Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk lässt sich STEVEN WILSON mittlerweile zum Jahresbeginn in der europäischen Konzertlandschaft blicken. Obwohl er schon im vergangenen Jahr mit seiner To The Bone Tour vor ausverkauften Häusern gespielt hat (alleine dreimal in der Londoner Royal Albert Hall), legt er ein Jahr später noch einmal mit einer ausgedehnten Tour nach. Kann man so machen, der Erfolg gibt ihm Recht, denn die Hallen werden immer ein kleines bisschen größer und sind dennoch packevoll oder ausverkauft. So gern STEVEN WILSON tourt, so gern schaue ich mir seine Konzerte an. Immer wieder ein Erlebnis! Deutschland wurde mit vier Dates bedacht, davon einer im Bochumer :: RuhrCongress ::. Auch in dieser Angelegenheit bleibt sich STEVEN WILSON treu: immer wieder ein neues und besonderes Konzerthaus. Ich hätte da schon Ideen für die nächsten 2, 3 Jahre ;)
Auch im RuhrCongress gibt es mittlerweile verschärfte Sicherheitsregeln mit peniblen Eingangskontrollen und begrenzter Taschengröße. Wer klug war, kam ein bisschen eher, denn der Anreisestau (nebenan gab es auch eine Starlight Express Show. Zum Glück blieb das Fußballstadion an diesem Freitag verwaist.) und die Schlangen an der Tür waren beachtlich. Dennoch wurde zügig abgefertigt und ich war eher drin als erwartet ;)
Der RuhrCongress war mit seiner Teleskopschiebetribüne weitgehend bestuhlt, hatte davor aber auch einen Stehplatzsektor. Mit ca. 3500 Besuchern war das Konzert knapp ausverkauft. Es gab Speise und Trank zu fairen Preisen, beim Merchandise hingegen setzt sich das hohe Level, wie bereits mehrfach bei verschiedensten Konzerten bemängelt, weiter durch. 30/35 Euro für das T-Shirt, ein Fuffi für Hoodies… Interessanterweise sind die Preise im jeweiligen Band/Merchstore deutlich günstiger, selbst mit Versandkosten und trotzdem kaufen die eigentlich verarschten Fans vor Ort wie bekloppt. Verstehe einer diese Welt…
:: Fotos :: STEVEN WILSON ::
Pünktlich um acht gingen die Lichter aus und es gab zunächst den von der letzten Tour her bekannten Kurzfilm Truth (ein Film über „Was ist die Wahrheit?“) auf einem Gazevorhang vor der Bühne. Der Vorhang blieb, als die Band unter lautem Applaus auf die Bühne kam und mit Nowhere Now einstieg. Der Vorhang bot noch einmal die Leinwand für die visuelle Untermalung, als bei Pariah die israelische Sängerin Ninet Tayeb audiovisuell „zugeschaltet“ wurde. Immer wieder ein Gänsehauterzeugender Song!
Nach einer kurzen Ansprache bei Home Invasion kam :: STEVEN WILSON :: vor The Same Asylum As Before so richtig ins Plaudern, als er zu diesem Song explizit erklärte, dass er dort ein Gitarrensolo spielen würde. Sonst macht das nämlich Alex Hutchings. STEVEN WILSON erklärte, dass er eigentlich ein eher schlampiges Gitarrenspiel hat, was für Solos ungeeignet ist, und dass er den technischen Gitarrenscheiß eigentlich total hasst. Das sorgte natürlich für jede Menge Lacher. Ich nehme ihm das nicht so ganz ab, den STEVEN WILSON ist als Perfektionist bekannt. Andersherum hat er aber auch schon mehrfach in Interviews erklärt, dass: „I fall in love with music more than the tools to make it.” Nun denn… Es gab noch eine Laudatio auf Prince und ein paar launige Seitenhiebe in Richtung Drummer Craig Blundell, bevor STEVEN WILSON den Song mit einer Falsettstimme begann, dann aber richtig derb losrockte. Was hierbei auffiel war, dass die Stimme von STEVEN WILSON rauher klang als sonst. Ich hoffe, der Gute hat sich in der allgemeinen Grippewelle nix eigefangen.
Überhaupt war die Band in bester Laune. Alle Nase lang sah man Nick Beggs und Alex Hutchings über das ganze Gesicht grinsen und sich alle drei honorige Gesten zuwerfen. Auch Drummer Craig Blundell hab ich zumindest fotografisch beim Grinsen erwischt.
Beim 13 Minuten langen Monolithen Ancestral versuchte die Band zunächst das Publikum beim Klatschen mit den markanten Drum-Rhythmen zu synchronisieren, was nur mäßig gelang (aber auch nicht den Drummer aus dem Konzept brachte ;)), dann wälzte sich plötzlich die Saitenfraktion auf den Boden. Für zwei Minuten oder drei…
Damit endete der erste Part des Sets nach ca. 70 Minuten und gönnte Band und Publikum eine 15 minütige Verschnaufpause.
Auch der zweite Teil wurde mit einem Kurzfilm eingeleitet, zu Cenotaph (r), einem Song vom gleichnamigen Album des Ambient/Drone Seitenprojekts Bass Communion. Das fand ich überraschend. Mit diesem Album muss ich mich direkt mal näher beschäftigen.
Generell gab es ein paar interessante Änderungen in der Setlist im Vergleich zum Vorjahr. Natürlich lag der Schwerpunkt nach wie vor auf dem 2017er Album To The Bone, ergänzt durch Porcupine Tree Klassiker. Und natürlich hätte ich mir persönlich mehr (weniger vorhersehbare) Abwechslung gewünscht, der STEVEN WILSON Backing-Katalog ist da ja extrem reichhaltig. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Letztendlich müsste der arme Mann und seine Band wohl eine 5 oder 6 Stunden Show spielen, um es halbwegs jedem recht zu machen. Wer STEVEN WILSON schon im Vorjahr live erlebt hatte, wurde heuer sicherlich nicht sonderlich überrascht. Da wunderte es auch kaum, dass die Zuschauerreaktionen wohlwollend aber nicht frenetisch ausfielen.
In der Zugabe waren es die Akustiktracks mit Adam Holzman und der gleichnamige Blackfield Song, die für Begeisterung sorgten. Das 2 1/2-stündige Konzert wurde dann ganz klassisch und höchst emotional mit The Raven That Refused To Sing beendet.
Insgesamt einmal mehr ein toller Konzertabend, ausschweifend in Zeit, Ton und Bild, mit einer so verdammt großartigen Band, die in einer ganz eigenen Liga spielt. Ich bin mir sicher, wir sehen STEVEN WILSON Anfang 2020 wieder. Und ich werde ihn dann definitiv nicht verpassen! Für Prog und Art Rock Fans ist so ein Konzert ein Muss!
Band: Steven Wilson (git/vox), Alex Hutchings (git), Adam Holzman (key), Nick Beggs (bass/vox), Craig Blundell (drums)
Set 1: Intro ("Truth" short film), Nowhere Now, Pariah, Home Invasion, Regret #9, Don't Hate Me, The Same Asylum As Before, Get All You Deserve, Ancestral
Set 2: Cenotaph (Intro Film), No Twilight Within The Courts Of The Sun, Index, Permanating, Song Of I, Lazarus, Detonation, Song Of Unborn, Vermillioncore, Sleep Together
Zugabe: Blackfield, Sentimental, The Sound Of Muzak, The Raven That Refused To Sing
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