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The Sisters Of Mercy

The Virginmarys

 
2023-11-12 DE – Münster - Jovel Music Hall
| Einlass: 18 Uhr | Beginn: 19 Uhr | Tickets: 43,85 Euro + Gebühren | SOLD OUT |

Ja, diese Tour stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Eigentlich muss man rückblickend sogar sagen, dass diese Tour in weiten Teilen einfach nur desaströs war.
Gitarrist Dylan Chrisford Smith wurde direkt am ersten Tag der Tour im Londoner Roundhouse auf der Bühne gefeuert. Andere Konzerte wurden mittendrin abgebrochen oder fanden gar nicht erst statt. Und wenn doch, dann waren sie oft - so war es zu lesen - bestürzend schlecht. Es gab viele Spekulationen, von krank über betrunken, zugedröhnt bis hin zu verwirrt oder gezielt sabotierend.
Wird das dem Image der Band schaden? Keine Ahnung. Vermutlich eher nicht.
Denn seien wir doch mal ehrlich: die SISTERS OF MERCY sind berühmt berüchtigt für ihre legendär schlechten Shows - und dass schon seit 30 Jahren. Und trotzdem sind die Touren/Shows immer wieder meist ausverkauft.
Da stellt sich doch eher die Frage: Warum tun sich die Fans das immer wieder an? Schliesslich sind die Tickets nicht gerade billig. Nur mit dem vielzitierten Kult aus den 80igern alleine lässt sich das nicht erklären.
Andersherum gefragt: Warum geht die Band immer wieder auf Tour, wenn sie doch offensichtlich so zu Tode gelangweilt ist und null Bock hat live zu spielen, um den alten Scheiß immer und immer wieder wiederzukäuen? Denn musikalisch hat sich in den letzten 30 Jahren auch nix getan.
Aber anscheinend kommt genug Geld dabei herum. Offenbar soviel Geld, dass sogar der frühere und dann völlig entnervt ausgestiegene Gitarrist Chris Catalyst wieder mit dabei ist, dieses Mal als bewegungslos angestellter Betreuer im Andrew-Eldritch-Look hinter Dr. Avalanche.

Nun denn. Das früh bekanntgegebene Münsteraner Konzert war so schnell ausverkauft, dass man direkt eine zweite Show zum Ende der Tour dazu gebucht hatte. Ebenfalls ausverkauft. Der erste Termin ging bei mir leider nicht - Buddhaseidank muss man im nachhinein sagen - also sollte es der Zweite sein. Und eigentlich war ich bis zuletzt davon überzeugt, dass diese Show nicht stattfinden würde. Weit gefehlt…

An diesem Sonntag öffneten sich die Türen zur :: Jovel Music Hall :: noch vor dem Abendessen, und das bei Stau und stockenden Verkehr rund um das Areal. Kein Wunder, nebenan in der Halle Münsterland spielte Till Lindemann vor ausverkauftem Hause (und nicht zugelassener Presse), begleitet von massiven Protestaktionen vor der Halle. Aber das ist ein anderes Thema…
Im Jovel selbst ging es derweil eher behäbig zu, was aber die Security-Firma nicht davon abhielt, wahlweise gar nicht oder überzogen und unprofessionell zu agieren. Passierte hier leider nicht zum ersten Mal. Ich mache den Job nun seit über 20 Jahren, vom kleinsten Pub bis zum grössten Stadion, heißt, ich habe schon viele Securities unter verschiedensten Bedingungen arbeiten sehen. Dass ausgerechnet eine Halle in meiner Heimatstadt so negativ heraussteht ist… schade.

:: Fotos :: THE VIRGINMARYS ::

Wie dem auch sei, pünktlich um 19 Uhr gingen die Lichter aus und :: THE VIRGINMARYS :: trommelten los. Die inzwischen zum Duo geschrumpften britischen Punk Rocker habe ich zum ersten Mal 2011 als Vorband von Skunk Anansie live gesehen und war seinerzeit total begeistert. Damals waren sie noch zu dritt und langhaarig, das Debüt Self Medication war schon lange veröffentlicht und das Zweitwerk noch nicht in Sicht. Heute liegt das vierte Album, Northern Sun Sessions, bereits fünf Jahre zurück und die Band ist (vermutlich dank Corona) dazu übergegangen, nur noch Singles zu veröffentlichen.
Was geblieben ist, ist diese unfassbare Energie und Dynamik, welche Ally Dickaty und Danny Dolan rüberbringen, die Spielfreude und die Leidenschaft. Insbesondere Danny an den Drums ist der helle Wahnsinn.
Allerdings merkte man den beiden das lange Touren durchaus an. Die Jungs wirkten trotz der versprühten Energie müde und erschöpft. Sänger Ally hatte hörbar eine angekratzte Stimme und insgesamt wirkte die Show eher routiniert. Der Platz auf der Bühne war begrenzt und ließ nur minimale Beweglichkeit zu, das Licht war einheitlich rot oder rot-blau. Dafür gab es über den Sound nix zu meckern. Und, THE VIRGINMARYS spielten knapp 45 Minuten. Das hat Laune gemacht :)
Das Publikum nahm die Show zwar eher verhalten dennoch wohlwollend auf.

Band: Ally Dickaty (vox, git), Danny Dolan (drums)
Setlist: The Meds, Into Dust, Lies, Lies, Lies, Running For My Life, You're A Killer, Where Are You Now?, Devils Keep Coming, Just A Ride, Look Out For My Brother, Bang Bang Bang

 

:: Fotos :: THE SISTERS OF MERCY ::

Der Umbau ging fix und schon kurz vor acht setzte das Intro ein. Das zog sich dann allerdings eine ganze Weile in die Länge, so um die 15 Minuten, bis dann :: THE SISTERS OF MERCY :: wirklich auf die Bühne kamen und mit Doctor Jeep/Detonation Boulevard einstiegen.
Überraschend stand hier nun plötzlich eine Gitarristin auf der Bühne, Kai von Esprit D'Air, die mit der Würzburg Show als Live-Gitarristin mit dabei ist. Der Bass kam nach wie vor vom Band, die Synths eh, aber auch so mancher Gitarrenpart. Man konnte Kai durchaus spielen hören, aber leise untergemischt. Dafür brachte sie viel Bewegung auf die Bühne und rockte ordentlich ab. Sollte sie dabei unsauber gespielt haben, war dies jedenfalls nicht zu hören ;)
Auch der Gitarre von Ben Christo fehlte es an Präsenz und Power. Insgesamt muss man aber sagen, dass der Sound ok war, zu leise, aber ok. Andrew Eldritch war wieder hörbar bei Stimme, schien auch sonst gutgelaunt, bewegte sich für seine Verhältnisse viel und liess sogar hier und da ein Grinsen erkennen. Ben Christo bewegte sich eher statisch und poste choreographiert und aufgesetzt. Einzige Augenweide war die wirbelnde Kai. Chris stand wirklich stocksteif mit Sonnenbrille und verschränkten Armen hinter den Synths, wenn gerade nix zu tun war.

Eldritch bemühte sich sichtlich um Nähe zu den beiden Gitarristen, also eine Art harmonisches Miteinander, bekam aber ein ums andere Mal ne kalte Schulter gezeigt. So richtig grün scheinen sie die Dame und die Herren nicht zu sein.
Die Nebelmaschine wurde nach den ersten beiden Songs reduziert, so dass man auch das Bühnenbild und alle Akteure gut erkennen konnte. Aus fotografischer Sicht immer noch unterdurchschnittlich, aber die Bands spielen ja nicht für uns ;)
Die Songauswahl war natürlich vorhersehbar, die Interpretationen völlig anders als im Original, aber das ist ja allgemein bekannt. Da weiß man, was einen erwartet. Entweder man mag die jeweilige Version oder eben nicht. Die Interpretation von Marian fand ich jedenfalls total verhunzt.
Absolut überraschend fand ich hingegen den offiziellen Schlusstrack When I'm On Fire, bei dem die gesamte Band zum ersten und einzigen Mal so richtig aus sich herausgegangen ist. Das sorgte dann auch für ausgelassenen Beifall.
Allerdings war dann auch schon Schluss. Um 21 Uhr. Gut, es gab noch die drei Knallersongs als Zugabe, aber der mobile Münsteraner dürfte vor 22 Uhr zu Hause gewesen sein. Ich war es jedenfalls ;)

Allen Unkenrufen zum Trotz muss ich sagen, dass dieser Konzertabend für SISTERS OF MERCY Verhältnisse schon (fast) gut war. Sie können also auch anders, selbst auf einer so verkorksten Tour. Ich habe die THE SISTERS OF MERCY nie in den 80igern oder frühen 90igern live gesehen, kann also in dieser Hinsicht keine Vergleiche ziehen. Aber, ich habe auch schon eine richtig, richtig gute Sisters Show gesehen - davon waren sie aber an diesem Abend noch weit entfernt.
Insgesamt muss man aber schon sagen, der Lack ist ab und das wird auch nicht mehr besser werden, egal, was sich Andrew Eldritch zukünftig einfallen lassen sollte. THE SISTERS OF MERCY ist eine Ein-Mann-Band mit Gastmusikern und der grosse Meister ganz offensichtlich kein einfacher Zeitgenosse.
Für mich war das ein weitgehend netter Abend und das Publikum schien ebenfalls zufrieden. Innerlich hab ich aber einen Haken an das Thema THE SISTERS OF MERCY gemacht.

Band: Andrew Eldritch (vox), Ben Christo (git, vox), Kai (git, vox), Chris Catalyst, Dr. Avalanche (drums)
Setlist: Doctor Jeep/Detonation Boulevard, Don't Drive On Ice, Ribbons, Alice, Summer, Dominion/Mother Russia, I Will Call You, Marian, Giving Ground, Eyes Of Caligula, More, But Genevieve, I Was Wrong, Here, On The Beach, When I'm On Fire // Lucretia My Reflection, Temple Of Love, This Corrosion

Vielen Dank an Kingstar Music für die Presse-Akkreditierung :)

story & pics © Dajana & Dajana Winkel • Photography