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 2004-08-05-07 DE – Wacken
 
Fünfzehn Jahre WACKEN OPEN AIR, fünfzehn Jahre, in denen sich einer kleiner Ort in Schleswig Holstein von einem 2000 Einwohner starken Fleck auf der Landkarte, zum zentralen Punkt in der Kartographie härterer Musik entwickelt hat. Waren es beim ersten Festival im Jahre 1990 nur knapp 600 Zuschauer, die sich in den Norden verirrt hatten, strömten anderthalb Dekaden später nach offiziellen Angaben 33000 zahlende Besucher zum großen Jubiläum nach Wacken.
Bekanntermaßen war das Festival nach dem Katastrophenjahr 2002 bei vielen in Ungnade gefallen, konnte aber ein Jahr darauf durch zahlreiche Verbesserungen den lädierten Ruf reparieren. Das fünfzehnte WACKEN OPEN AIR setzte diesen positiven Trend meiner Ansicht nach fort, wenngleich es auch einige negative Aspekte gab. Der erste Punkt betrifft – wie könnte es anders sein – das leidige Thema Geld. Natürlich haben die Veranstalter ständig mit steigenden Kosten zu kämpfen und müssen auch den Bands ein paar Münzen in den aufgeklappten Gitarrenkoffer werfen, aber eine Preiserhöhung auf 75 € für das 3-Tagesticket ist ziemlich happig. Zudem ließ das Preis/Leistungsverhältnis von Getränken und Essen mal wieder stark zu wünschen übrig, was bei Festivals dieser Größenordnung aber mittlerweile leider zur Normalität gehört.
Punkt zwei betrifft die Besucherzahlen, da ich den Eindruck hatte, dass es dieses Jahr noch voller war als 2003, was der angeblichen Ticketbegrenzung der Veranstalter widersprechen würde.
Dennoch war das WACKEN OPEN AIR 2004 ein über weite Strecken sehr gut organisiertes, reibungslos ablaufendes Festival mit einem starken Billing und einer Band, die bereits im Vorfeld für Kontoversen und hitzige Diskussionen gesorgt hatte: die Böhsen Onkelz.
Im Nachhinein betrachtet war die ganze Aufregung um den Auftritt völlig unnötig, da Ausschreitungen, deren Ursache Onkelz-Fans oder ihre Gegner waren, meines Wissens nach ausblieben. Wer die „kontroverseste deutschsprachige Band“ (*gähn*) sehen wollte, schleppte sich vor die Bühne, wer nicht, blieb auf dem Zeltplatz und vernichtete die reichlichen Biervorräte – eine simple, aber effektive Lösung, um den Gig einer Band zu umgehen, die dem Festival 1996 zum Durchbruch verholfen hatte.
Insgesamt war das WACKEN OPEN AIR 2004 aber ein würdiges Jubiläum des Kultfestivals, auch wenn es der Wettergott mal wieder zu gut mit den Besuchern meinte, alle Wolken vom Himmel fegte und den Temperaturregler bedrohlich nah gen Maximum schob. Sonnenbrand ist einfach kein Heavy Metal... (Tobias)

FREITAG 6. August

Tobias (Black Stage): Die Gothic Metaller ORPHANAGE eröffneten zu nachtschlafender Zeit (elf Uhr morgens) den Reigen auf der Black Stage. Obwohl ein strahlender Sommermorgen nicht unbedingt der beste Zeitpunkt für dunkle Musik ist, lösten die Niederländer ihre Aufgabe sehr gut. Der Sound war ordentlich, die Instrumentalabteilung hatte sich vor dem Auftritt wahrscheinlich mit Kaffee (natürlich schwarz) die Müdigkeit aus dem Körper gespült, Sänger George grunzte wie eine abgestochene Sau und Sängerin Rosan steuerte die obligatorischen weiblichen Vocals bei. Insgesamt ein wirklich guter Muntermacher.

Dajana (Black Stage): Meine Wenigkeit geisterte ebenfalls schon zu den letzten Klängen von MNEMIC (selbe Zeit wie Orphanage) – die dabei und gerade um diese Zeit einen äußert guten Eindruck machten – auf dem Festivalgelände herum, um dann pünktlich vor der Bühne der Doomgötter CATHEDRAL zu stehen. Und ich muss sagen, ich war schwer begeistert. Solche Spielfreude um diese Zeit hätte ich bei den alten Knaben gar nicht erwartet.

Tobias (Black Stage): Als ARCH ENEMY die Bretter betraten, hatte sich vor der Bühne bereits eine beachtliche, bis hinter den Soundturm dicht gedrängt stehende Menschenmenge eingefunden, um den schwedischen Melodic Deathern zu huldigen. Die Truppe um ex-Carcass-Gitarrist Michael Amott legte sich mächtig ins Zeug und trat den unzähligen Fans bei Gluthitze ordentlich in den Allerwertesten. Frontfrau Angela Gossow, die mit den Worten „Wir sind hier, um Spaß zu haben, etwas Gewalt kann aber auch nicht schaden!“ die Marschrichtung des Gigs festlegte, war erwartungsgemäß Blickfang und Aktivposten der Band. Die deutsche Kreischsäge tobte über die Bühne, poste mit dem Mikroständer und reckte die teufelsgehörnte Hand in den blauen Sommerhimmel, als würde der Leibhaftige persönlich mit der Mistgabel hinter ihr stehen.
Die Amott-Brüder jagten ihre Killerriffs und virtuosen Soli gewohnt souverän durch die PA, während Drummer Daniel Erlandsson und Bassist Sharlee D’Angelo für ein solides Rhythmusfundament sorgten. Songs wie Silent Wars, Enemy Within oder die Anthems Of Rebellion-Hymne We Will Rise wurden absolut tight in die begeisterte Menge geblasen.

Dajana (Black Stage): Eher unfreiwillig hab ich mir danach MAYHEM angeschaut, obwohl ich eigentlich Brainstorm eingeplant hatte... Leute... hab selten so gelacht. Musikalisch will ich ja nicht meckern, auch wenn es nicht wirklich ein überragender Gig war, aber Maniac’s Gepose mit langem Messer, Blutkapseln in der Hand und Schweineköpfen, die zaghaft auf die Unterbühne der Kameraleute purzelten waren echt zu niedlich. Natürlich alles bei blendenden Sonnenschein ;) War ungewollt ein erfrischend lustiger Gig!
Reverend: Besonders hervorzuheben sind hierbei die Versuche Maniac’s, das Publikum zu motivieren. Ungeschlagen finde ich seine „Oh, come on! I know it is hot, but a little applause for the bloodshed, please!“-Forderung. Wäre es nicht so heiß gewesen, hätten sicherlich mehr Leute darüber gelacht. Das peinliche, vorsichtig angedeutete „Lecken“ an den aufgespießten Schweineköpfen links und rechts von der Bühne kann man in Anbetracht der Tagestemperaturen allerdings verstehen. Hätte er wirklich was davon in den Magen bekommen, wäre er zweifellos als nunmehr drittes Bandmitglied ins Himmelreich eingezogen – allerdings ein wenig würdeloser als seine Vorgänger.

Dajana (W.E.T. Stage): Anschließend ließ ich es mir nicht nehmen, mir die reunierten australischen Thrasher von HOBBS ANGEL OF DEATH anzuschauen. Trotz säuerlichen.... ähm... Geruchs im Zelt und subtropischer Temperaturen gaben die alten Herren mächtig Gas, um gerade mit den alten Songs aus den 80igern das Publikum zu überzeugen und wurden sogar noch für eine Zugabe von den Fans zurück auf die Bühne beordert...

Reverend (Party Stage): ...Während meine Wenigkeit zur Party Stage marschierte. Timo KOTIPELTO, seines Zeichens ehemaliger und bald hoffentlich neuer und alter Frontman von Stratovarius, gab dieses Jahr zum zweiten Mal ein Solokonzert in Wacken. Klar, dass der Schwerpunkt dabei auf seinem neuen Album Coldness lag, welches unter schwersten Bedingungen nach dem Streit in Stratovarius aufgenommen und veröffentlicht wurde. Das Album selbst ist ein wenig umstritten, klingt es doch sehr steril, distanziert und vor allem untypisch. Live jedoch konnte der blonde Finnenbarde seine Songs gut rüberbringen, und es wurde sicherlich so mancher zunächst skeptischer Fan vom Kauf der neuen Scheibe überzeugt. Natürlich durften auch einige Songs seines Solo-Debüts Waiting For The Dawn nicht fehlen, einem Album, das damals von vielen Kritikern für besser als der seinerzeit letzte Output seiner Stammformation gehalten wurde. Timo gab sich während des ganzen Konzerts lustig und auch ein wenig selbstironisch. Ein besonderes Highlight war eine Stratovarius-Coverversion: Er spielte den Song S.O.S. (Save Our Souls), bei dem er sich im Jahre 2000 in Wacken seine Hand böse an Pyroeffekten verbrannt hatte. Augenzwinkernd gab er dabei zu Protokoll, dass das sozusagen seine ganz persönliche Rache an dem Song sei. Dem Publikum gefiel es, mir auch – ein gelungener Gig. Besonders glanzvolle Leistungen brachte Janne „Warman“ Vilman an den Keyboards, der bei KOTIPELTO fast besser zur Geltung kommt als bei seiner Hauptband Children Of Bodom (bei mir auch bekannt als Children Of Boredom).

Reverend (Party Stage): Weil ich an diesem Abend unglaublich fertig war, dachte ich mir, ich bleib gleich hier und gebe mir etwas leicht Verdauliches, Fröhliches, und schaute mir das Konzert der fanatischen Finnen ELÄKELÄISET an, die mit ihrer Humppa-Musik zahlreiche Zuschauer begeistern konnten und (zurecht!) um einiges mehr Applaus erhielten als so manche „echte“ Metal-Band, die sich an diesem Abend die Ehre gab. Dabei zogen sie nicht nur die Massen in ihren Bann, sondern auch die hartmetallischen Kollegen gnadenlos durch den Kakao. Meine Favoriten waren auf jeden Fall die Coverversionen von HIM- oder Iron Maiden Songs, die -passend vorgetragen in Stammtischatmosphäre- nicht nur Freudentränen in die Augen jedes aufgeschlossenen Metallers, sondern sicherlich auch Frust und Trauer unter einigen ganz eingefleischten „Blaukutten“ Maiden-Fans oder „Ich mal mir eine Träne auf“-Gruftis verbreiteten. Ein wenig überzogen war vielleicht die demonstrative Zerstörung einer Quetschkommode (die im Gegensatz zu einer E-Gitarre einfach nicht kaputtzukriegen war), aber das ist halt Heavy Metal, oder? (Im Gegensatz zu Maiden und Slayer! ;-))

Tobias (Black Stage): Die Headliner des ersten (wirklichen) Festivaltages, die schwedischen Wikinger AMON AMARTH erschufen mit ihrem 2002er Werk Versus The World ein Album, das Fans und Kritiker weltweit zurecht in den höchsten Tönen lobten. Das Meisterwerk vereinigte erhabene Melodien und kraftvolle Epik zu nordischen Schlachthymnen höchster Qualität. Meine Erwartungen waren dementsprechend hoch, als AMON AMARTH um zwei Uhr nachts die Black Stage betraten und mit Victorious March vom 1997er Once Sent From The Golden Hall einen Gig starteten, der durchaus einem siegreichen Marsch gleichkam, auch wenn der Sound alles andere als gut war.
Die Schweden konzentrierten sich dabei hauptsächlich auf die beiden letzten Alben The Crusher und Versus The World, sodass die Meute vor der Bühne in den Genuss solch großartiger Songs wie Masters Of War, Bastards Of A Lying Breed, VS The World oder For The Stabwounds In Our Backs kam. Highlights des Auftritts waren für mich aber das schleppende Where Silent Gods Stand Guard und der sich immer mehr zur neuen Bandhymne entwickelnde Versus The World-Song Death In Fire. Mit Pursuit Of Vikings gaben AMON AMARTH einen Vorgeschmack auf das im September erscheinende Album Fate Of Norns, mit dem die Band allen Anschein nach den mit Versus The World eingeschlagenen Weg hin zu mehr Epik und Melodie, weg von der auf The Crusher präsenten Raserei, konsequent weiter verfolgt.
Insgesamt ein guter Gig der schwedischen Ausnahmeband, der nur von der eher bescheidenen Leistung des Soundmannes getrübt wurde.
Reverend: Hier möchte ich noch kurz einen kleinen Einwurf machen. Ich hielt den Gig von AMON AMARTH ebenfalls für relativ gelungen, muss jedoch eine Kleinigkeit kritisieren, die leider auf sehr viele skandinavische Bands zutrifft: Die Band verhält sich live zu steril. Gerade bei AMON AMARTH fällt mir immer wieder auf, dass ihre Bühnenshow einem Ritual gleicht, welches immer auf dieselbe Art und Weise durchgezogen wird. Vielleicht ist es etwas anmaßend, etwas dergleichen zu fordern, aber gerade bei solchen (privat) lustigen und freundlichen Menschen finde ich dieses kalte „we play fuckin’ death metal“-Flair der Konzerte ein wenig übertrieben. Bei mir kommt nur schwer Atmosphäre auf, wenn die einzige Ansage zwischen den Songs „The next song is…“ lautet. Irgendwie fehlt dann etwas – sei es nun Publikumsnähe oder aber einfach nur Humor. Hmm….

SAMSTAG 7. August

Dajana (Black Stage): Mittags um 12 und noch völlig benebelt boten BAL-SAGOTH die perfekte Untermalung, um den Alkoholpegel wieder auf ein normales Maß anzuheben und der stickigen Hitze des Zeltes zu entfliehen. Ich hatte die Sheffielder bis dato noch nie live gesehen und war einigermaßen neugierig. Dummerweise war soundtechnisch nicht wirklich viel zu hören, nur die ständigen Ansagen bezüglich des neuen Albums und der anstehenden Tour kamen klar rüber. Also wirklich viel verpasst hat man hier nicht. Vielleicht läuft die Tour dann besser.

Dajana (True Stage): Danach flugs den edlen Body nach links gewendet, denn nachdem ich es nicht geschafft hatte, einen der DEATH ANGEL Dates der Tour mitzunehmen, stand ich nun in vorderster Front, um mir die Bay Area Thrasher anzuschauen. Energiegeladen eröffnete man auch mit Thrown To The Wolves vom aktuellen Album The Art Of Dying und rockte anschließend fachgerecht die Bühne trotz brüllender Temperaturen. Absolut geile Show und ich könnte mich wohin beißen, die Jungs vorher verpasst zu haben...

Reverend (Black Stage): In sengender Hitze stieg gut zwei Stunden später auf der Black Stage der Gig von CANNIBAL CORPSE, einer der meisterwarteten Bands des Festivals. Entsprechend fertig sah George „Corpsegrinder“ Fisher auch aus, zumindest dürfte seine Gesangstechnik nicht gerade für zusätzliche Abkühlung gesorgt haben. Dennoch gab die Truppe mal wieder alles und wurde ihrem Ruf als „Death Metal Band schlechthin“ mehr als gerecht. Was ich immer sehr angenehm finde, ist, dass die Band bei ihren Konzerten gleichmäßig Material von allen Alben spielt, und sich nicht voll und ganz auf die letzten zwei Scheiben konzentriert. Aufgrund der völlig verfehlten Jugendschutzpolitik und ganz besonders wegen einer sehr speziellen Freundin der Band, die maßgeblich daran beteiligt war, die ersten drei Alben in Deutschland aus dem Verkehr ziehen zu lassen, blieben uns solche genialen Klassiker wie das beliebte Hammer Smashed Face oder auch der Hit Born In A Casket leider einmal mehr verwehrt. Da halfen auch laute Publikumsproteste nichts, obwohl George die Menge unter Kontrolle hatte und sie zu beruhigen wusste. Der Kult: „You know, we can’t play that song here… But hey, let me tell you, there are also people in the United States who don’t want us to play ANY SONG AT ALL. And for those people is our next song, because THEY DESERVE TO DIE!” ... Ja, Humor und Selbstironie greifen bei einem Corpse-Gig ineinander und erzeugen eine Atmosphäre, die sich schlichtweg als phantastisch bezeichnen lässt.

Dajana (Black Stage): Da es viel zu heiß war, sich zu bewegen, blieb ich nach Death Angel einfach vor der True Stage hocken, sah mir Cannibal Corpse quasi auf der Riesen-Leinwand in der Mitte an und harrte der Dinge die da kommen würden... NEVERMORE ist natürlich für mich ein Pflichtprogramm, da ich dieser Band schon seit Sanctuary Zeiten treu bin. Diesmal gab es vor der Black Stage unerwartet viele Lücken, so dass man sich – ohne sich dabei umzubringen – weit vorschieben konnte. Sänger Warrel Dane schien zwar einmal mehr mit jeder Art von Drogen vollgestopft zu sein, stolperte das eine oder andere Mal über die Bühne, lieferte aber dennoch mit seinen Mannen eine energiegeladene und geile Show. Der Schwerpunkt lag natürlich auf dem Enemies Of Reality Album, aber auch Stücke von Dead Heart In A Dead World fehlten nicht, auch wenn ich die Songauswahl doch recht seltsam fand (es gibt weit bessere Songs als Soundcollector auf diesem Album) und z.B. Next In Line ließen das Publikum ausrasten. Der Sound war eher breiig, hat die Show aber nicht wirklich vermiest.

Tobias (Black Stage): Peter Tägtgren, seines Zeichens Sänger von HYPOCRISY, Pain und neuerdings auch Bloodbath, beehrte mit seiner Hauptband neben dem diesjährigen With Full Force auch das Wacken Open Air. Nachdem HYPOCRISY schon in Roitzschjora bei Regen überzeugt hatten, bestätigten sie diesen Eindruck erwartungsgemäß auch unter der heißen Wackener Sonne. Die Schweden sind einfach eine Macht, eine die Massen mobilisierende außerirdische Gewalt, die mit ihrem aktuellen Album The Arrival aus dem experimentelleren Catch 22-Universum zur Erde geflogen ist, um dort wieder in traditionelleren Gefilden zu landen. Natürlich weiß man genau, was man von einem HYPOCRISY-Gig zu erwarten hat, eine gewisse Berechenbarkeit bleibt dadurch nicht aus, aber wer will schon ernsthaft auf Hymnen wie Final Chapter, Fire In The Sky oder den von Peter kurzerhand in Wacken 47 umgetauften Bandklassiker über den angeblichen UFO-Absturz im US-Bundesstaat New Mexico verzichten? Mit Songs wie God Is A Lie, vom 92er Debüt Penetralia oder dem Osculum Obscenum-Track Inferior Devoties unternahmen die Schweden den obligatorischen Abstecher in ihre Anfangstage. Born Dead Buried Alive von The Arrival beendete einen gelungen Gig, nach dessen Ende ich mich an einen Ort begab, der nach Stunden ununterbrochener Sonneneinstrahlung der Hölle näher kam, als das Black Metal-Gekeife von Mayhem und Satyricon zusammen: die W.E.T. Stage.

Reverend (Party Stage): Bevor Tobias und Dajana dann aber tatsächlich durch die Hölle gingen, konnte man auf der Party-Stage zunächst mal wieder KNORKATOR bewundern, die trotz ihres eher Industrial-lastigen Stils und ihrer nicht gerade „metallischen“ Ausstrahlung zu den wenigen Bands gehören, die trotzdem ein festes Stammpublikum in Wacken haben und sich allgemeiner Beliebtheit erfreuen. Aufgrund der elektronisch-komplexen Natur ihrer Songs kam zwar einiges vom Band, aber das ist völlig in Ordnung, solange die Show stimmt. Und die stimmte. Absoluter Höhepunkt des einstündigen Auftritts war der Song, in dem sich die Band die schwer philosophische Frage „Wie weit ist der Weg bis zum Horizont?“ stellt, welche sie ganz nüchtern durch ein paar Berechnungen (Pythagoras lässt grüßen!) auf einem großen Zeichenblock beantwortete. Köstlich! Auch wenn ich mich frage, wie Stumpen es schafft, stimmlich so hoch zu kommen. Kastriert ist er jedenfalls nicht, das konnte man durch seinen dezenten Badeanzug hindurch deutlich erkennen ;) Ich finde, Bands wie KNORKATOR sind es, die ein Festival wie das Wacken zu einem Erlebnis machen. Man merkt gerade dann, wenn man seit Jahren in der Szene aktiv ist, dass man irgendwann übersättigt ist von vielen Standardkonzerten und langweiligen Routine-Gigs. Außenseiter schaut man sich hingegen mit einer ganz neuen „Frische“ an… Tolles Konzert!

Tobias (W.E.T. Stage): Der Glutofen W.E.T. Stage hatte sich noch nicht wirklich abgekühlt, als um 20 Uhr einer der besten und intensivsten Liveacts Deutschlands die Bühne betrat. DISBELIEF sind auf CD nicht schlecht, live hingegen ist der Fünfer eine Groovemaschine, der man sich nur schwer entziehen kann. Die ganze Band, vom neuerdings kurzhaarigen Gitarristen Jan-Dirk Löffler (sah wirklich putzig aus – Dajana), über die tighte Rhythmusfraktion bis hin zum charismatischen Brüllwunder Karsten „Jagger“ Jäger, legte eine enorme Spielfreude an den Tag und ließ sich von den zurecht begeisterten Fans im Zelt feiern.
Die Setlist ließ keine Wünsche offen und beinhaltete Songs wie To The Sky, Spreading The Rage, No Control, Misery oder God? Master! vom 1997 veröffentlichten Debüt Disbelief.
Auch wenn die familiäre „Clubatmosphäre“ der W.E.T. Stage durchaus ihre Vorzüge hat, eine Band wie DISBELIEF hätte es verdient, auf einer größeren Bühne zu spielen. Klasse Auftritt!
Dajana: Dem schließe ich mich postwendend an, war nämlich zur selben Zeit in selbiger Hölle - was ja glasklar war, da ich der Band seit dem Debüt zu Füßen liege, auch wenn mir Tobias irgendwie net über den Weg gelaufen ist ;) (Kunst)Blut überströmt (war so ’n Gag am Rande) stand ich in der ersten Reihe, ließ meine Nackenwirbel knacken und verließ klitschnass, verdreckt und zerzaust aber zum sterben glücklich die W.E.T. Stage. Ich hatte mich zwar vorher geärgert, weil ich denke, das eine Band wie DISBELIEF auf die Blackstage gehört, aber da hätte man wohl kaum solch eine intensive und privat-intime Show geboten bekommen.

Reverend (Black Stage): Zu guter letzt kam der geneigte Wacken Black Stage-Besucher in den Genuss des lang erwarteten Konzerts von SATYRICON feat. NOCTURNO CULTO. Fälschlicherweise als „Last show ever!“ beworben, dachten viele, es wäre das wohl letzte Mal, dass man die Band live sehen würde, und entsprechend voll war es dann auch. Im Endeffekt meinte diese mehrdeutige Aussage jedoch nur, dass es sich um das letzte Konzert von SATYRICON zusammen mit NOCTURNO CULTO (von Darkthrone) handelte. (…und dafür bin ich so lange aufgeblieben. *gähn*) Nun, allen Unkenrufen zum Trotz war das Konzert recht gelungen, und so mancher Fan sowohl des alten wie auch neuen Songmaterials der Truppe kam auf seine Kosten. Besonders herbeigesehnt wurde natürlich der Moment, in dem NOCTURNO CULTO zum Mikrophon greifen und einige Darkthrone-Klassiker präsentieren würde, was auch prompt geschah und frenetisch gefeiert wurde. Alles in allem ein würdiger Abschluss des Wacken 2004 Black Stage Programms!

Insgesamt lässt sich wohl sagen, dass das Jubiläumsfest WACKEN OPEN AIR 2004 ein voller Erfolg war. Dem Pressestatement der Veranstalter zufolge ist alles nahezu perfekt gelaufen. Es gab praktisch keine ernsthaften Zwischenfälle zu beklagen. Die Bilanz von 33.000 Besuchern finde ich untertrieben, denn wer mal so ca. vom Supermarkt aus seinen Blick über das Gelände schweifen ließ, wenn abends die "Hauptakts" an der Reihe waren, wird festgestellt haben, das es weit mehr Leute waren, als die Jahre davor, wo man ja mit ähnlichen Zahlen hantierte.40.000 + ist da keineswegs übertrieben und für mich persönlich viel zu viel, wie viele Klagen über die immer noch unzureichende Anzahl an Duschen und Toiletten unterstreichen... Über die Wahnsinnspreise wurde schon berichtet. Ich möchte hier nur anmerken, das sehr wohl Festivals gleicher Größenordnung gibt, bei denen es wesentlich besser läuft, wo zwar auch die Ticketpreise mächtig angezogen haben, es aber keine weiteren versteckten Kosten gibt (Müll/ Parkgebühr 20 €? - ihr spinnt wohl...), die Food Preise zivil und das Billing großartig ist und wo es auschließlich kostenlose und ausreichende Naßtoiletten gibt... In diesem Sinne: Cheers! (Dajana)

 
stories © Tobias, Reverend, Dajana