Vier Jahre nach ihrem Debüt S.U.S.A.R. legt die polnische Band INDUKTI mit Idmen ihr zweites Album vor. Stand damals Riversides Mariusz Duda am Mikrophon, teilen sich jetzt drei Sänger den Gesangsjob. Das hebt zum einen die instrumentale Intention des musikalischen Kollektivs – als das sich INDUKTI verstehen – hervor und sorgt zugleich für Abwechslung in den Gesanagsteilen. Doch den weit größten Teil des exzellenten Albums macht die instrumentale Seite aus. Für eine Menge Spannung ist gesorgt. Höchste Zeit für ein Interview mit der polnischen Band, deren Violinistin Ewa Jablonska uns freundlich und ausführlich Rede und Antwort stand.

Jochen: 4 Jahre ist es her, seit ihr S.U.S.A.R. veröffentlicht habt. Was habt Ihr in der Zwischenzeit getrieben?
Ewa:
Wir haben das Material für unser zweites Album komponiert, neue INDUKTI Babies freudig begrüßt, mit einem neuen Bassisten gearbeitet und hatten viel Spaß bei Live-Festivals zwischen Mexiko und Litauen ;)

Jochen: Wie lange hat die Produktion von Idmen gedauert?
Ewa:
Ich weiß, dass es so aussieht, als hätten wir alleine anderthalb Jahre gebraucht um Idmen zu produzieren und aufzunehmen, aber wenn wir die reale Zeit nehmen, die wir tatsächlich im Studio verbracht haben, bleiben lediglich zwei oder drei Monate übrig. Wir mussten Daten und Termine mit unseren Gästen abstimmen, wir mussten auf die Beiträge der Sänger warten, da es leider nicht möglich war, die Gesangsspuren im gleichen Studio aufzunehmen. So ging viel Zeit ins Land. Aber ich denke, das Resultat war’s wert.

Jochen: Eure Albentitel sind sehr kryptisch. Was bedeutet Idmen? Ich habe nur einen Verweis auf einen griechischen Vers in einem Ezra Pound-Gedicht gefunden.
Ewa:
Stimmt, Idmen ist ein altes griechisches Wort aus Homers „Odyssee“. Die Sirenen sangen dieses Wort und es bedeutet etwa: „Wir haben gesehen, wir wissen.“ Wie viele Musiker drücken wir uns durch unsere Musik aus, und so kann man Idmen als unsere Sicht der Realität betrachten. Das Hauptthema ist Kampf, der Kampf um Glauben, dem Schicksal, um das Selbstwertgefühl etc. Durch’s Zuhören wird man zum Zeugen. Man ist in der Lage zu sagen: “Ich habe gesehen. Ich weiß.“

Jochen: Warum diesmal gleich 3 Gastsänger?
Ewa:
Als Instrumentalband wissen wir natürlich, dass es unpassend wäre, mehr als die Hälfte eines Albums mit Vocals zu füllen. So haben wir drei Songs heraus gesucht und an die jeweiligen Sänger weiter gegeben. Dabei konnten sie sich nicht aussuchen, welchen Song sie singen. Wir haben uns aus zwei Gründen für unterschiedliche Sänger entschieden:
Zuerst konnten wir uns niemand anderen vorstellen, der die Lieder singt, und zum zweiten wollten nicht den Eindruck erwecken, wir hätten einen einzigen regulären Sänger. Wir sind eine Instrumentalband.

Jochen: Trotz seiner überzeugenden Mitarbeit an S.U.S.A.R. ist diesmal Mariusz Duda nicht dabei. Woran hat es gelegen?
Ewa:
Ich denke, Marisuz passte perfekt zu unserem Debüt, aber diesmal wollten wir etwas Neues und noch Manischeres. Die Musik auf Idmen ist anders, härter und verrückter. Und, wie schon gesagt, möchten wir nicht mit einem bestimmten Sänger in Verbindung gebracht werden, und genau das wäre passiert, wenn wir Mariusz wieder dazu geholt hätten. Aber wir sind immer noch freundschaftlich verbunden. z.B. spielte unser Drummer Wawrzyniec Dramowicz auf Mariusz Lunatic Soul Album.

Jochen: Ich finde es sehr beeindruckend, welche individuelle Qualität jeder Eurer Sänger besitzt. Wie findet Ihr Eure Wunschsänger und vor allem, sagen sie dann gleich begeistert zu?
Ewa:
Normalerweise finden wir sie beim Hören neuer Bands. Mariusz trafen wir während eines Riverside Konzerts 2002 oder 2003. Noch keine unserer Bands hatte damals ihr Debüt draußen. Ähnlich war’s mit Taff, den wir seit Jahren kennen (es gab mal eine Zeit, da teilten wir uns einen Proberaum mit seiner Band Rootwater). Ausländische Gäste treffen wir normalerweise auf gemeinsamen Shows. Vor zwei Jahren supporteten wir SGM in Warschau. Wir trafen Nils dann persönlich und fragten ihn Monate später, ob er auf unserem Album singen würde. Er sagte sofort zu – wie alle unsere Gastsänger; das nur so nebenbei ;)

Jochen: Habt Ihr schon mit dem Gedanken gespielt einmal ein reines Instrumentalalbum aufzunehmen?
Ewa:
Bislang nicht, aber irgendwann… vielleicht… ;) Im Moment kannst du dir dein komplettes Instrumentalalbum selbst zusammenstellen: kombiniere Idmen mit der Mutum EP, die die drei gesungenen Tracks in instrumentalen Versionen enthält.

Jochen: Eure Musik wirkt einerseits sehr geschlossen, aber sie hat vielfältige Einflüsse und Ausdrucksformen. Bindeglied ist m.E. der hohe energetische Fluss der Eure Musik durchzieht. Wie sehen die Anteile der einzelnen Bandmitglieder am gesamten Gestaltungsprozess aus? Seid Ihr Euch meist einig, in welche Richtung der jeweilige Song - oder größer - das ganze Album gehen soll?
Ewa:
Sämtliche INDUKTI Mitglieder sind in den Kompositionsprozess integriert. Wir benutzen Riffs und Themen unserer Gitarristen und Drummer und arbeiten gemeinsam daran. Wir spielen und improvisieren so lange, bis ein fertiger Song entsteht. Diese Art zu komponieren braucht einen bestimmten energetischen Fluss, um effektiv zu sein. Manchmal erreichen wir diese Stimmung, indem wir die Themen wie Mantras wiederholen, aber oft muss man auch nur warten, bis es passt. Wir wissen alle, dass es die Zeit wert ist.

Jochen: In den letzten Jahren hat sich Polen als wahre Fundgrube engagierter Musiker und Bands - aber auch Auftrittsorte erwiesen. Vor allem im Progressive/Art Rock und seinen Randbereichen. Ob Collage/Satellite, Riverside oder Ihr, es passiert einiges im Staate Polen. Wie erklärt Ihr Euch dieses Wachstum und den Gewinn an Bedeutung in den letzten Jahren?
Ewa:
Oh, vielleicht ist etwas im Wasser? ;) Aber ernsthaft, ich denke es hat immer talentierte und einzigartige Bands in Polen gegeben, aber es fehlte an Kommunikationswegen. Das ist mittlerweile wesentlich komfortabler; wir haben Myspace und eine Menge anderer Möglichkeiten uns nach außen darzustellen.

Jochen: Gibt es eine miteinander verbundene polnische Musikszene?
Ewa:
Du meinst so etwas wie Festivals, oder Berührungspunkte für progressive Bands, die sich außerhalb der Hauptszene bewegen? So was gibt es durchaus. Wir sind z.B. dieses Jahr beim INO Rock Festival aufgetreten, einem neuen progressiv orientierten Event. Wir hoffen, dass es an Relevanz gewinnt und Polen immer wichtiger wird.

Jochen: Habt Ihr schon Pläne für ein mögliches Album Nr. 3? Oder müssen wir uns wieder auf mehrere Jahre Wartezeit einstellen?
Ewa:
Ja, wir arbeiten an einigen Themen, aber im Moment gibt es wichtigeres. Sehr privat; unsere INDUKTI Familie wird ein weiteres Baby bekommen ;) Aber wir haben etliche Ideen und planen unsere Arbeitsweise anzupassen; d.h. wir arbeiten mit dem Internet und Software, die es uns erlaubt von daheim aus zu arbeiten.

Jochen: Wie sieht es mit Liveauftritten aus? Passiert was in Richtung Deutschland?
Ewa:
Wir sind einige Male in Deutschland aufgetreten und jedes Mal war es eine tolle Erfahrung. Ihr hat ein fantastisches Publikum ;) Deshalb hoffen wir, dass sich Gelegenheiten ergeben werden, wieder einmal aufzutreten ;) Wir würden liebend gerne kommen.

Jochen: Bitte ein paar kurze Sponatantworten: Lieblingsmusiker?
Ewa:
David Cross, Carla Kihlstedt, John Greenwood, Thom York, UNKLE, Mike Patton.
Jochen: Was stört Dich an der derzeitigen Musikszene?
Ewa:
Kopieren, diese Art des Denkens, die eigene Unsicherheit hinter zahllosen Kopien zu verstecken
Jochen: Was gefällt Dir an Deinen Mitmusikern?
Ewa:
Der verdrehte Sinn für Humor, und dass jeder für sich einmalig ist ;)
Jochen: Gibt es eine(n) idealen Sänger/Sängerin?
Ewa:
Tut mir leid, so jemand existiert nicht... oder vielleicht doch: Mike Patton ;)
Jochen: Musikalische Höhepunkte des laufenden Jahres?
Ewa:
Devil Doll, UNKLE, der Proposition Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis
Jochen: Persönliche Highlights?
Ewa:
Mein süßes, teuflisches Kätzchen ;p

Jochen: Ich danke Dir für’s Interview, und wünsche Dir und der Band noch viel Spaß und Erfolg!
Ewa:
Ich danke ebenfalls!

 

11/2009 © Jochen König • Indukti