Das
erste Album der italienischen Band NEVERDREAM
ist seit gut einem Jahr auf dem Markt. Das ungewöhnliche
Thema „Christiane F. und die Kinder vom Bahnhof Zoo“,
sowie die meist wohlwollenden bis sehr guten Kritiken, verlangen
geradezu nach einem Interview mit den sympathischen Musikern.
Bassist Federico und der trommelnde Texter Gabriele haben uns
Fragen nach NEVERDREAMs Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft bereitwillig und gut gelaunt beantwortet.
Jochen:
Glückwünsche zu Eurem ersten Longplayer cHristiane
F. cHemical FaitH. Zwar (noch) kein perfektes Album, aber
ich mag es ausgesprochen gern, und es ist definitiv ein gelungener
Auftakt. Wie geht's Euch? Wenn ich recht informiert bin, habt
Ihr mit der Studio-Arbeit an Eurem zweiten Album begonnen...
Federico: Vielen Dank! Wir denken auch, dass Chemical
Faith ein großartiger Anfang war. Wie es aussieht
wird auf Souls, unserer nächster
Platte, eine ganze Menge Neues hinzukommen. In den letzten Tagen
waren wir wieder im Studio, und Gabriele hat die Drumparts aufgenommen.
Wir sind alle beeindruckt. Alles läuft im Moment nach Plan,
und wir denken darüber nach, unser Album im März 2008
offiziell in Deutschland vorzustellen.
Jochen:
Was mich sehr interessiert, ist das nahezu Offensichtliche: wie
kommt es, dass sich eine italienische Band dem Thema Christiane
F. und den „Kindern vom Bahnhof Zoo” widmet?
Federico: Unser Drummer Gabriele hatte die Idee, nachdem
er das Buch gelesen und den Film gesehen hat. Er sprach mit der
Band darüber und jeder fand das Thema spannend. Wir kannten
den Film, weshalb es einfach war, sich dafür zu entscheiden,
denn die Geschichte kommt äußerst intensiv rüber
und wird im Buch eindringlich und sehr emotional erzählt.
Du musst wissen, dass wir jedes Mal, wenn wir uns im Studio getroffen
haben, den Film „Christiane F.“ in einer Endlosschlaufe
haben laufen lassen, alleine wegen der Atmosphäre, die vom
Licht geschaffen wurde.
Jochen:
Seid Ihr in Verbindung mit Christiane F.? Kennt sie Euer Album?
Habt Ihr irgendeine Rückmeldung von ihr bekommen?
Federico: Nein, leider nicht. Ich gestehe, dass die Idee
großartig gewesen wäre, Christiane F. zu kontaktieren,
hauptsächlich um ihre Meinung über unser Konzept zu
erfahren. Gerade den Regisseur des Films anzuschreiben (Uli Edel)
wäre interessant gewesen, damit er erfährt, welche Musik
wir zu seinem Film gemacht haben, und er uns eine Rückmeldung
gibt, was er davon hält.
Jochen:
Wie war die Resonanz bislang auf Christiane F. Chemical Faith?
Wart Ihr überrascht über die weitgehend positive Aufnahme,
bzw. habt Ihr solch ein Feedback erwartet?
Federico: Die Reaktionen auf unser Album waren wirklich
toll und sehr wohlwollend. Wir wussten eigentlich, dass unser
Album eine fabelhafte Arbeit war, und wir haben auf positive Rückmeldungen
gehofft, was sich glücklicherweise bestätigt hat.
Jochen:
Wie sieht es mit einem Vertrieb bzw. einem Plattenvertrag für
Euer nächstes Album aus?
Federico: Wir haben Verschiedenes in Planung, aber das
Wichtigste ist, erst einmal ins Studio zu gehen und das neue Album
aufzunehmen. Wenn es fertig ist, werden wir weitersehen. Wir sind
jedenfalls guter Dinge.
Jochen:
Mit Fabrizio Dottori verfügt ihr über einen Saxophonisten,
der Christiane F. Chemical Faith eine eigene und eigenwillige
Note hinzufügt. Auf der deutschen NEVERDREAM Seite stand
zu lesen, das Fabrizio mittlerweile ein festes Mitglied der Band
ist. Können wir demnach weitere Saxophoneinsätze erwarten?
Federico: Wir haben mit Fabrizio bereits an anderen Projekten
zusammen gearbeitet. Die ursprüngliche Intention war es tatsächlich,
nur ein wenig Saxophon Unterstützung auf Chemical
Faith einzubauen; aber das großartige Resultat
veranlasste uns Fabrizio zu bitten, fest in die Band einzusteigen.
Aber das ist nicht der einzige Grund: Fabrizio ist ein äußerst
qualifizierter Musiker, der uns bei Konzerten an den Keyboards,
beim Programmieren und bei den Background Vocals wunderbar helfen
kann.
Jochen:
Übrigens… der Einsatz eines Saxophonisten auf einem
Metal-orientierten Album ist ja überhaupt recht ungewöhnlich…
Federico: Wir wissen natürlich, dass ein Saxophonist
in einer Metal-Band eher unüblich ist, aber um Missverständnissen
vorzubeugen: NEVERDREAM setzt sich aus Leuten
zusammen, die Musik lieben, packende Melodien und Arrangements
schätzen und „wahre“ Gefühle vermitteln
wollen. Und wenn uns ein Saxophon stimmig erscheint, kümmern
uns die klassischen Standards eines bestimmten musikalischen Genres
wenig. Wir gehen da lieber unseren eigenen Weg.
Jochen:
…das führt mich direkt zur nächsten Frage. Ich
denke, gerade weil Ihr mit “Metal Standards” brecht,
ist Eure Musik so spannend. Wollt Ihr diese Gratwanderung weiter
betreiben, oder lieber auf Nummer Sicher gehen, um eingeschworene
Metalheads zufrieden zu stellen
Gabriele: Das neue Album wird sich von Chemical
Faith ziemlich unterscheiden; es besitzt Acid-Rock
Anteile, mehr Elektronik, sowohl was die Sounds angeht, aber auch
was die harmonischen und melodischen Parts betrifft. Gleichzeitig
hat’s noch mehr Power und Härte als das vorige Werk.
Nein, ernsthaft, Souls geht nicht den
sicheren Weg, alleine schon der Vielfalt unserer Einflüsse
wegen, außerdem wird’s kein Album, das sich gleich
beim ersten Hören vollständig erschließt.
Jochen:
Der komplette Titel Eures neuen Albums lautet Souls 26 April
1986. Klingt nach einem Konzeptalbum über die Katastrophe
von Tschernobyl. Würdet Ihr uns etwas über den Inhalt
verraten; was haben wir zu erwarten?
Federico: Stimmt, das nächste Album heißt
Souls und wird ein Konzeptalbum über
den Tschernobyl-Vorfall sein. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist
bei diesem Thema natürlich das Verhältnis von Menschheit
und Natur, ein zweiter das Leid und die Trauer eines Mannes, der
seine Familie verloren hat. Was zu erwarten ist? Starke Riffs,
ergreifende Melodien, großartige Arrangements, umfangreiche
progressive Parts, eine dunkle, psychedelische Atmosphäre
– und das alles x-fach potenziert im echten NEVERDREAM
Stil.
Jochen:
Verfolgt Ihr ein übergeordnetes Konzept, bestimmte Dekaden
musikalisch zu erfassen? Also ähnlich wie es David Peace
mit seinen Krimis (z.B. 1974, 1977 und 1980) literarisch betreibt.
Federico: Nach dem Release von Chemical Faith
hatte Gabriele die Idee, weitere Konzeptalben über die Schwächen
und Verfehlungen der Menschheit in einem bestimmten Zeitabschnitt
zu realisieren. So stehen die 70er für Drogen, die 80er für
die nukleare Problematik etc… Ich werde jetzt aber nichts
über die anderen geplanten Alben verraten (ha ha ha)! Nur
so viel: es soll ein Album für jedes Jahrzehnt, von den 40ern
bis zum Ende des letzten Jahrhunderts geben. Eine Geschichte der
„sieben Todsünden“ aus unserer Sicht, und nicht
wie die katholische Kirche sie darlegt.
Jochen:
Gegründet 2000, seid Ihr noch eine recht junge Band. Ich
schätze mal, Ihr könnt vermutlich nicht von der Musik
allein leben. Welchen Beschäftigungen geht Ihr nach und wie
bekommt Ihr die Jobs und die musikalische Leidenschaft unter einen
Hut?
Federico: Stimmt, wir sind noch eine recht junge Band,
und du hast vollkommen recht mit deiner Annahme, dass wir nicht
von unserer Musik leben können. Wir führen alle ganz
normale Leben, die natürlich nicht nur aus Träumen bestehen,
sondern dankenswerterweise Berufe zu bieten haben, denen wir nachgehen.
Natürlich ist die Musik unsere größte Leidenschaft,
und wir opfern vieles für die Band, mit Hingebung aber auch
einer Menge Vergnügen. Wir glauben jedenfalls alle an NEVERDREAM,
doch im Moment ist es noch ein Traum, von der Musik alleine leben
zu können. Aber wir denken, Träume sind gut für
die Gesundheit „ha ha ha“. Außerdem muss man
einfach darauf vertrauen, dass Träume eines Tages wahr werden.
Jochen:
Ihr habt leider nur ein Konzert in letzter Zeit in Deutschland
gegeben, passenderweise in Berlin. Werdet Ihr mit dem neuen Album
auf eine größere Deutschlandtour gehen?
Federico: Ja, wir haben leider nur eine Chemical
Faith Show in Berlin gespielt, da das Konzert in
Aalen gecancelt wurde. Wir arbeiten daran, einige Auftritte in
Deutschland hinzubekommen, sobald das neue Album veröffentlicht
ist. Wir werden auf jeden Fall in Stuttgart mit ein paar anderen
bekannten Bands auftreten; und wenn alles gut läuft, wird
sich eine kleine 10 Städte Tournee daran anschließen…
einfach auf News warten! Wir werden definitiv nach Deutschland
zurückkehren, wo wir eine tolle Zeit hatten. Alleine deshalb
werden wir einige explosive Shows vorbereiten.
Jochen:
Danke, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt meine Fragen zu beantworten
:) Wenn ich irgendwas vergessen habe, oder Ihr einfach noch etwas
mitzuteilen habt, ist das jetzt der richtige Zeitpunkt ;-)
Federico: Dank zurück und Danke an Nocturnal Hall,
dass ihr euch Zeit für uns genommen habt! Ich denke nicht,
dass wir etwas vergessen haben, zumindest hoffe ich es…
Wie auch immer, wir würden uns freuen, euch alle im März
in Deutschland begrüßen zu dürfen. Infos gibt’s
natürlich auf http://www.myspace.com/neverdreamband
und auf unserer deutschen Homepage http://www.neverdream.de/,
die demnächst graphisch aufgepeppt und ins Deutsche, Englische
und Italienische übersetzt wird. Bis bald! |