Viel
zu lange hatte ich auf diesen Tag gewartet. Genau gesagt 6 Jahre.
Als PEARL JAM damals in Salzburg ein grandioses
Open Air Konzert hinlegten, flog ich schweren Herzens nach Irland.
Doch ein zweites Mal sollte ich meine großen Jugendhelden
nicht versäumen.
Nach zweieinhalb
Stunden Anfahrt fand ich die Wiener Stadthalle überraschenderweise
problemlos. Was sich als wesentlich schwieriger erwies, war jedoch
die große Suche nach dem sagenumwobenen Presseeingang. Nachdem
man mich vier Mal um die Stadthalle schickte und mich ein kopfschüttelnder
Türsteher nach dem anderen abwies, ließ man mich schlussendlich
doch eintreten. Zu meiner Verwunderung hatte man einen Sitzplatz
für mich vorgesehen. Der Schock war riesig – ich war
dazu verdonnert PEARL JAM im Sitzen zu erleben.
Während ich auf die Vorgruppe wartete, versuchte ich die
Vorteile eines solchen Sitzplatzes zu ergründen – fand
jedoch keine.
::
TARANTULA
AD :: legten pünktlich um 19:30 Uhr los. Das
New Yorker Trio überraschte mit einer beeindruckenden Bandbreite
an Instrumenten und Stilmitteln. Neben der üblichen „Gitarre
– Bass – Schlagzeug – Kombination“ werden
bei TARANTULA AD auch Cello, Violine, Keyboard,
Melodica und Glockenspiel eingesetzt. Ihre Musik lässt sich
nicht ganz so einfach definieren. Die ausgefeilte und spannende
Mischung bestehend aus Klassik, Rock und Metal erhielt angemessenen
Beifall. Doch die meisten im Publikum schienen von TARANTULA
AD zuvor noch nichts gehört zu haben und somit blieben
große Begeisterungsstürme während des dreiviertelstündigen
Sets aus. Der Großteil der Songs wurde rein akustisch dargeboten,
die eine oder andere Nummer erhielt auch eine gesangliche Untermalung
von diesen Ausnahmekünstlern.
In der angenehm
kurzen Umbaupause von etwa ein halben Stunde begannen die Fans
mit Sprechchören ihre Lieblinge herbeizurufen. Schon vor
dem Einlass in die Stadthalle war mir nicht entgangen, dass zahlreiche
Fanclubs aus aller Herren Länder (wie Ungarn oder Kroatien)
angereist waren. Die Menge wartete gierig auf die Grungelegende
und tatsächlich erblickte ich die einen oder anderen „Karierte-Holzhackerhemden-Träger“
im Publikum. Totgesagte leben bekanntlich ja länger, dies
gilt also auch für modetechnische Fehltritte in der Geschichte.
Ein bisschen
kam ich mir an diesen Abend vor wie im Kino. Einem sehr großen,
versteht sich, in dem man einige Meter von der Leinwand entfernt
sitzt, aber dennoch eine ausgezeichnete Sicht genießt. Zwei
Männer in rotem Gewand schlendern ständig durch die
Reihen, hielten Tüten in die Höhe und riefen: „Popcorn,
frisches Popcorn!“ und ein weiterer versuchte Eis am Stiel
unter die Leute zu bringen. Was für ein Service.
Als das Licht
um ca. 20:45 Uhr gedimmt wurde, begann es in der ausverkauften
Stadthalle zu brodeln. Mein Herz machte einen deutlichen Sprung
und ich konnte mein Glück kaum fassen...Endlich konnte ich
meine heiß geliebten Jungs – äh Männer –
aus Seattle (nicht gerade hautnah – aber doch) miterleben.
Kaum jemand in meinem Bekanntenkreis kann diese Begeisterung nachempfinden
– doch die geschätzten 15.000 Seelen in dieser Halle
konnten es sehr wohl. Beim Opener Live Wasted versuchte
ich ein paar Schnappschüsse mit der kleinen Kamera zu erhaschen
– leider vergebens. Nach wenigen Sekunden erklärte
mir ein Platzanweiser in recht ruppigem Ton, dass ich mich unverzüglich
zu meinem Platz nach hinten begeben müsse. Schade. Als ich
die ersten Klänge von Corduroy vernahm, war der
Ärger auch schon wieder verflogen. Dieser Song hat ein grandioses
Gitarrenintro und heizte die Menge ordentlich an.
Ich muss zugeben,
dass ich mir von dieser Liveband ausgesprochen viel erwartet hatte,
was bekanntlich oft in einer großen Enttäuschung endet.
Doch dieses Mal wurden meine Erwartungen bei weitem übertroffen.
Ich habe in meinem Leben wirklich noch nie so eine brillante und
abwechslungsreiche Lichtshow bei einem Konzert erlebt. Die Effekte
und Farben harmonierten perfekt mit den einzelnen Songs. Eddie
Vedder, Jeff Ament, Stone Gossard, Mike McCready, Matt Cameron
und Boom Gaspar gaben alles, wetzten und sprangen auf der Bühne
umher und rissen die Meute mühelos mit. Das ansonsten eher
zurückhaltende österreichische Publikum war von der
ersten Minute an vollkommen begeistert und feierte seine Helden.
Immerhin hatten wir eine lange Durststrecke zu bewältigen
gehabt. Bei Elderly Woman Behind The Counter In A Small Town
(was nebenbei bemerkt eines meiner Favourites ist) änderte
Eddie den Text und sang: It’s been 6 years, never dreamed
you’d return, but now here you are and here I am! Später
versprach er uns noch (auf Deutsch!) dass bestimmt keine weiteren
6 Jahre vergehen sollten, bis :: PEARL
JAM :: das nächste Mal in Österreich
spielen würden. Dies rührte uns sehr, und ich hoffe
er hält sein Versprechen auch!
Im ersten
Teil des Konzertes bot die Band viele Stücke ihrer aktuellen
Scheibe dar – die sie schlicht Pearl Jam
betitelt hatten. Neben dem groovigen World Wide Suicide
gaben sie auch Comatose und Served Hand zum
Besten. Natürlich freute ich mich jedoch viel mehr über
ältere Nummern wie die grandiosen Balladen Daughter
und Wishlist, den Klassiker Jeremy von der ersten
CD Ten oder das fabelhafte God’s
Dice. Leider war dieser Song der einzige, den die Jungs aus
Binaural-Zeiten spielten. Ein echter
Wermutstropfen. Nachdem ich bei Wishlist tatsächlich
mit den Tränen kämpfen musste, holten PEARL
JAM zum nächsten ganz großen Schlag aus. Ich
konnte meinen Ohren kaum trauen, als ich die ersten Takte von
State Of Love And Trust vernahm. Ich musste im siebten
Himmel gelandet sein! Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet.
Kurz darauf gönnten die Jungs sich und uns eine kleine Verschnaufpause.
Doch nach
wenigen Minuten ging es weiter im Set mit der süßen
Ballade Last Kiss. Nun gab es kein Halten mehr. Ich war
heilfroh, als sich plötzlich alle auf den Tribünen erhoben
und tanzten! Da hatten die lästigen Platzanweiser wirklich
keine Chance mehr und gaben auf. Nach einem rein akustisch dargebotenem
Off He Goes kam der nächste Klassiker vom Ten
Album. Black. Alle sangen lauthals mit, Menschen, die
sich noch nie zuvor gesehen hatten, fielen sich in die Arme und
wir waren einfach glücklich! Als nächsten Clou schüttelten
die Mannen Do The Evolution aus dem Ärmel, PEARL
JAM’s Antwort auf die (geschichtlichen) Fehltritte
der Menschheit. Even Flow überraschte mich schon
gar nicht mehr – scheinbar war dies MEIN Wunschkonzert der
alten Hits. Daraufhin verschwand die Band wieder hinter Bühne.
Nervös schauten die Fans sich um... Sollte es das gewesen
sein? Ich war mir sicher – sie würden noch einmal wiederkommen.
Und ich sollte glücklicherweise Recht behalten. Lautstark
meldete sich Eddie und seine Truppe mit dem köstlich sarkastischen
Spin The Black Circle zurück. Die beiden anschließenden
Höhepunkte des Ten Silberlings
Once und Alive brachten das Blut der Fans in
Wallungen. Ich konnte kaum glauben, dass ich das einmal erleben
durfte. Ich wünschte mir, dass dieses grandiose Konzert niemals
enden sollte, doch leider war nach F*ckin’ Up und
der typischen Schlussnummer Yellow Ledbetter (Little Wings)
bei hell erleuchteter Konzerthalle Schluss. Eddie, Jeff, Stone,
Mike, Matt und Boom verbeugten sich wie es sich gehört nach
einer Show von guten zweieinhalb Stunden und wurden mit tosendem
Applaus von 15.000 überglücklichen PEARL JAM
Fans verabschiedet.
Setlist: Life Wasted, Corduroy, Rearviewmirror,
World Wide Suicide, Comatose, Elderly Woman, Behind The Counter
In A Small Town, Served Hand, Sad, God’s Dice, Daughter,
Jeremy, I Got ID, Parachutes, Wish List, State Of Love And Trust,
Why Go Home, Go //
Last Kiss, Inside Job, Off He Goes, Black, Do The Evolution, Even
Flow // Spin The Black Circle, Once, Alive, F*ckin’ Up,
Yellow Ledbetter (Little Wings)
Endlich erkannte
ich einen Vorteil meines Platzes – gleich neben mir befand
sich der Stiegenabgang, der zur Eingangshalle führte. Ich
frage mich wie lange andere wohl nach Hause gebraucht hatten,
die gleich vor der Bühne gestanden hatten. Gut, dass ich
meinen Wagen strategisch richtig geparkt hatte, somit entfernte
ich mich zügig von der Stadthalle – raus aus Wien.
Wo ich gerade das für mich genialste Konzert des Jahres 2006
miterleben durfte.