Ganz
Österreich ist in den Sommermonaten vom Volksmusik-Virus
befallen. Ganz Österreich? Nein, ein kleines obersteirisches
Dorf namens Oberaich trotzt dem übermächtigen Einfluss
von Trachtenkapellen und Schlagerfuzzis mit Melodic Metal im Dreierpack.
Über hundert Menschen, die von Frühschoppen und Wunschkonzerten
die Nase voll haben, fanden den Weg in die Kulturhalle, um sich
ein paar Stunden lang Metal um die Ohren blasen zu lassen.
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Fotos ::
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ARS AMATORIA
~ Takt-lose Fan-Unterstützung
Im Fall der eröffnenden Band ARS AMATORIA
war es wohl vielmehr ein laues Lüftchen, das durch den gemütlichen
Saal wehte. Die junge Truppe stellte ebenso wie die Hauptband
des Abends eine neue CD vor, eine symphonische Rock Oper namens
Lachrymal. Die ersten paar Minuten
des Konzertes bescherten uns einige heitere Momente: es war ein
Bild für Götter, als die Gruppe zu spielen begann und
sich kein Einziger der Anwesenden näher als 5 Meter an die
Bühne heran wagte. Sänger Dom konnte die müde Meute
im Verlauf des Konzertes animieren und so sangen einige schon
den Refrain von Metamorphosis mit. ARS AMATORIA
boten eine leicht verdauliche Variante von Rock und melodischen
Metal(-Ansätzen). Dom wurde gesanglich von Partnerin Tanja
unterstützt, die trotz geringer Körpergröße
mit einer passablen Stimme aufwarten konnte. Geigerin Verena sorgte
für klassische Farbtupfer und fiedelte recht zackig drauflos.
Unterhaltsam waren diese 40 Minuten durch einige Fans, die wild
headbangten und sogar am Ende die Bühnenbretter stürmten.
Völlig aus dem Takt begleiteten die beiden Fans die Lieder
mit expressivem Ausdruckstanz und wurden sogleich mit einer CD
belohnt.
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TÝR ~
zu kurze Gänsehautschauer
Im Anschluss gab es einen musikalischen Quantensprung zu verkraften:
Heri und seine Mannen von TÝR stapften
während eines pompösen Intros auf die Bühne. Der
Sound gestaltete sich relativ leise, doch annehmbar. Der nachdenkliche
und hymnenhafte Viking Metal ist wie gemacht zum Fäuste recken
und posen. Bassist Gunnar ist ja sowieso Weltmeister, wenn es
darum geht, Grimassen zu schneiden und strahlte den ganzen Auftritt
über wie ein Junge vor dem Weihnachtsbaum. Mir jagten die
teilweise vierstimmigen Gesangsarrangements wohlige Gänsehautschauer
über den Rücken und vor allem der kleine Zuschauerchor
bei Hail To The Hammer hatte es in sich - die Wenigen,
die TÝR kannten, waren jedenfalls sichtlich
begeistert. All jenen donnerte dann die Kinnlade vor Überraschung
auch in den Keller, als nach 4 (!!!) Nummern plötzlich das
Saallicht anging und Heri nur lapidar ins Mikro trotzte:”
Sorry, not my decision!” Ich hoffe, dass der ein paar Tage
später stattfindende Gig am Kaltenbach Open Air länger
andauerte! Ich hätte den von wunderbaren Melodien und heroischen
Gesängen durchzogenen Heldenliedern noch viel länger
zuhören können, soviel ist sicher.
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VISIONS
OF ATLANTIS ~ Performance ist (doch nicht) alles
So wurde es dann also Zeit für die Headliner des Abends,
VISIONS OF ATLANTIS - und anscheinend waren 90
% Prozent nur wegen den Melodic Metallern gekommen. Der Auftritt
an sich begeisterte zwar die Groupies und ersten Reihen, gab mir
allerdings einigen Anlass zu Kritik. Da wäre zuallererst
Sängerin Melissa Ferlaak, die in ein Tüll-Kleid gehüllt
eher wie ein Clown denn eine Frontfrau agierte. Ihre Stimme wiederum
ist sicherlich recht gut, doch das Gehabe auf der Bühne für
meinen Geschmack unpassend. Ihr Gesangspartner Mario sorgte für
den aggressiveren Teil der Vocals, doch das manchmal auftauchende
Hardcore-ähnliche Gebrüll zerrte an den Nerven. Musikalisch
gab es nix zu meckern, nur war diese Art von Musik mit klassischen
Anleihen, recht einfach gehaltenen Schlagzeugrhythmen und speedigen
Gitarren schon wo anders besser zu hören. Für mich spielen
VISIONS OF ATLANTIS Tralala-Metal mit Ohrwurmmelodien,
die allerdings eher nerven als mit Genuss ins Ohr flutschen. Ebenso
zu bekritteln: das übertrieben selbstbewusste (oder eher
selbstverliebte) Auftreten der Local Heroes - tja vielleicht stoßen
die Burschen und das Mädel ja in Zukunft in Superstar-Regionen
vor, wer weiß? Für heute bot der durchschnittliche
Mitsing-Metal allerdings keinen Anlass zur Euphorie, da passiert
einfach zu wenig in den Songs. Weniger Performance und Selbstdarstellung,
dafür mehr durchschlagskräftige Songs wären wünschenswert!