20
Jahre OPETH und ein Sänger, der sich noch immer wie 20 fühlt
und der Band eh nur beigetreten ist, weil im Logo ein umgedrehtes
Kreuz zu finden war und er das cool fand ;)
Zur Feier
des 20-jährigen Bestehens hatten sich ::
OPETH
:: wirklich was ganz Besonderes ausgedacht: eine Tournee
mit nur einem halben Dutzend Auftritten in 5 Ländern dieser
Welt (Schweden, Deutschland, Frankreich, UK und die USA), bei
denen dann aber nicht das gewohnte Konzert-Programm geboten werden
sollte. Stattdessen war schon vorher klar, dass sich die Show
in zwei Teile gliedern würde. Zum einen das komplette Blackwater
Park Album, welches der Band seinerzeit zum Durchbruch
verhalf, zum anderen eine Art Best Of-Set, zusammengestellt aus
den restlichen Alben.
Um dem Anlass
gerecht zu werden und einen entsprechend festlichen Rahmen zu
bieten, hatte die Band nicht die üblichen Hallen gebucht,
sondern sich Mühe gegeben, hier ebenfalls mal was anderes
zu machen. In Deutschland fiel die Wahl somit auf die Lichtburg
in Essen, ein wunderbar altmodisches Kino/Theater, welches noch
über einen richtigen Balkon, eine echte Bühne und plüschiges
Mobiliar verfügt. Und den eigentlich ausgestorbenen Beruf
des Platzanweisers kann man dort noch in Natura bewundern. Hier
finden auch sonst häufig Premierenfeiern aller Art statt,
es ist aber davon auszugehen, dass das Publikum dabei normaler
Weise etwas anders gekleidet ist und weniger Haare in den Polstern
zurücklässt… ;-)
Damit einhergehend stellten sich natürlich schon im Vorfeld
diverse Fragen: Metal im Sitzen; geht das überhaupt? Würde
es mit dem Sound funktionieren? Welche Stücke hatten wir
im Best Of-Teil zu erwarten, und wie lange würde die Band
überhaupt spielen?
::
Fotos ::
OPETH
mussten sich erstmal ein wenig in Geduld üben. Da man in
den Konzertsaal keine Getränke mit rein nehmen durfte und
die Merchandise-Jungs einen leicht überforderten Eindruck
machten, strömte das trink- und kauffreudige Publikum nur
sehr langsam zu seinen Plätzen.
Schließlich ertönte dann aber doch der letzte Gong,
und nach einem kurzen Intro begann der erste Teil des Konzerts
mit The Leper Affinity. Über die technischen und kompositorischen
Leistungen der Band muss ich hier sicherlich keine Worte mehr
verlieren, in dieser Hinsicht konnte also nichts schief gehen.
Blackwater Park ist im Nachhinein betrachtet gewiß
das charakteristischste und wohl auch erfolgreichste Album der
Bandgeschichte; insofern sicherlich konsequent, dass man sich
dieses Werk als Komplett-Version ausgesucht hatte.
Für mich
sind OPETH einfach auch die musikalischste Band im gesamten
Metal-Zirkus, nicht unbedingt im Sinne einer wahnsinnigen Bühnenshow,
aber man kann einfach fühlen, wie sehr die Musiker ihre Stücke
auf der Bühne tatsächlich mit Leben erfüllen, wie
viel Herzblut da jeweils mit eingeflossen ist. Und trotz aller
progressiven Elemente und Komplexität hat die Musik bei kaum
einer anderen Band etwas so harmonisch Fließendes; was einfach
immer wieder beeindruckend ist.
Komisch war es trotzdem irgendwie: das Sitzen führte zwar
zumindest bei mir nicht unbedingt zur Negierung der Live-Atmosphäre,
aber etwas distanzierend wirkte es sich schon aus. Klingt zwar
blöd, aber vom heimischen Sofa aus auf einen 3D-Screen mit
Mega-Bilddiagonale zu glotzen könnte vermutlich einen ähnlichen
Effekt erzielen. Einige Leute sahen das wohl ähnlich und
stellten sich daher einfach zum Bangen in den Mittelgang, was
aber auch nicht nach optimaler Lösung aussah. Ungewöhnlich
auch, dass Mikael Åkerfeldt während des ersten Teils
auf jede Ansage verzichtete, während er ja normaler Weise
unbedingt der Kategorie "launiger Entertainer" zuzuordnen
ist.
Wenn man's positiv formulieren will: im ersten Teil konnte man
sich ganz ungestört auf die Musik konzentrieren; die ist
halt einfach vom Allerfeinsten und wurde, OPETH-typisch,
perfekt dargeboten. Der Sound war ebenfalls hervorragend, lediglich
bei den akustischen Passagen entlockten die tieferen Töne
den Boxen einiges an Knuspergeräuschen. Vor dem letzten Song
Blackwater Park kündigte Mikael dann mit knappen Worten
eine anschließende zehnminütige Pause an, und dann
waren die ca. 1 ¼-Stunden auch schon vorbei. Ging wie im
Rausch…
Setlist Teil 1: The Leper Affinity, Bleak, Harvest,
The Drapery Falls, Dirge For November, The Funeral Portrait, Patterns
In The Ivy, Blackwater Park
Im zweiten
Teil wurden schnell zwei Dinge klar: die Band würde von jedem
der übrigen Alben in chronologischer Reihenfolge einen Song
spielen, und das "Schweigegelübde" von Herrn Åkerfeldt
war nun auch passé. Los ging's folglich mit dem live schon
lange nicht mehr gehörten Forest Of October, gefolgt
von Advent und April Ethereal. Das war natürlich
schon eine tolle Sache, diese alten Songs noch mal live zu erleben,
zumal man so auch prima die musikalische Entwicklung von OPETH
über die Jahre hinweg verfolgen konnte.
Zwischen den Stücken wurden wir zudem bestens vom Mikael
unterhalten; nicht umsonst gilt dieser als einer der sympathischsten
und lockersten Musiker überhaupt. Zusammen mit seinem lakonischen
und knochentrockenen Humor hatte er so die Lacher mehr als einmal
auf seiner Seite. Außerdem hatte er auch einige Dönekes
zu erzählen, z.B. dass er selber nur in die Band eingestiegen
sei, weil er das umgedrehte Kreuz im Bandlogo cool fand, oder
wie die erste Probe mit Basser Martin Mendez ablief. Weiterhin
wies er auf den Umstand hin, dass von der Urbesetzung gar keiner
mehr dabei wäre, was für diese Leute doch ganz schön
bitter sei. Später ließ er die Menge noch darüber
abstimmen, ob ihnen Accept oder die Scorpions besser gefallen
würden, und war über den Sieger (Scorpions) wenigstens
so erstaunt wie ich (und outete sich eindeutig als Accept-Fan…).
Das permanente Dauersitzen führte beim Publikum mit der Zeit
aber doch zu einigen Ermüdungserscheinungen, zumal die Sitze
auch noch wirklich verdammt bequem waren. Weiterhin muss ich sagen,
dass man vor allem den späteren Songs doch deutlich anhören
konnte, dass OPETH inzwischen einfach ihren Stil gefunden
haben und diesen letztendlich häufig nur noch außerordentlich
geschickt variieren. Die Struktur und Melodieführung der
Harmonie- und Akustik-Passagen wies doch teilweise frappierende
Übereinstimmungen auf, wenn natürlich auch auf einem
extrem hohen Niveau. Das ist zwar keine neue Erkenntnis, fiel
aber in meinen Augen an diesem Abend noch mal ganz besonders deutlich
auf.
Ehrlich gesagt fand ich im Nachhinein betrachtet auch die Songauswahl,
vor allem von den neueren Alben, nicht ganz so gelungen. Außerdem
hätte ich halt gerne von meinem heimlichen Fave Still
Life gerne mehr als nur ein Stück gehört, aber
das hätte natürlich nicht ins gewählte Format gepasst.
Vor dem letzten Song The Lotus Eater kündigte Mikael
schließlich an, dass sich die Band danach von der Bühne
begeben und dass das Konzert damit vorbei sein würde, was
ihm aber keiner so richtig abnahm. Doch Pustekuchen: trotz vehementer
Zugabeforderungen war dann tatsächlich Schluss. Fand ich
etwas komisch, der Abend war zwar lang, aber ein Metal-Konzert
ohne Zugabe des Headliners habe ich bis dato noch nie gesehen.
Die Leute hätten sich noch ein Stück mehr auf jeden
Fall verdient…
Setlist Teil 2: Forest Of October, Advent, April Ethereal,
The Moor, Wreath, Hope Leaves, Reverie/Harlequin Forest, The Lotus
Eater
Klasse Abend
insgesamt! OPETH gelten nicht zu Unrecht als eine der besten
Live-Bands dieses Planeten, daran konnten auch die untypischen
Umstände nichts ändern. Viele Leute machten zudem das
Beste aus der Situation und genossen die Musik so, wie sie es
vermutlich zu Hause machen: mit geschlossen Augen ganz in die
Klangwelt der Schweden einsinkend.
Solange ich aber noch nicht in Rente bin und noch laufen und stehen
kann, bevorzuge ich im Regelfall dann doch die "reguläre"
Konzertvariante. Für den feierlichen Anlass fand ich die
Idee aber gut und im Großen und Ganzen auch passend umgesetzt.
Da sind wir doch mal gespannt, was uns OPETH in den Jahren
2020 oder 2030 zelebrieren werden… ;-)