Pünktlich
zur kalten und dunklen Jahreszeit lockte das OUT
OF LINE Label zum Indoor-Festivalvergnügen in
Form einer Werkschau der elektronischen Art. Das diesjährige
Billing konnte zwar nicht wie im letzten Jahr mit Namen vom Schlage
Hocico’s glänzen, jedoch prangten mit BLUTENGEL
und DECODED FEEDBACK nicht gerade unbekannte
Namen auf den Plakaten und noch nicht so ganz etablierte Formationen
wie SOLITARY EXPERIMENTS, CEPHALGY
und die jungen Newcomer AESTHETIC PERFECTION rundeten
das Line-up ab, so dass die Weichen für einen spannenden
Konzertabend gestellt sein sollten. Das Eisenlager
zeigte sich mit einem erstaunlich gemischten und relativ hohen
Altersdurchschnitt versehenem Publikum gut gefüllt. Gängige
Szeneklischees vom Blutengel-Girlie mit Eddingkunstwerken im Gesicht
konnten glücklicherweise nicht bestätigt werden.
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Fotos ::
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AESTHETIC
PERFECTION :: legten so pünktlich los,
dass wir die ersten Lieder verpasst haben und boten mit ihrem
starkem Album Close To Human als Rückhalt
einen kurzweiligen Gig. Das Duo inszenierte sich mit einer gehörigen
Portion Farbe im Gesicht bzw. Blut auf der Kleidung und Hairextensions
auf dem Kopf, wobei der Sänger den stimmlich extrem krächzigen
– er und seine Wasserflasche wären fast zu einer Einheit
verschmolzen - und zappeligen Part an der Bühnenfront übernahm
während der Keyboarder ästhetisch verstümmelt blutverschmiert
seelenruhig die Technik im Auge behielt. Der Frontmann bemühte
sich mit hoher Professionalität trotz seines jungen Alters
sichtlich, dass Publikum mit seiner energiereichen Performance
zu animieren, was auch bei einigen Erfolg hatte, da AESTHETIC
PERFECTION die ambientartigen Stücke ihres Longplayers
weitestgehend außen vor ließen und Tanzflächenknaller
der härteren Electronic wie Sacrifice oder Coward
ins Publikum ballerten. Stilistisch liegen AESTHETIC PERFECTION
zwar extrem im Fahrwasser der Genregröße Hocico aber
mit einer Portion mehr Eigenständigkeit dürfte die Formation
noch einiges an Erfolg einfahren. Für mich die Überraschung
des Abends.
Mit ::
CEPHALGY
:: wurde die Härteschraube ein Stück zurückgedreht
und mit etwas ruhigeren, melodiösen Sounds etwa im Stil früherer
Terminal Choice Veröffentlichungen eher die Blutengelfraktion
im Saal angesprochen. Die Band trat nicht in vollständiger
Livebesetzung an, so dass sich die Aufmerksamkeit auf Sänger
und Mastermind Jörg, der seine Sonnenbrille während
des gesamten Gigs klischeehafterweise nicht abnahm und Keyboarder
Ronny reduzierte. Der Tastenmann fabrizierte mit Hilfe seiner
mit zwei Leuchten versehenen Brille sozusagen eine zusätzliche
Lightshow. Das waren auch schon die Highlights des Konzertes,
denn CEPHALGY konnten mich mit ihrer ansonsten
statischen Bühnenshow und wenig aufregenden Songs ihres neuen
Albums Finde deinen Dämon nicht
überzeugen, so dass der Auftritt an mir vorbei flog aber
vom Publikum mit einigem Applaus bedacht wurde. Man konnte letzten
Endes jedoch nicht davon sprechen, dass so etwas wie richtige
Stimmung aufkam.
Nach dem schlichten
Sound von Cephalgy wurde es mit :: DECODED
FEEDBACK :: wieder härter und zugleich vielschichtiger.
Der kanadische Zweierpack servierte einen oldschooligen Mix aus
EBM und Industrial mit dem Teile des Publikums sicherlich wenig
anfangen konnten. Hüne Marco gab auf der Bühne den alternden
Electropunk mit bunten Haaren wie variantenreichen Vocals und
dabei immer in Bewegung. Seine Mitstreiterin Yone mimte den ruhigen
Gegenpart an den Synthies. Etliche Songs von ihrem aktuellen Album
Combustion wie der gleichnamige Titeltrack
oder das an Velvet Acid Christ erinnernde Slut-Thrash
konnten live überzeugen, während beim Hit Phase zum
ersten Mal an diesem Abend so etwas wie ernsthafte Körperbetätigung
unter den Konzertbesuchern aufkam.
Die mühsam
aufgebaute Stimmung im Publikum konnten ::
SOLITARY
EXPERIMENTS :: mit einer soliden Electroperformance
halten und durch ihre eingängigen und vor allem tanzbaren
Songs noch etwas steigern. Die drei Herren starteten mit Odyssey
Of Mind mächtig durch, vor allem konnten die variablen
Vocals von Sänger Dennis überzeugen, leider verabschiedete
sich beim zweiten Song das Mikro - die einzige Panne eines ansonsten
reibungslos ablaufenden Festivals, die zügig behoben werden
konnte. Man merkte an den Posen des Sängers, dass vorher
anscheinend ausgiebig geprobt worden ist. Dementsprechend überzeugend
zeigte sich die Performance und machte den Electrostilmix aus
etwas härteren Songs und in die Synthiepop-Schiene gehenden
Nummern zu einer angenehmen aber auch nicht hochspektakulären
Angelegenheit.
Erwartungsgemäß
spektakulär sollte der Gig von ::
BLUTENGEL
:: werden, sozusagen als extremer Kontrast zu den eher
schlichten Auftritten der restlichen Bands des Abends. An der
Musik und an der Bühnenshow scheiden sich die Geister. Darauf
soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Klar war
jedenfalls, dass sich die meisten der Anwesenden wegen BLUTENGEL
im Eisenlager eingefunden hatten. Die T-Shirt-Dichte sprach Bände.
BLUTENGEL zogen alle Register: Videoleinwand
mit auf die Songs abgestimmten Bilder- und Videosequenzen aus
ihrer Live-DVD, spezielle Rollenspiele mit Blut (Bloody Pleasures),
Ketten, ominösen Herren in Kapuzenkutten, Fackeln, unzählige
Kostümwechsel (von sehr leicht bekleidet bis zum Abendkleid).
Das kannte man ja zum größten Teil schon von früheren
Konzerten der Formation um Chris Pohl. Spannende Frage war, wie
sich die neue Sängerin Ulrike Goldmann (ehemals SAY Y) einfügen
würde. Sie stellt auf jeden Fall eine stimmliche Bereicherung
dar und durfte Seelenschmerz allein auf der Bühne
performen, wie auch insgesamt Constanze Rudert ihre sonst live
nicht gerade überzeugende Gesangsleistung überraschenderweise
deutlich gesteigert hat. Musikalisch präsentierten BLUTENGEL
einen weit über anderthalbstündigen Rundumschlag wie
beispielsweise das lauthals geforderte und prompt gespielte Solitary
Angel aus den mittlerweile etlichen Veröffentlichungen
der Bandhistorie, der wirklich jeden Anhänger zufrieden stellen
sollte, was letztlich zu ausgelassener Stimmung unter den noch
Anwesenden geführt hat, lichteten sich die Reihen doch mit
zunehmender Konzertlänge. Ihre Fans entließen sie mit
dem Gassenhauer Children Of The Night und einer abschließenden
Konfettibombe mit einem Paukenschlag nach Hause oder auf die Aftershowparty,
bei der sich einige der Musiker des Abends unters Volk mischten.
Alles in allem
ein perfekt organisierter Festivalabend ohne große Ausfälle,
der Vorfreude aufs nächste Jahr weckt. Schade nur, dass die
Stimmung im Publikum bis auf den Headliner BLUTENGEL
noch steigerungsfähig war. An den Bands hat es jedenfalls
in den allermeisten Fällen nicht gelegen.