With my voice
I am calling you
Im November 2013 gab es ein interessantes Double Feature auf den Bühnen NRWs, nämlich NICK CAVE & THE BAD SEEDS in der :: Mitsubishi Electric Halle :: Düsseldorf, und ein paar Tage später Sigur Rós in derselben Halle. Vier Jahre später stehen wir wieder, allerdings schon im Oktober (und mit Sigur Rós nur einen Tag später in Köln) vor der Mitsubishi Electric Halle, um NICK CAVE & THE BAD SEEDS die Ehre zu erweisen. Ich denke, es muss nicht erwähnt werden, wie sehr ich mich auf dieses Konzert gefreut habe… ;)
Gleichwohl war ich mir nicht so recht sicher, was man 2017 live von einer NICK CAVE & THE BAD SEEDS Show erwarten konnte. Die letzten Jahre waren sicherlich die schwärzesten im Leben von NICK CAVE, der Verlust seines 15-jährigen Sohnes Arthur sein härtester Schicksalsschlag. Er hatte versucht seine Trauer auf dem folgenden Album Skeleton Tree zu verarbeiten, was laut der Dokumentation One More Time With Feeling nicht funktioniert hat. Und so klingt das Album auch furchtbar zerrissen, todtraurig, gesungen von einem gebrochenen Mann mit einer gebrochenen Stimme. Sich Skeleton Tree anzuhören ist ungemein schmerzhaft, umso mehr, wenn man selbst einen großen Verlust erlitten hat und sich schnell in dieser musikalischen Leidensspirale widerfindet. Natürlich stellte sich die Frage, ob und wie sehr dies alles eine Live-Show beeinflussen würde.
Im Gegensatz zu 2013, war die Mitsubishi Electric Halle 2017 restlos ausverkauft und 7000 Fans versuchten sich den perfekten Platz in der teilweise bestuhlten Halle zu ergattern. Unsereiner durfte dankenswerter Weise in das Front Of Stage Areal pilgern und positionierte sich genau richtig, wie sich später zeigen sollte ;) Oh, wieder kein Fotopass und hier Handy-Fotos posten ist auch nicht erlaubt. Und dieses Mal gab es keinen Support.
Unter donnernden Applaus und mit der obligatorischen halben Stunde Verspätung betraten :: NICK CAVE & THE BAD SEEDS :: die Bühne und starteten mit dem herzzerreißenden Wind River Soundtrack-Stück Three Seasons In Wyoming. Die perfekte Einstimmung für das erste Song-Trio vom neuen Album Skeleton Tree.
Anthrocene war noch sehr beschaulich, ruhig, mit Nick am Piano. Das folgende Jesus Alone mit seinem so unter die Haut gehenden Text verursachte umgehend Gänsehaut und trieb einem die Tränen in die Augen. Und auch Magneto ließ noch nicht erwarten, was dann folgen würde.
Mit dem Higgs Boson Blues waren die leisen Töne vorbei. Mit einem furiosen, kraftvollen, fast harschen Sound zelebrierten NICK CAVE & THE BAD SEEDS das Leben. NICK CAVE bewegte sich wie ein Wirbelwind über die Bühne - Herzlichen Glückwunsch übrigens zum 60. Geburtstag, kaum zu glauben - stand aber meistens auf den Absperrgittern und hielt Hände mit den Fans, kommunizierte mit ihnen und ließ sie ganz nah an sich heran, forderte die Fans sogar auf, seinen Herzschlag zu fühlen, während er sang: „Can you feel my heartbeat, can you feel my heartbeat“. Mein Lieblingssong auf Push The Sky Away. Scheiße, war das emotional!
Und das war dann auch das Motto der restlichen Show, die kaum lebhafter, energiegeladener, positiver und lebensbejahender hätte sein können. Und kaum näher an den Fans. Das war ein Statement! Ein flammender Appell an das Leben. Leuchtend und kraftvoll!
NICK CAVE war aber auch witzig, konterte Zwischenrufe und Songwünsche staubtrocken und hatte somit die Lacher auf seiner Seite. Der Publikumschor bei Into My Arms war allerdings ziemlich lahm. Mensch Düsseldorf, das hätte anders klingen müssen! Habt ihr die Botschaft nicht verstanden?
Bis auf einen Song wurde das gesamte neue Album gespielt, inklusive Distant Sky, bei welchem die Sopranistin Else Torp per Film und Ton eingespielt wurde und der Songs so quasi zum Duett mutierte. Drumherum gab es jede Menge Klassiker. Alle Stücke waren neu interpretiert und mit einem wuchtigen Sound versehen. Hier merkte man besonders, wie sehr sich Tupelo oder Red Right Hand von neueren Material unterscheiden und wie sehr ich doch die experimentelle und ausgefallene Note dieser älteren Stücke beim neuen Material vermisse.
Natürlich stand NICK CAVE hauptsächlich im Vordergrund, aber auch Warren Ellis rockte sich spektakulär durch das Set und ließ das eine oder andere Mal seinen Geigenbogen ins Nirgendwo fliegen. Aber auch Jim Sclavunos am Xylophon ließ es ordentlich krachen. Der Rest der Band verhielt sich da eher stoisch ;)
Nach dem Titeltrack des aktuellen Albums war vorläufig Schluß, aber nicht lange, das Publikum verlangte tumultartig nach mehr und kurz darauf kehrte die Band zurück auf die Bühne, wo der Abend beim Weeping Song seinen absoluten Höhepunkt fand: Denn nun beließ es NICK CAVE nicht mehr nur beim Händehalten, sondern sprang direkt ins Publikum und marschierte quer durch, schüttelte Hände und wurde auf die Schulter geklopft. Plötzlich stand NICK CAVE neben mir und kletterte vor meiner Nase auf die Absperrung des Wellenbrechers, reichte das Mikro einem Fan, hielt sich an anderen Händen fest und klatsche seelenruhig im Takt in die Hände, schnappte sich das Mikro, sang, gab es zurück und klatsche wieder. Einem Mädel neben mir, dem er zuvor die Hand geküsst hatte, brach in Tränen aus und konnte sich gar nicht mehr beruhigen.
Beim nachfolgenden Stagger Lee wanderte ein ganzer Schwung an Fans auf die Bühne und fungierte als Chor, bevor das Konzert dann endgültig mit Push The Sky Away zu seinem Ende kam.
Das war eine gigantische Show! Unerwartet lebhaft, mitreißend, emotional. Einfach unglaublich! Unbeschreiblich, eigentlich. Wie fast man sowas in die richtigen Worte? Das Highlight des Jahres (ab morgen müssen sie sich aber den Thron mit Sigur Rós teilen). Einfach großartig! Magisch! Fantastisch! Ein Konzert, dass sich bei den meisten der Anwesenden für immer ins Gedächtnis gebrannt haben dürfte. Amen.
In love, in love, in love you laugh
In love you move, I move
and one more time with feeling
For love, you love, I laugh, you love
Saw you in heart
and the stars are splashed across the ceiling
Setlist: Three Seasons In Wyoming (Wind River OST), Anthrocene, Jesus Alone, Magneto, Higgs Boson Blues, From Her To Eternity, Tupelo, Jubilee Street, The Ship Song, Into My Arms, Girl In Amber, I Need You, Red Right Hand, The Mercy Seat, Distant Sky, Skeleton Tree // The Weeping Song, Stagger Lee, Push The Sky Away
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