Fünfzehn Jahre WACKEN OPEN AIR,
fünfzehn Jahre, in denen sich einer kleiner Ort in Schleswig
Holstein von einem 2000 Einwohner starken Fleck auf der Landkarte,
zum zentralen Punkt in der Kartographie härterer Musik
entwickelt hat. Waren es beim ersten Festival im Jahre 1990
nur knapp 600 Zuschauer, die sich in den Norden verirrt hatten,
strömten anderthalb Dekaden später nach offiziellen
Angaben 33000 zahlende Besucher zum großen Jubiläum
nach Wacken.
Bekanntermaßen war das Festival nach dem Katastrophenjahr
2002 bei vielen in Ungnade gefallen, konnte aber ein Jahr darauf
durch zahlreiche Verbesserungen den lädierten Ruf reparieren.
Das fünfzehnte WACKEN OPEN AIR setzte
diesen positiven Trend meiner Ansicht nach fort, wenngleich
es auch einige negative Aspekte gab. Der erste Punkt betrifft
– wie könnte es anders sein – das leidige Thema
Geld. Natürlich haben die Veranstalter ständig mit
steigenden Kosten zu kämpfen und müssen auch den Bands
ein paar Münzen in den aufgeklappten Gitarrenkoffer werfen,
aber eine Preiserhöhung auf 75 € für das 3-Tagesticket
ist ziemlich happig. Zudem ließ das Preis/Leistungsverhältnis
von Getränken und Essen mal wieder stark zu wünschen
übrig, was bei Festivals dieser Größenordnung
aber mittlerweile leider zur Normalität gehört.
Punkt zwei betrifft die Besucherzahlen, da ich den Eindruck
hatte, dass es dieses Jahr noch voller war als 2003, was der
angeblichen Ticketbegrenzung der Veranstalter widersprechen
würde.
Dennoch war das WACKEN OPEN AIR 2004 ein über
weite Strecken sehr gut organisiertes, reibungslos ablaufendes
Festival mit einem starken Billing und einer Band, die bereits
im Vorfeld für Kontoversen und hitzige Diskussionen gesorgt
hatte: die Böhsen Onkelz.
Im Nachhinein betrachtet war die ganze Aufregung um den Auftritt
völlig unnötig, da Ausschreitungen, deren Ursache
Onkelz-Fans oder ihre Gegner waren, meines Wissens nach ausblieben.
Wer die „kontroverseste deutschsprachige Band“ (*gähn*)
sehen wollte, schleppte sich vor die Bühne, wer nicht,
blieb auf dem Zeltplatz und vernichtete die reichlichen Biervorräte
– eine simple, aber effektive Lösung, um den Gig
einer Band zu umgehen, die dem Festival 1996 zum Durchbruch
verholfen hatte.
Insgesamt war das WACKEN OPEN AIR 2004 aber
ein würdiges Jubiläum des Kultfestivals, auch wenn
es der Wettergott mal wieder zu gut mit den Besuchern meinte,
alle Wolken vom Himmel fegte und den Temperaturregler bedrohlich
nah gen Maximum schob. Sonnenbrand ist einfach kein Heavy Metal...
(Tobias)
FREITAG 6. August
Tobias (Black Stage):
Die Gothic Metaller ORPHANAGE eröffneten
zu nachtschlafender Zeit (elf Uhr morgens) den Reigen auf der
Black Stage. Obwohl ein strahlender Sommermorgen nicht unbedingt
der beste Zeitpunkt für dunkle Musik ist, lösten die
Niederländer ihre Aufgabe sehr gut. Der Sound war ordentlich,
die Instrumentalabteilung hatte sich vor dem Auftritt wahrscheinlich
mit Kaffee (natürlich schwarz) die Müdigkeit aus dem
Körper gespült, Sänger George grunzte wie eine
abgestochene Sau und Sängerin Rosan steuerte die obligatorischen
weiblichen Vocals bei. Insgesamt ein wirklich guter Muntermacher.
Dajana (Black Stage):
Meine Wenigkeit geisterte ebenfalls schon zu den letzten
Klängen von MNEMIC (selbe Zeit wie Orphanage)
– die dabei und gerade um diese Zeit einen äußert
guten Eindruck machten – auf dem Festivalgelände herum,
um dann pünktlich vor der Bühne der Doomgötter
CATHEDRAL zu stehen. Und ich muss sagen, ich
war schwer begeistert. Solche Spielfreude um diese Zeit hätte
ich bei den alten Knaben gar nicht erwartet.
Tobias (Black Stage):
Als ARCH ENEMY die Bretter betraten, hatte sich
vor der Bühne bereits eine beachtliche, bis hinter den Soundturm
dicht gedrängt stehende Menschenmenge eingefunden, um den
schwedischen Melodic Deathern zu huldigen. Die Truppe um ex-Carcass-Gitarrist
Michael Amott legte sich mächtig ins Zeug und trat den unzähligen
Fans bei Gluthitze ordentlich in den Allerwertesten. Frontfrau
Angela Gossow, die mit den Worten „Wir sind hier, um Spaß
zu haben, etwas Gewalt kann aber auch nicht schaden!“ die
Marschrichtung des Gigs festlegte, war erwartungsgemäß
Blickfang und Aktivposten der Band. Die deutsche Kreischsäge
tobte über die Bühne, poste mit dem Mikroständer
und reckte die teufelsgehörnte Hand in den blauen Sommerhimmel,
als würde der Leibhaftige persönlich mit der Mistgabel
hinter ihr stehen.
Die Amott-Brüder jagten ihre Killerriffs und virtuosen Soli
gewohnt souverän durch die PA, während Drummer Daniel
Erlandsson und Bassist Sharlee D’Angelo für ein solides
Rhythmusfundament sorgten. Songs wie Silent Wars, Enemy
Within oder die Anthems Of Rebellion-Hymne
We Will Rise wurden absolut tight in die begeisterte
Menge geblasen.
Dajana (Black Stage):
Eher unfreiwillig hab ich mir danach MAYHEM angeschaut,
obwohl ich eigentlich Brainstorm eingeplant hatte... Leute...
hab selten so gelacht. Musikalisch will ich ja nicht meckern,
auch wenn es nicht wirklich ein überragender Gig war, aber
Maniac’s Gepose mit langem Messer, Blutkapseln in der Hand
und Schweineköpfen, die zaghaft auf die Unterbühne der
Kameraleute purzelten waren echt zu niedlich. Natürlich alles
bei blendenden Sonnenschein ;) War ungewollt ein erfrischend lustiger
Gig!
Reverend: Besonders hervorzuheben sind hierbei
die Versuche Maniac’s, das Publikum zu motivieren. Ungeschlagen
finde ich seine „Oh, come on! I know it is hot, but
a little applause for the bloodshed, please!“-Forderung.
Wäre es nicht so heiß gewesen, hätten sicherlich
mehr Leute darüber gelacht. Das peinliche, vorsichtig angedeutete
„Lecken“ an den aufgespießten Schweineköpfen
links und rechts von der Bühne kann man in Anbetracht der
Tagestemperaturen allerdings verstehen. Hätte er wirklich
was davon in den Magen bekommen, wäre er zweifellos als nunmehr
drittes Bandmitglied ins Himmelreich eingezogen – allerdings
ein wenig würdeloser als seine Vorgänger.
Dajana (W.E.T. Stage):
Anschließend ließ ich es mir nicht nehmen, mir die
reunierten australischen Thrasher von HOBBS ANGEL OF DEATH
anzuschauen. Trotz säuerlichen.... ähm... Geruchs im
Zelt und subtropischer Temperaturen gaben die alten Herren mächtig
Gas, um gerade mit den alten Songs aus den 80igern das Publikum
zu überzeugen und wurden sogar noch für eine Zugabe
von den Fans zurück auf die Bühne beordert...
Reverend (Party Stage):
...Während meine Wenigkeit zur Party Stage marschierte.
Timo KOTIPELTO, seines Zeichens ehemaliger und
bald hoffentlich neuer und alter Frontman von Stratovarius, gab
dieses Jahr zum zweiten Mal ein Solokonzert in Wacken. Klar, dass
der Schwerpunkt dabei auf seinem neuen Album Coldness
lag, welches unter schwersten Bedingungen nach dem Streit in Stratovarius
aufgenommen und veröffentlicht wurde. Das Album selbst ist
ein wenig umstritten, klingt es doch sehr steril, distanziert
und vor allem untypisch. Live jedoch konnte der blonde Finnenbarde
seine Songs gut rüberbringen, und es wurde sicherlich so
mancher zunächst skeptischer Fan vom Kauf der neuen Scheibe
überzeugt. Natürlich durften auch einige Songs seines
Solo-Debüts Waiting For The Dawn
nicht fehlen, einem Album, das damals von vielen Kritikern für
besser als der seinerzeit letzte Output seiner Stammformation
gehalten wurde. Timo gab sich während des ganzen Konzerts
lustig und auch ein wenig selbstironisch. Ein besonderes Highlight
war eine Stratovarius-Coverversion: Er spielte den Song S.O.S.
(Save Our Souls), bei dem er sich im Jahre 2000 in Wacken seine
Hand böse an Pyroeffekten verbrannt hatte. Augenzwinkernd
gab er dabei zu Protokoll, dass das sozusagen seine ganz persönliche
Rache an dem Song sei. Dem Publikum gefiel es, mir auch –
ein gelungener Gig. Besonders glanzvolle Leistungen brachte Janne
„Warman“ Vilman an den Keyboards, der bei KOTIPELTO
fast besser zur Geltung kommt als bei seiner Hauptband Children
Of Bodom (bei mir auch bekannt als Children Of Boredom).
Reverend (Party Stage):
Weil ich an diesem Abend unglaublich fertig war, dachte ich mir,
ich bleib gleich hier und gebe mir etwas leicht Verdauliches,
Fröhliches, und schaute mir das Konzert der fanatischen Finnen
ELÄKELÄISET an, die mit ihrer Humppa-Musik
zahlreiche Zuschauer begeistern konnten und (zurecht!) um einiges
mehr Applaus erhielten als so manche „echte“ Metal-Band,
die sich an diesem Abend die Ehre gab. Dabei zogen sie nicht nur
die Massen in ihren Bann, sondern auch die hartmetallischen Kollegen
gnadenlos durch den Kakao. Meine Favoriten waren auf jeden Fall
die Coverversionen von HIM- oder Iron Maiden Songs, die -passend
vorgetragen in Stammtischatmosphäre- nicht nur Freudentränen
in die Augen jedes aufgeschlossenen Metallers, sondern sicherlich
auch Frust und Trauer unter einigen ganz eingefleischten „Blaukutten“
Maiden-Fans oder „Ich mal mir eine Träne auf“-Gruftis
verbreiteten. Ein wenig überzogen war vielleicht die demonstrative
Zerstörung einer Quetschkommode (die im Gegensatz zu einer
E-Gitarre einfach nicht kaputtzukriegen war), aber das ist halt
Heavy Metal, oder? (Im Gegensatz zu Maiden und Slayer! ;-))
Tobias (Black Stage):
Die Headliner des ersten (wirklichen) Festivaltages,
die schwedischen Wikinger AMON AMARTH erschufen
mit ihrem 2002er Werk Versus The World
ein Album, das Fans und Kritiker weltweit zurecht in den höchsten
Tönen lobten. Das Meisterwerk vereinigte erhabene Melodien
und kraftvolle Epik zu nordischen Schlachthymnen höchster
Qualität. Meine Erwartungen waren dementsprechend hoch, als
AMON AMARTH um zwei Uhr nachts die Black Stage
betraten und mit Victorious March vom 1997er Once
Sent From The Golden Hall einen Gig starteten, der
durchaus einem siegreichen Marsch gleichkam, auch wenn der Sound
alles andere als gut war.
Die Schweden konzentrierten sich dabei hauptsächlich auf
die beiden letzten Alben The Crusher
und Versus The World, sodass die Meute
vor der Bühne in den Genuss solch großartiger Songs
wie Masters Of War, Bastards Of A Lying Breed, VS The World
oder For The Stabwounds In Our Backs kam. Highlights
des Auftritts waren für mich aber das schleppende Where
Silent Gods Stand Guard und der sich immer mehr zur neuen
Bandhymne entwickelnde Versus The World-Song
Death In Fire. Mit Pursuit Of Vikings gaben
AMON AMARTH einen Vorgeschmack auf das im September
erscheinende Album Fate Of Norns, mit
dem die Band allen Anschein nach den mit Versus The
World eingeschlagenen Weg hin zu mehr Epik und Melodie,
weg von der auf The Crusher präsenten
Raserei, konsequent weiter verfolgt.
Insgesamt ein guter Gig der schwedischen Ausnahmeband, der nur
von der eher bescheidenen Leistung des Soundmannes getrübt
wurde.
Reverend: Hier möchte ich noch kurz einen
kleinen Einwurf machen. Ich hielt den Gig von AMON AMARTH
ebenfalls für relativ gelungen, muss jedoch eine Kleinigkeit
kritisieren, die leider auf sehr viele skandinavische Bands zutrifft:
Die Band verhält sich live zu steril. Gerade bei AMON
AMARTH fällt mir immer wieder auf, dass ihre Bühnenshow
einem Ritual gleicht, welches immer auf dieselbe Art und Weise
durchgezogen wird. Vielleicht ist es etwas anmaßend, etwas
dergleichen zu fordern, aber gerade bei solchen (privat) lustigen
und freundlichen Menschen finde ich dieses kalte „we play
fuckin’ death metal“-Flair der Konzerte ein wenig
übertrieben. Bei mir kommt nur schwer Atmosphäre auf,
wenn die einzige Ansage zwischen den Songs „The next song
is…“ lautet. Irgendwie fehlt dann etwas – sei
es nun Publikumsnähe oder aber einfach nur Humor. Hmm….
SAMSTAG 7. August
Dajana (Black Stage): Mittags
um 12 und noch völlig benebelt boten BAL-SAGOTH
die perfekte Untermalung, um den Alkoholpegel wieder auf ein
normales Maß anzuheben und der stickigen Hitze des Zeltes
zu entfliehen. Ich hatte die Sheffielder bis dato noch nie live
gesehen und war einigermaßen neugierig. Dummerweise war
soundtechnisch nicht wirklich viel zu hören, nur die ständigen
Ansagen bezüglich des neuen Albums und der anstehenden
Tour kamen klar rüber. Also wirklich viel verpasst hat
man hier nicht. Vielleicht läuft die Tour dann besser.
Dajana (True Stage):
Danach flugs den edlen Body nach links gewendet, denn nachdem
ich es nicht geschafft hatte, einen der DEATH ANGEL
Dates der Tour mitzunehmen, stand ich nun in vorderster Front,
um mir die Bay Area Thrasher anzuschauen. Energiegeladen eröffnete
man auch mit Thrown To The Wolves vom aktuellen Album
The Art Of Dying und rockte anschließend
fachgerecht die Bühne trotz brüllender Temperaturen.
Absolut geile Show und ich könnte mich wohin beißen,
die Jungs vorher verpasst zu haben...
Reverend (Black Stage): In sengender
Hitze stieg gut zwei Stunden später auf der Black Stage der
Gig von CANNIBAL CORPSE, einer der meisterwarteten
Bands des Festivals. Entsprechend fertig sah George „Corpsegrinder“
Fisher auch aus, zumindest dürfte seine Gesangstechnik nicht
gerade für zusätzliche Abkühlung gesorgt haben.
Dennoch gab die Truppe mal wieder alles und wurde ihrem Ruf als
„Death Metal Band schlechthin“ mehr als gerecht. Was
ich immer sehr angenehm finde, ist, dass die Band bei ihren Konzerten
gleichmäßig Material von allen Alben spielt, und sich
nicht voll und ganz auf die letzten zwei Scheiben konzentriert.
Aufgrund der völlig verfehlten Jugendschutzpolitik und ganz
besonders wegen einer sehr speziellen Freundin der Band, die maßgeblich
daran beteiligt war, die ersten drei Alben in Deutschland aus
dem Verkehr ziehen zu lassen, blieben uns solche genialen Klassiker
wie das beliebte Hammer Smashed Face oder auch der Hit
Born In A Casket leider einmal mehr verwehrt. Da halfen
auch laute Publikumsproteste nichts, obwohl George die Menge unter
Kontrolle hatte und sie zu beruhigen wusste. Der Kult: „You
know, we can’t play that song here… But hey, let me
tell you, there are also people in the United States who don’t
want us to play ANY SONG AT ALL. And for those people is our next
song, because THEY DESERVE TO DIE!” ... Ja, Humor und
Selbstironie greifen bei einem Corpse-Gig ineinander und erzeugen
eine Atmosphäre, die sich schlichtweg als phantastisch bezeichnen
lässt.
Dajana (Black Stage):
Da es viel zu heiß war, sich zu bewegen, blieb ich nach
Death Angel einfach vor der True Stage hocken, sah mir Cannibal
Corpse quasi auf der Riesen-Leinwand in der Mitte an und harrte
der Dinge die da kommen würden... NEVERMORE
ist natürlich für mich ein Pflichtprogramm, da ich dieser
Band schon seit Sanctuary Zeiten treu bin. Diesmal gab es vor
der Black Stage unerwartet viele Lücken, so dass man sich
– ohne sich dabei umzubringen – weit vorschieben konnte.
Sänger Warrel Dane schien zwar einmal mehr mit jeder Art
von Drogen vollgestopft zu sein, stolperte das eine oder andere
Mal über die Bühne, lieferte aber dennoch mit seinen
Mannen eine energiegeladene und geile Show. Der Schwerpunkt lag
natürlich auf dem Enemies Of Reality
Album, aber auch Stücke von Dead Heart In A Dead
World fehlten nicht, auch wenn ich die Songauswahl
doch recht seltsam fand (es gibt weit bessere Songs als Soundcollector
auf diesem Album) und z.B. Next In Line ließen
das Publikum ausrasten. Der Sound war eher breiig, hat die Show
aber nicht wirklich vermiest.
Tobias (Black Stage): Peter
Tägtgren, seines Zeichens Sänger von HYPOCRISY,
Pain und neuerdings auch Bloodbath, beehrte mit seiner Hauptband
neben dem diesjährigen With Full Force auch das Wacken Open
Air. Nachdem HYPOCRISY schon in Roitzschjora
bei Regen überzeugt hatten, bestätigten sie diesen Eindruck
erwartungsgemäß auch unter der heißen Wackener
Sonne. Die Schweden sind einfach eine Macht, eine die Massen mobilisierende
außerirdische Gewalt, die mit ihrem aktuellen Album The
Arrival aus dem experimentelleren Catch
22-Universum zur Erde geflogen ist, um dort wieder
in traditionelleren Gefilden zu landen. Natürlich weiß
man genau, was man von einem HYPOCRISY-Gig zu
erwarten hat, eine gewisse Berechenbarkeit bleibt dadurch nicht
aus, aber wer will schon ernsthaft auf Hymnen wie Final Chapter,
Fire In The Sky oder den von Peter kurzerhand in Wacken 47
umgetauften Bandklassiker über den angeblichen UFO-Absturz
im US-Bundesstaat New Mexico verzichten? Mit Songs wie God
Is A Lie, vom 92er Debüt Penetralia
oder dem Osculum Obscenum-Track
Inferior Devoties unternahmen die Schweden den obligatorischen
Abstecher in ihre Anfangstage. Born Dead Buried Alive
von The Arrival beendete einen gelungen
Gig, nach dessen Ende ich mich an einen Ort begab, der nach Stunden
ununterbrochener Sonneneinstrahlung der Hölle näher
kam, als das Black Metal-Gekeife von Mayhem und Satyricon zusammen:
die W.E.T. Stage.
Reverend (Party Stage): Bevor
Tobias und Dajana dann aber tatsächlich durch die Hölle
gingen, konnte man auf der Party-Stage zunächst mal wieder
KNORKATOR bewundern, die trotz ihres eher Industrial-lastigen
Stils und ihrer nicht gerade „metallischen“ Ausstrahlung
zu den wenigen Bands gehören, die trotzdem ein festes Stammpublikum
in Wacken haben und sich allgemeiner Beliebtheit erfreuen. Aufgrund
der elektronisch-komplexen Natur ihrer Songs kam zwar einiges
vom Band, aber das ist völlig in Ordnung, solange die Show
stimmt. Und die stimmte. Absoluter Höhepunkt des einstündigen
Auftritts war der Song, in dem sich die Band die schwer philosophische
Frage „Wie weit ist der Weg bis zum Horizont?“ stellt,
welche sie ganz nüchtern durch ein paar Berechnungen (Pythagoras
lässt grüßen!) auf einem großen Zeichenblock
beantwortete. Köstlich! Auch wenn ich mich frage, wie Stumpen
es schafft, stimmlich so hoch zu kommen. Kastriert ist er jedenfalls
nicht, das konnte man durch seinen dezenten Badeanzug hindurch
deutlich erkennen ;) Ich finde, Bands wie KNORKATOR
sind es, die ein Festival wie das Wacken zu einem Erlebnis machen.
Man merkt gerade dann, wenn man seit Jahren in der Szene aktiv
ist, dass man irgendwann übersättigt ist von vielen
Standardkonzerten und langweiligen Routine-Gigs. Außenseiter
schaut man sich hingegen mit einer ganz neuen „Frische“
an… Tolles Konzert!
Tobias (W.E.T. Stage): Der Glutofen
W.E.T. Stage hatte sich noch nicht wirklich abgekühlt, als
um 20 Uhr einer der besten und intensivsten Liveacts Deutschlands
die Bühne betrat. DISBELIEF sind auf CD
nicht schlecht, live hingegen ist der Fünfer eine Groovemaschine,
der man sich nur schwer entziehen kann. Die ganze Band, vom neuerdings
kurzhaarigen Gitarristen Jan-Dirk Löffler (sah wirklich putzig
aus – Dajana), über die tighte Rhythmusfraktion bis
hin zum charismatischen Brüllwunder Karsten „Jagger“
Jäger, legte eine enorme Spielfreude an den Tag und ließ
sich von den zurecht begeisterten Fans im Zelt feiern.
Die Setlist ließ keine Wünsche offen und beinhaltete
Songs wie To The Sky, Spreading The Rage, No Control, Misery
oder God? Master! vom 1997 veröffentlichten Debüt
Disbelief.
Auch wenn die familiäre „Clubatmosphäre“
der W.E.T. Stage durchaus ihre Vorzüge hat, eine Band wie
DISBELIEF hätte es verdient, auf einer größeren
Bühne zu spielen. Klasse Auftritt!
Dajana: Dem schließe ich mich postwendend
an, war nämlich zur selben Zeit in selbiger Hölle -
was ja glasklar war, da ich der Band seit dem Debüt zu Füßen
liege, auch wenn mir Tobias irgendwie net über den Weg gelaufen
ist ;) (Kunst)Blut überströmt (war so ’n Gag am
Rande) stand ich in der ersten Reihe, ließ meine Nackenwirbel
knacken und verließ klitschnass, verdreckt und zerzaust
aber zum sterben glücklich die W.E.T. Stage. Ich hatte mich
zwar vorher geärgert, weil ich denke, das eine Band wie DISBELIEF
auf die Blackstage gehört, aber da hätte man wohl kaum
solch eine intensive und privat-intime Show geboten bekommen.
Reverend (Black Stage): Zu guter
letzt kam der geneigte Wacken Black Stage-Besucher in den Genuss
des lang erwarteten Konzerts von SATYRICON feat.
NOCTURNO CULTO. Fälschlicherweise als „Last
show ever!“ beworben, dachten viele, es wäre das wohl
letzte Mal, dass man die Band live sehen würde, und entsprechend
voll war es dann auch. Im Endeffekt meinte diese mehrdeutige Aussage
jedoch nur, dass es sich um das letzte Konzert von SATYRICON
zusammen mit NOCTURNO CULTO (von Darkthrone)
handelte. (…und dafür bin ich so lange aufgeblieben.
*gähn*) Nun, allen Unkenrufen zum Trotz war das Konzert recht
gelungen, und so mancher Fan sowohl des alten wie auch neuen Songmaterials
der Truppe kam auf seine Kosten. Besonders herbeigesehnt wurde
natürlich der Moment, in dem NOCTURNO CULTO
zum Mikrophon greifen und einige Darkthrone-Klassiker präsentieren
würde, was auch prompt geschah und frenetisch gefeiert wurde.
Alles in allem ein würdiger Abschluss des Wacken 2004 Black
Stage Programms!
Insgesamt lässt sich wohl sagen, dass
das Jubiläumsfest WACKEN OPEN AIR 2004 ein
voller Erfolg war. Dem Pressestatement der Veranstalter zufolge
ist alles nahezu perfekt gelaufen.
Es gab praktisch keine ernsthaften Zwischenfälle zu beklagen.
Die Bilanz von 33.000 Besuchern finde ich untertrieben, denn wer
mal so ca. vom Supermarkt aus seinen Blick über das Gelände
schweifen ließ, wenn abends die "Hauptakts" an
der Reihe waren, wird festgestellt haben, das es weit mehr Leute
waren, als die Jahre davor, wo man ja mit ähnlichen Zahlen
hantierte.40.000 + ist da keineswegs übertrieben und für
mich persönlich viel zu viel, wie viele Klagen über
die immer noch unzureichende Anzahl an Duschen und Toiletten unterstreichen...
Über die Wahnsinnspreise wurde schon berichtet. Ich möchte
hier nur anmerken, das sehr wohl Festivals gleicher Größenordnung
gibt, bei denen es wesentlich besser läuft, wo zwar auch
die Ticketpreise mächtig angezogen haben, es aber keine weiteren
versteckten Kosten gibt (Müll/ Parkgebühr 20 €?
- ihr spinnt wohl...), die Food Preise zivil und das Billing großartig
ist und wo es auschließlich kostenlose und ausreichende
Naßtoiletten gibt... In diesem Sinne: Cheers! (Dajana)
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