Ähnlich
wie Depeche Mode gehören auch THE CURE zu den wenigen
Bands, die trotz teilweiser massiver Radio-Präsenz und etlichen
weltweiten Hits nicht mit dem ständigen Vorwurf der Kommerzialisierung
leben müssen, sondern seit nunmehr ca. 30 Jahren immer noch
von der "Szene" akzeptiert und geschätzt werden.
Und obwohl es in der Zwischenzeit nun wirklich genügend Gelegenheiten
dazu gegeben hätte, habe ich es doch in den ganzen Jahren
nicht einmal geschafft, die Band um Wuschelkopf Robert Smith auch
nur einmal live zu sehen.
Insofern stellte das Konzert in der Arena in Oberhausen für
mich eine kleine Premiere dar. Interessanterweise waren THE
CURE nicht hauptsächlich unterwegs, um ihr neues Album
zu promoten, sondern wohl eher, um die Zwischenzeit bis zum Release
desselben sinnvoll zu überbrücken. Ich hatte keine rechte
Vorstellung davon, welches Publikum mich wohl in der Halle erwarten
würde, war aber dann nicht wirklich überrascht, als
wir feststellen mussten, dass der Altersschnitt im Bereich zwischen
Endzwanziger bis Mitte Vierzig lag. Also wie wir ... ;-) Mit Sicherheit
das "älteste" Konzert, das ich jemals besucht habe
...
Die Organisation vor Ort war vorbildlich, und ich kann mich nicht
entsinnen, schon einmal so viele freundliche und hilfreiche Ordner
angetroffen zu haben. Daran können sich andere Veranstalter/Hallen
gerne orientieren!
Zunächst aber galt es, die mir bis dato völlig unbekannte
Vorband anzuchecken. 65 DAYS OF STATIC spielen reinen,
Alternative geprägten Instrumentalrock, der zumindest live
sowohl wüste als auch progressiv-psychedelische Elemente
in einer knackigen Wall of Sound zusammen mischt, während
auf den CDs elektronische Sounds wohl eine größere
Rolle spielen. Dazu gab es wilde Action auf der Bühne (der
Schlagzeuger könnte auch mit jeder Metalcore- oder Death
Metal-Kappelle auftreten), über mehr als einen Achtungserfolg
kam die Band allerdings nicht hinaus. Zum Teil lag das sicherlich
daran, dass praktisch niemand im Publikum auch nur eines der Stücke
kannte (obwohl man bereits mehrere Alben veröffentlich hat),
aber gerade in der klassischen Live-Situation eines Rock-Konzertes
erzeugt der fehlende Gesang eine zusätzliche befremdende
Wirkung. Das liegt zwar in der Natur der Dinge, machte die Sache
für 65 DAYS OF STATIC aber natürlich nicht leichter.
Insgesamt also nicht schlecht, und für einen Support-Slot
einer "großen" Band sogar überraschend originell
und gut.
Mit einer
sehr dezenten Backline, die den Eindruck vermittelte, eigentlich
für einen Club gedacht zu sein, wurde das Konzert von THE
CURE dann schließlich mit dem sehr passenden Plainsong
eröffnet. Passend deshalb, weil das Stück mit seinem
(verlängerten) Sternenfall-Intro und der schwebenden Atmosphäre
prima mit der sparsamen, aber doch geschickt den Eindruck eines
Sternenhimmels vermittelnden Lightshow korrespondierte. Wer die
Band vielleicht hauptsächlich in der Stilistik "keyboardgestützte
Pop-Musik mit leichten Gitarren" kannte, sollte übrigens
eine Überraschung erleben: einen Tastenmann hatte man nämlich
erst gar nicht mitgenommen, so dass zwar einige Effekte etc. vom
Band/per Festplatte eingespielt wurden, aber ansonsten wurde die
entsprechenden Passagen einfach so umarrangiert, dass sie auch
von der klassischen Rockbesetzung gemeistert werden konnten.
Diesen Umstand nutzten die somit verbliebenen vier Musiker auch
reichlich aus und spielten ein hauptsächlich auf älteren
Alben basierendes, sehr Gitarren-lastiges Set, was aber niemanden
gestört haben dürfte. Wie auch, wenn man dadurch in
den Genuss von Klassikern wie z.B. Lovesong, Inbetween
Days, Primary oder dem Kyoto Song kommt? Mit
Please Come Home und A Boy I Never Knew wurden mitten
im Set versteckt auch zwei neue Songs gespielt, die mir beide
recht gut gefielen (Mischung aus den Stilistiken von Disintegration
und Wish), während Never Enough und
Wrong Number für mich eher überraschend in der
Playlist auftauchten.
Herausragend
im regulären Teil waren aber das frenetisch abgefeierte Lullaby,
die grandiose Version von From The Edge Of The Deep Green Sea
(schon immer eines meiner Lieblings-Stücke) und besonders
One Hundred Years, welches fast schon mit zerstörerischer
Wucht gespielt wurde und optisch von Bildern aus den düsteren
Zeiten des letzten Jahrhunderts unterlegt war. Überhaupt
muss man sagen, dass es geradezu auffällig war, wie zeitlos
die meisten THE CURE-Stücke sind; irgendwelche Brüche
zwischen altem und neuem Material traten kaum auf, auch wenn man
eigentlich meint, die jeweiligen Alben stilistisch ganz unterschiedlich
im Ohr zu haben.
Nach "nur"
23 Songs wurde dann mit Disintegration der reguläre
Teil erst mal beendet. Andere Acts dieser Größenordnung
wären nach dieser Zeit schon dabei gewesen, die Bühne
wieder abzubauen. THE CURE ließen sich hingegen nicht
lumpen und spielten noch drei Zugaben mit insgesamt 13 weiteren
Stücken. Das machte dann in den ca. 3¼ Stunden zusammen
36 Titel und war damit das längste Konzert, das ich jemals
von einer einzelnen Band gesehen habe. Respekt! Übrigens
auch, weil dabei nicht eine Minute Langeweile aufkam.
Von den Zugabenblöcken
hatten es vor allem der erste und der letzte dem Publikum besonders
angetan. Kein Wunder bei der jeweiligen, auf spezifische Band-Phasen
fokussierten Songauswahl (s.u.). Der zweite Teil begann zwar mit
dem vermutlich bekanntesten Hit der Band, Friday I'm In Love,
darauf folgte aber mit Freak Show das schwächste und
sperrigste der neuen Stücke, und zum Ende hatte Herr Smith
entweder den Text vergessen oder aber einfach keine Lust, Why
Can't I Be You auch nur halbwegs korrekt zu singen. Das übernahm
dann das Publikum für ihn, was vermutlich beiden Seiten recht
war.
Für nochmalige Euphorie sorgte schließlich der letzte
Block des Abends mit den ganz alten Klassikern, wobei vor allem
Jumping Someone Else's Train und Killing On Arab
noch mal so richtig gerockt haben. Ganz ehrlich: ich habe die
Keyboards nicht vermisst, und von mir aus könnten THE
CURE jetzt immer ohne auftreten. Genügend geile Songs
haben sie ja in der Hinterhand …
Setlist: Plainsong, Prayers For Rain, A Strange Day,
alt.end, A Night Like This, The End Of The World, Lovesong, Pictures
Of You, Lullaby, From The Edge Of The Deep Green Sea, The Figurehead,
Kyoto Song, Please Come Home, Push, Inbetween Days, Just Like
Heaven, Primary, A Boy I Never Knew, Never Enough, Wrong Number,
The Baby Screams, One Hundred Years, Disintegration // At Night,
M, Play For Today, A Forest // Friday I'm In Love, Freak Show,
Close to Me, Why Can't I Be You? // Boys Don't Cry, Jumping Someone
Else's Train, Grinding Halt, 10:15 Saturday Night, Killing an
Arab
Ein fantastischer
Abend also mit einem gut aufgelegten Headliner und dem besten
Value for Money-Verhältnis seit langem. Dazu kamen eine gelungene
Songauswahl, die viele der bisherigen Veröffentlichungen
berücksichtigte, der glasklare Sound und das Talent, wirklich
eine ganz spezielle Live-Atmosphäre zu erzeugen, obwohl ich
von den Ansagen kein Wort verstanden habe. In dieser Form gehören
die Engländer noch lange nicht zum alten Eisen, und ich bin
doch sehr auf die neue CD gespannt.