KATATONIA – Night Is The New Day

 
Label:

Peaceville Records

Release: 02.11.2009
Von: Haris
Punkte: 10/10
Time: 48:33
Stil: Dark Rock
URL: Katatonia
 
Drei lange, lange Jahre hat es gedauert, bis sich die Düsterrocker KATATONIA im Ghost Ward Studio zu Stockholm eingenistet haben, um ihr achtes Langeisen aufzunehmen. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich von den Schweden anno 2009 etwas ganz anderes erwartet hatte. War The Great Cold Distance im direkten Vergleich zum Vorgänger Viva Emptiness wesentlich ruhiger, nahezu bedächtig komponiert und bei weitem weniger brutal, vermutete ich im Vorfeld, KATATONIA würden mit Night Is The New Day wieder einen Schritt zurück und deftiger zu Werke gehen. Die in Stockholm ansässige Band hat jedoch auf dem vorliegenden Album das ruhige, verspielte Element von The Great Cold Distance noch weiter in den Vordergrund gerückt. Dabei wandern sie öfter denn je auf progressiv rockigen Pfaden der Marke Porcupine Tree oder Opeth.
Forsaker wurde bereits vor dem offiziellen Release via Peaceville Records zum freien Download angeboten. Ein kluger Schachzug, denn der Song erinnert noch am ehesten an den Vorgänger mit seinen brutalen, Stakkato-Rhythmusgitarren und dem äußerst komplexen Songwriting. Der folgende Track The Longest Year schlägt noch in dieselbe Kerbe, kann mit einem Jahrhundertrefrain und einer trip-rockigen Strophe mit fantastischen cleanen Gitarren (Anders und Fred haben mal wieder alle Register ihres Talents gezogen und mit die besten Riffs der gesamten Karriere eingezockt) punkten. Diejenigen, die sich jedoch in Sicherheit wähnten und The Great Cold Distance Teil 2 erwartet hätten, werden jedoch spätestens mit dem dritten Song Idle Blood eines besseren belehrt. KATATONIA hatten bereits in der Vergangenheit ein Faible für balladeske, poppige Songs (Day auf Brave Murder Day oder Omerta auf Viva Emptiness). Der besagte Song erinnert in seiner legeren, unaufdringlichen, aber dennoch fesselnden Melancholie an Opeth zu Damnation-Zeiten oder eben auch an Porcupine Tree ab In Absentia. Wie in eigentlich jedem Lied auf Night Is The New Day besticht auch Idle Blood durch einen unglaublichen Kehrvers, in dem Jonas einmal mehr beweist, warum er als Gastsänger bei Größen wie Ayreon, Swallow The Sun oder Pantheon I so gefragt ist. Einfach zum niederknien. Und es nimmt einfach kein Ende... Onward Into Battle (laut Anders und Jonas ein Tribut an The Cures Disintegration-Album – geht zumindest von der Strophe her durch...) ist wiederum angereichert mit einem Gänsehautkehrvers und eine an Follower und In The White vom Vorgänger erinnernde Strophe – nur eben, ja, reifer... Ein ausgelutschter Begriff, aber bei keiner anderen Band wie KATATONIA kann man sonst einen derartig inflationären Gebrauch von Superlativen rechtfertigen. Weiter geht’s mit Liberation. Meine Fresse, das Anfangsriff pumpt so dermaßen heavy durch die Boxen. Und im nächsten Moment nimmt Jonas den Hörer wieder mit einer bezaubernden Gesangsmelodie runter auf den Teppich, ehe das Anfangsthema als Pre-Chorus herhalten darf. Von der Grundstimmung erinnert der Song ein wenig an düstere Perlen der Marke Ghost Of The Sun und Leaders. In der Strophe von The Promise Of Deceit wird, für KATATONIA Verhältnisse bislang sträflichst vernachlässigt, ordentlich gegroovt und es ist ein Traum, zu hören, dass die drei Jahre, die zwischen der letzten Platte und Night Is The New Day liegen, genutzt wurden, um an jedem noch so kleinen Detail zu feilen, bis die Mannen um Jonas Renkse mit dem Ergebnis zufrieden sind. So düster wie auf Nephilim hat man die Schweden jüngst selten erlebt – das Intro-Riff kriegen selbst zertifizierte Melo-Doomsters wie My Dying Bride nicht mehr hin. Unglaublich, wie es Jonas immer wieder schafft, die Grundstimmung, die ein Riff vorgibt, mit seinem Gesang zu durchsprengen, neue Facetten einzufügen und damit den ganzen Charakter des jeweiligen Parts nach seinem Gusto zu verändern – er hält sozusagen die Zügel in der Hand... New Night ist wieder mit einem mörderischen Groove versehen und das verträumte Inheritance könnte als Fortsetzung des ruhigen Idle Blood durchgehen. Day And Then The Shade atmet Gothic-Rock-Luft, jedoch, ohne nach einem simplen Abklatsch nach irgendwas zu klingen – KATATONIA haben das auch nicht nötig. Das von der Akkordfolge an Evidence erinnernde Departer setzt dann den Schlusspunkt. Der Song eignet sich perfekt für diese Position in der Tracklist, fasst er doch recht gut zusammen, für was der Sound der Schweden anno 2009 steht: herzerwärmende Melancholie, Experimentierfreude, Sonnenschein, Unberechenbarkeit und Spielfreude en masse. Und mit der Wahl des Gastsängers Krister Linder, der zwar in derselben Tonlage wie Jonas singt, aber dessen Stimme noch zerbrechlicher wirkt, haben die Schweden voll ins Schwarze getroffen.
Langer Rede, kurzer Sinn: habe ich vor einigen Tagen in einem Gespräch mit meinem besten Spezl Holla noch gezweifelt, was ich letztlich von Night Is The New Day halten soll, steht für mich jetzt nach unzähligen Durchläufenfest: das ist neben Sólstafirs Köld, Amorphis Skyforger und MEWs No More Stories... DAS Album des Jahres 2009!!!!