Die Kreativität hat zugeschlagen, denn TRÄUMEN VON AURORA veröffentlichen zwei Alben gleichzeitig und können über 90 Minuten spannende, eigenartige und vielschichtige Qualität abliefern. Beim Eintauchen in die opulente Klangwelt scheint das Ablegen jeglicher stilistischer Scheuklappen sehr hilfreich. Hier wird munter drauflos experimentiert und ein kunterbunter Mix geboten, der den Hörer herausfordert. Viele kleine Puzzleteile greifen ineinander: moderater Black Metal, verträumter Post Rock, variable Stimmgebung und wunderbar gleitende Melodik.
Die extravagante Stimme wird die Geister scheiden, denn vor allem der avantgardistische Klargesang ist bestimmt nicht für Jedermanns Ohren bestimmt. Mir gefällt die Kombination von Fauchen, Flüstern, heroischem Timbre und allem dazwischen richtig gut, doch gleichzeitig erschlägt sie mich aufgrund der Vielfältigkeit. Da ist es wohltuend, wenn die Musiker weit ausholende Instrumentalpassagen präsentieren, die schwelgerisch die Gedanken schweifen und progressives Flair aufkommen lassen.
Bisweilen wirkt die Musik wie ein Schauspiel, wenn die Theatralik stark durchbricht. Unterstützend für die Opulenz, blinzeln immer wieder leichtfüßige Klaviermelodien durch, dagegen brechen harsche Rhythmen als Kontraste die träumerische Eleganz passend auf, sodass man zwischen Entspannung und heftigeren Elementen auf eine abwechslungsreiche Musikreise geschickt wird. Auf dem “weißen” Album scheint es viel mehr Raum für instrumentale Ausschweifungen zu geben, da tobt sich das Quartett vollends aus, besonders beim opulenten Finale ...Kann Eines Lichtes Flackern Trüben, welches mit der Einleitung Nicht Alle Dunkelheit Der Welt… einen musikalischen Rahmen oder eine inhaltliche Klammer der beiden Werke darstellt und quasi eine Brücke vom Anfang zum Ende schlägt.
Hervorzuheben wäre überdies die optische Gestaltung, denn die schwarz/weiß bzw. hell/dunkel Ästhetik vermag die zweigestaltige und doch kongruente Wirkungsweise der beiden Alben gut abzubilden.
Luna erscheint in seiner Gesamtheit dynamischer, spielt mehr mit Kontrasten, denn hier kommen verschiedene Emotionen wie Wut, Trauer, Hoffnungslosigkeit, aber auch Sehnsucht, Aggression oder stürmische Leidenschaft deutlich zum Vorschein. Oder kurz: Sturm und Stille, Zurückhaltung und trotziger Wille…
Elegische Melodiebögen lassen die Sonne aufgehen, sanfte Atemlosigkeit senken den Puls, emotionale Textpräsentationen addieren eine Prise an künstlerischer Extravaganz und auch Abgehobenheit.
Aurora klingt eher in sich gekehrt, introvertiert, progressiv, verspielt und nachdenklicher, aber trotzdem mit einem Funken an sehnender Hoffnung. Dynamisch baut sich schon Aurora I auf, erhebt sich aus der Ruhe eine anschwellende Akustikwelle, die auf rockige Strukturen, rhythmische Leichtfüßigkeit und elegante Symphonik Wert legt. Ruhiges Dahingleiten darf ebenso sein wie expressive Ausbrüche, die dich in Gedanken auf einen Berggipfel versetzen, wo dich Sonnenstrahlen treffen, aber aus der Ferne ein Gewitter heranzieht. Feinsinnige Melodik, jazzige Rhythmik oder komplexe Strukturen finden aber ebenso Platz und so gibt es jede Menge zu entdecken.
Wer sich also auf diese beiden Komplementärwerke einlässt, braucht jede Menge Zeit, Offenheit und Geduld, wird allerdings mit detailreichen Kompositionen belohnt, wenn die Prise Schrägheit und schauspielhafte Theatralik auch toleriert bzw. Geschätzt werden können.
Luna und Aurora sind tiefgründige Werke, die mit Variabilität fordern und ein offenes Ohr brauchen!
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