z.B. der Tatsache, dass an
sich gesetzte Hits wie z.B. Nothing Else Matters gar nicht
gespielt wurden. Stattdessen gab es tatsächlich mal The
Call Of Ktulu live, einen Song, den die Band wahrscheinlich
in ihrer ganzen Karriere nicht ein Dutzend mal gespielt hat. Nicht
verwunderlich war hingegen die Tatsache, dass die alten Klassiker
wie Master Of Puppets oder For Whom The Bell Tolls
deutlich besser ankamen als das gesamte neuere Material.
Am meisten gingen die Leute aber bei den Songs des Black Albums
ab; es handelt sich einfach um die Stücke, die wirklich jeder
kennt und mit denen METALLICA ihre größten Erfolge
hatten. Somit endete der Hauptteil der Show konsequent mit einer
fulminanten Version von Enter Sandman, aber natürlich
machte die Menge danach so einen infernalischen Lärm, dass
eine Zugabe nicht lange auf sich warten ließ.
Nach einigen Umbauten enterten dann alle Bands gemeinsam die Bühne,
um diesmal nicht (wie sonst) Am I Evil, sondern stattdessen
mal Helpless zu spielen. Lediglich Slayer konnten nicht
dabei sein, da sie bereits zum nächsten Auftritt fahren mussten.
Natürlich hatten sich danach aber alle furchtbar lieb, bevor
der Abend mit zwei weiteren Stücken dann doch zu Ende ging.
Allerdings nur musikalisch, denn das Publikum feierte seine Helden
auch noch geraume Zeit, nachdem bereits die Oberlichter wieder
angegangen waren. Kein Wunder also, dass sich METALLICA
ob dieser enthusiastischen Reaktionen ein ums andere Mal extrem
gerührt zeigten.
Setlist: Hit The Lights, Master Of Puppets, The Shortest
Straw, Seek & Destroy, Welcome Home (Sanitarium), The Memory
Remains, All Nightmare Long, Sad But True, Wherever I May Roam,
The Call Of Ktulu, One, For Whom The Bell Tolls, Blackened, Fade
To Black, Enter Sandman // Helpless (mit Megadeth und Anthrax),
Battery, Creeping Death
Wenn man nur
das Konzert betrachtet, muss man von einem gelungenen Abend sprechen,
obwohl MEGADETH leider einen arg grottigen Tag erwischt
hatten. Dafür fielen ANTHRAX nicht negativ auf, SLAYER
rockten das Haus, und METALLICA bewiesen, dass man sie
durchaus positiv gemeint als Stadionrock-Band bezeichnen kann/darf.
Ich hatte jedenfalls vorher nicht gedacht, einen so guten Auftritt
geboten zu bekommen.
Zieht man aber die gesamten organisatorischen Umstände mit
dazu, so bleibt insgesamt doch ein eher zwiespältiges Fazit
übrig. Für viele Leute war das sicherlich das Konzert
ihres Lebens, da sollten halt einfach auch die Rahmenbedingungen
passen.
Ich werde es mir auf jeden Fall gut überlegen, ob ich mir
so ein Ereignis noch mal in der Veltins Arena anschauen werde,
denn wenn ich ganz ehrlich sein soll: ich kann mir nicht vorstellen,
dass es bei einem nächsten Mal wirklich gravierende Änderungen
geben wird. Die Bands als solches und auch die Big Four-Tour als
Ganzes sind aber definitiv einen Besuch wert.