Henric de la Cour - Pouppée Fabrikk - Cosmic Overdose - Mr Jones Machine - Hearts Of Black Science - Johan Baeckström - Nattskiftet - Wulfband - Titans - Haul
Nach den großartigen Konzerten von HENRIC DE LA COUR und KITE im Sommer und dem famosen HEARTS OF BLACK SCIENCE Album Signal, konnte ich einfach gar nicht anders, als mich um das alljährliche PROGRESS PRODUCTIONS Festival zu bemühen. Denn alle erwähnten Bands sind bei diesem schwedischen Label zu Hause – natürlich noch viele andere Bands, die in der Electro Szene hinreichend bekannt und beliebt sind, von denen ich aber meist noch nie was gehört oder gesehen habe. Ein Grund mehr… ;)
Labelchef Torny Gottberg veranstaltet jedes Jahr ein Labelfestival, um seine Bands live zu präsentieren. Aber eigentlich ist es eher ein alljährliches Familientreffen oder eine Labelparty, die 12. mittlerweile, und immer wieder ausverkauft. Hier kommen Fans und Freunde des Labels und der Bands, um einen großartigen Abend zu haben. Jeder scheint jeden zu kennen, es gab unendlich viele Hallos und Umarmungen zu beobachten.
Nun denn… Schweden hab ich guter Erinnerung, das :: Sticky Fingers :: ist als Liveclub legendär und ich war noch nie in Göteborg. Mehr Gründe braucht es nicht.
Das Wetter war stürmisch, der Flug verspätet und recht harsch. Der Lacher an Board war die Ansage, dass Besitzer des Samsung Galaxy S7 ihr Handy aus Brandschutzgründen an Board nicht benutzen durften. Hahahaha… der war gut. Ein bisschen Sightseeing und dann ging es auch schon ins Sticky Fingers, ein Club mit Charakter, der sich über mehrere Ebenen erstreckt, zwei Bühnen und viele Nebenräume hat.
:: Fotos ::
Für deutsche Festivalverhältnisse ungewohnt spät, öffneten die Türen zum Sticky Fingers erst um 18 Uhr. Die Fans trudelten zügig ein, so dass der Club bereits bei :: HAUL :: gut gefüllt und die Fans bei bester Laune waren. HAUL ist eine auf inzwischen 4 Leute angewachsene Band, die 2009 von Pehr Herb gegründet wurde. Im April gab es das Debüt Separation. Viel mehr an Informationen gibt es nicht. Musikalisch bewegen sich HAUL zwischen Post Punk, Wave und ein bisschen Industrial. Der Sound war harsch und düster, dronig und die Bässe etwas zu übersteuert. Vom Gesang her wurde zuweilen an Fields Of The Nephilim erinnert. Referenzen zu Joy Division verstehen sich von selbst. Großartige Musik! Augen schließen und sich in Abgründe ziehen lassen. Definitiv eine Entdeckung für mich. Toller Auftakt.
Dann geht es runter zum Down Floor, wo :: NATTSKIFTET :: auf der Bühne stehen. Old school EBM aus Göteborg. Der kleine Club ist bereits brechend voll und die Fans ausgelassen am Tanzen. Hier geht es recht ruppig zu, EBMler unleashed sozusagen. Zimperlich ist hier keiner. Was auch auffällt, ist der Hang zu Armeeklamotten bei Bands und Fans. Es ging auf jeden Fall ordentlich die Post ab, Fans von Nitzer Ebb zum Beispiel wurden hier bestens bedient. Tanz Baby, tanz!
Und dann ist es auch schon an der Zeit für Tomas Almgren und Daniel Änghede von den :: HEARTS OF BLACK SCIENCE ::. Für mich der Grund nach Göteborg zu pilgern. So oft live spielen HOBS ja schließlich auch nicht, da muss man jede Chance nutzen, zumal Daniel Änghede in Kürze wieder mit Crippled Black Phoenix unterwegs sein wird. Und HOBS hatten die wunderbare Heike Langhans für Wolves At The Border und Faces dabei. Was soll ich sagen? Eine Show zum Dahinschmelzen. Einfach nur großartig! Schon dafür war es die Reise es wert!
Setlist: Faces, Icon, Wolves At The Border, Protector, We Saw The Moon
Da ich bis zum letzten Ton bei HOBS war, blieb mir leider nur noch wenig Platz im supervollen Down Floor für :: JOHAN BAECKSTRÖM ::. Hier gab es lupenreinen Synthi-Pop, quasi die Ausnahmeband zwischen all den EBM Acts. Wie die meisten Bands an diesem Abend, total neu für mich. Ok, in Sachen Synth-Pop bin ich eh nicht sonderlich versiert, hatte was von Erasure & Co. Zurück zu den 80s ;)
Nochmal Synth Pop gab es anschließend auf der großen Bühne mit :: MR JONES MACHINE ::. Diese Band scheint extrem beliebt zu sein, denn das Publikum flippte regelrecht aus und sang jeden Song lauthals mit. Gut, nach zwei, drei Stücken ging es mir ähnlich ;) Für mich völlig ungewohnt aber sehr interessant war es, die Songs auf Schwedisch zu hören.
Dieses Mal war ich schlauer und begab mich rechtzeitig nach unten. Und dann viel mir quasi die Kinnlade runter *lach* :: WULFBAND :: waren wie eine Offenbarung. „Gewalt-Tanz und Angriffe gegen Alles“. Stell dir vor, dass du vom Leben und allem darin so dermaßen angepisst bist, dass du nur noch alles kurz und klein schlagen möchtest… Dann bist du bei den Muttifickern von WULFBAND angekommen. Old school EBM extrem hart, extrem aggressiv. Besonderes Schmankerl für mich: der Versuch des anonymen und vermummten Duos, bestehend aus 7 und 9, Deutsch rüberzukommen. Also mit deutschen Texten und deutschen Ansagen. Wirklich sehr putzig. Da musste ich doch das eine oder andere Mal ordentlich lachen. Sorry. Die Mucke war geil. Die Show auch. Einmal mehr brodelte es nur so im Downfloor, rasteten die Fans komplett aus. Das hatte was!
Über :: HENRIC DE LA COUR :: muss ich nicht mehr allzuviel erzählen. Die diesjährigen Liveberichte sprechen für sich. Es ist rappelvoll, da passt kaum noch eine Maus durch die Meute. Und die Fans sind leidenschaftlich. Da hab selbst ich aufgegeben und mich auf den Balkon verkrümelt, um vielleicht doch das eine oder andere Foto zu schießen. Und dieses Mal stand Torny nicht hinter den Synths, das überließ er gleich Keyboardern. Großartige Show, nur leider viel zu kurz. Scheint auch eine typisch schwedische Eigenart zu sein, dass Bands selten länger als 30 oder 45 Minuten spielen.
Danach spielten die restlichen Bands nur noch im Downfloor, während oben die Aftershow Party/Samstagsdisco im vollen Gange war. Unten gab es dann etwas Besonderes: :: TITANS ::. Die Band wurde 2008 von Fredrik Mattsson und Jimmy Svensson gegründet, deren Sänger Dan Von Hoyel (dieses Jahr schon mit Harmjoy gesehen) ist. Die Schweden und der Kalifornier haben sich erst 2 Stunden vor der Show zum allerersten Mal persönlich getroffen und haben auch zum allerersten Mal live zusammengespielt. Daher dann auch der Spruch: „Willkommen zu unserer ersten Probe“ ;) Das PROGRESS PRODUCTIONS 12 markiert also das Livedebüt der Band, die immerhin schon ein Album und eine EP veröffentlicht hat. Dementsprechend waren auch viele Fans und Freunde der Band und Musiker von weither angereist, um sich diese Premiere nicht entgehen zu lassen.
Und noch eine Premiere. Nach über 35 Jahren standen :: COSMIC OVERDOSE :: - als “secret act” angekündigt - wieder live auf einer Bühne. Das Duo, das sehr an DAF erinnert und die schwedische Electroszene ähnlich stark geprägt hat wie DAF seinerzeit die Deutsche, wurde bereits 1978 gegründet und hat 2 Alben plus Singles veröffentlicht. Das bisherige Schaffen wird nun komplett als Box, Koko Total, bei Progress Productions wiederveröffentlicht. 2 Tage nach dem Festival. Und die Herren Dan Söderqvist und Karl Gasleben haben scheinbar nichts verlernt. Leider spielten COSMIC OVERDOSE nur 3 Stücke auf 15 Minuten. Aber das waren schon fantastische 15 Minuten. Auch hier sofort der Wunsch, über COSMIC OVERDOSE muss ich mehr wissen ;)
Noch mehr EBM, dieses Mal kenne ich mich besser aus, denn :: POUPÉE FABRIKK :: sind mir sowohl musikalisch wie live schon das eine oder andere Mal begegnet. Außerdem kenne ich Sänger Henrik Björkk (Nordvargr) von verschiedenen Metal Bands her. Und Henrik ist ein Riese. Es war mehr als nur einmal knapp mit der niedrigen Decke des Clubs. POUPÉE FABRIKK waren übrigens die einzige Band des Abends, die nicht zur Progress Productions Familie gehört, oder nur zu einem Viertel, denn POUPÉE FABRIKK spielten im Original-Line-Up mit Jouni Ollila (Mr Jones Machine) an Bass und Synths. Zum letzten Mal tobte und tanzte sich das schwedische Publikum die Seele aus dem Leib.
Fazit: Das war das PROGRESS PRODUCTIONS 12. Ein super organisiertes Festival für elektronische Musik. Es gab keine Pannen, Ausfälle oder Verspätungen. Der Bass-Sound war gelegentlich übersteuert, hing aber auch davon ab, wo man gerade stand. Das Publikum war recht gemischt, aber schon im erhöhten Durchschnittsalter. Es scheint keine jungen Nachwuchs-EBMler mehr zu geben ;) Es gab mir mich eine Reihe Bands zu entdecken, allen voran HAUL und WULFBAND aber auch COSMIC OVERDOSE. Meine Faves, HEARTS OF BLACK SCIENCE und HENRIC DE LA COUR waren eh großartig, erwartungsgemäß. Ich hatte einen fantastischen Abend und nehme viele tolle Erinnerungen mit nach Hause. Danke Torny, danke Progress Productions für ein großartiges Festival. Und wie Heike Langhans kurz nach dem Festival sagte: Von jetzt an komme ich jedes Jahr ;) Und da frage ich mich mal wieder, wie es Festivalveranstalter in Deutschland schaffen, jedes zweite Jahr die gleichen schnarchigen Bands spielen zu lassen, wo es doch so viele fantastische und außergewöhnliche Bands gibt…
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