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2014-12-10 DE – Essen - Turock
 

[Dajana] At War With Reality, das erste AT THE GATES Album nach fast 20 Jahren (nach Slaughter Of The Soul 1995) und nach der Reunion in 2008 längst überfällig. Für die einen die Offenbarung, für den Rest ein zumindest gutes Comeback-Album. Für alle jedenfalls die perfekte Gelegenheit AT THE GATES live zu Gesicht zu bekommen, wenn man bis dato keine Gelegenheit auf diversen Festivals hatte. Denn natürlich will ein neues Album auch live ordentlich promotet werden ;) Das TRIPTYKON mit dabei sind, macht das Package umso verlockender, auch wenn es im Vorfeld diverse Probleme gab und es lange gar nicht klar war, ob TRIPTYKON nun dabei sind oder nicht.

:: Fotos ::

[Dajana] Einmal mehr begeben wir uns dafür ins heißgelliebte Turock, welches auch prompt ausverkauft ist. In Anbetracht dieser Tatsache, marschiere ich extra zeitig in den Club, um mir einen guten Platz zum fotografieren zu suchen und finde mich in meinem persönlichen At War With Reality wider, da es eine Sicherheitsabsperrung vor der Bühne gibt, die aber kein Fotograben ist. Das wird aus dieser Perspektive sicher kein schöner Abend…
[BRT] Ob AT THE GATES nun mit oder ohne Comeback-Album am Start gewesen wären, hätte vermutlich an dem Publikumsandrang nichts geändert. Die neue Platte konnte zumindest mich nicht sonderlich begeistern (solide, nett oder Auftragsarbeit fällt mir dazu allerhöchstens ein), mehr aber auch nicht. Aber auf TRIPTYKON freue ich mich wie ein Schneekönig und auch MORBUS CHRON haben mit Sweven ein verdammt heißes Eisen im Gepäck. Man darf also auch ohne Interesse am Headliner gespannt sein. Aber erst mal auf ein paar Tassen Bier ins Cafe Nord zum Aufwärmen. Schmeckte schon wieder verdächtig gut, das Gebräu...
[Psycho] …das Schnitzel war aber auch nicht schlecht… hehe. Von der neuen AT THE GATES war ich beim ersten Hören enttäuscht, aber das Album wächst mit jedem Durchgang – besser als umgekehrt. TRIPTYKON waren bisher bei jedem von mir gesehenem Konzert einfach nur großartig, warum da also wenig erwarten? Von MORBUS CHRON allerdings hatte ich im Vorfeld noch nie was gehört. Die Band wurde aber von Bert und Julian wärmstens empfohlen, so dass ich zumindest ausreichend neugierig wurde.
Sowas peinliches wie den Sicherheitsgraben habe ich aber im Turock noch nie gesehen; was zum Geier sollte das? Welche(r) Rockstar(s) hatte(n) denn da Angst vor dem eigenen Publikum?

[Dajana] Los geht es pünktlich mit den schwedischen Newcomern :: MORBUS CHRON ::, die im Frühjahr ihr hochgelobtes Zweitwerk Sweven veröffentlicht haben, mit dem sie ihre alte Death Metal Schule einfach über Bord geworfen haben. MORBUS CHRON sind 2014 geradezu avantgardistisch, ziemlich schräg und anspruchsvoll geworden und dürften damit für viele schwerer zugänglich sein. Und das war dem Publikum auch durchaus anzumerken, dass sich doch sehr zurückhaltend die Performance anschaute. Die Band selbst schien sich schnell in eine andere Dimension zu spielen, ging über kleinere Soundprobleme hinweg und zog ihr Ding durch. Ich fand’s großartig und muß mich da mal näher mit Band und Musik beschäftigen ;)
[BRT] MORBUS CHRON haben mit ihrem zweiten Album Sweven einen interessanten wie gewagten Quantensprung hingelegt. Vom Schweden Death Metal-lastigen Autopsy-Worship auf dem Erstling Sleepers In The Rift, hin zu schrägen, ja fast psychedelischen Gitarren, die mich neben Death hier und da vor allem an die kaputten Oldenburger von Incubator aus den frühen Neunzigern, oder das vielgeschmähte Spheres Album von Pestilence erinnern. In Zeiten wo die Schweden Death Metal Schwemme etwas zu sehr überhandgenommen hat, ein wohltuender Ausbrecher aus allzu bekannten Strukturen. Die Jungs machen ihre Sache gut, wirken aber vielleicht etwas zu distanziert. Aber ich wage auch zu bezweifeln, ob jeder im Publikum diesen musikalischen Schritt verstanden hat, oder verstehen wollte… Ich fand‘s auf jeden Fall großartig!
[Psycho] Ich muss den Auftritt als positive Überraschung verbuchen, selbst in Anbetracht der im Vorfeld erfolgten Lobhudeleien. MORBUS CHRON erzeugten musikalisch ein dichte Atmosphäre, die sich wohltuend eigenständig vom sonstigen progressiven Death-Geschehen abhob. Lediglich der eindimensionale Gesang versuchte sich störend auszuwirken, aber letztlich überzeugte dann doch die Musik. Ob Tom diese Band ausgesucht hat? Würde schon irgendwie passen… Im Gegensatz zu meinen Kollegen fand ich das Verhalten des Publikums aber durchaus angemessen, denn ich gehe mal davon aus, dass kaum jemand mit der Band vertraut war. Da kann man bei dem halt eher sperrigem Songmaterial doch keine enthusiastischen Reaktionen erwarten…

[Dajana] Als Drummer Norman am kleinen Kit der Vorband rumbastelte, schwante mir Böses. :: TRIPTYKON :: hatten also wie Morbus Chron auf dem kleinen Equipment und arg begrenzten Platz auf der Bühne zu agieren. Das kam einer Demütigung gleich. Die Begeisterung in den Gesichtern der Band hielt sich daher in Grenzen, zumal während des Sets auch noch ständig ein Roadie auf der Bühne rumwuselte, um irgendwas zu richten. Tom Gabriel Warrior sagte auch lange nichts, bedankte sich dann aber doch beim Publikum und freute sich, endlich von der Insel runter und wieder in Deutschland zu sein. Musikalisch sind TRIPTYKON eh über jeden Zweifel erhaben. Finsterer und atmosphärischer geht es nicht! Tolle Show!
[BRT] Höh? Tom Warrior war doch überraschend gut drauf, machte sogar den einen oder anderen Scherz. TRIPTYKON waren einfach nur super, pfefferten gleich das übermächtige Goetia und zwei meiner absoluten Celtic Frost-Faves (Circle Of The Tyrants und The Ursuper) ins Publikum. Da hatten sie für mich schon längst gewonnen. Die schwarze zähflüssige Messe danach war wohl für den einen oder anderen zuviel des Guten. Ausstrahlung, Atmosphäre und Sound stimmten, nur die Spieldauer war natürlich viel zu kurz! Nächstes mal als Headliner wiederkommen bitte.
[Dajana] Stimmt, eine TRIPTYKON Headliner-Tour ist längst überfällig…
[Psycho] Aber sowas von… ;-) Denn zumindest zur letzten Platte gab es immer nur Headliner-Slots auf Festivals, aber keine eigene Tour. Dafür war die Band auch heute Abend wieder absolut überzeugend – was für eine Schwere und Tiefe da (gekonnt) zelebriert wird, sucht im Metaluniversum seinesgleichen. Erwarten konnte man das aufgrund der eher schlechten Bedingungen nicht unbedingt: Knatsch mit At The Gates schon vor der Tour, ‘ne mickrige Bühne mit wenig Licht, und dann reicht die zugestandene Zeit sogar nur für fünf Songs. Von wegen Status als Co-Headliner, den ich eigentlich für selbstverständlich gehalten hatte. Immerhin war der Sound super (wie bei allen Bands an diesem Abend – im Turock leider nicht die Regel), und Tom nahm die Sache anscheinend mit Humor und war in der Tat wirklich gut gelaunt. Lockere Sprüche hört man nämlich sonst eher selten von ihm. Er hat da allerdings auch eine feine Truppe am Start, die ihm musikalisch auf höchstem Niveau den Rücken freihält. Es bleibt dabei: TRIPTYKON sind und bleiben eine Klasse für sich.
[BRT] Ach ja, die Vollídioten, die ausgerechnet bei TRIPTYKON ziemlich aggressiv den Moshpit eröffnen mussten… falsche Band erwischt, oder was?
Setlist: Goetia, Altar Of Deceit, Circle Of The Tyrants, The Usurper, The Prolonging, Winter

[Dajana] Danach gab es beinahe einen Komplettaustausch des Publikums in den ersten Reihen, alle rückten deutlich dichter an die Absperrung und es wurde fix klar: jetzt würde es sehr kuschelig werden. Dann donnerten :: AT THE GATES :: auch schon mit dem Intro El Altar del Dios Desconocido des brandneuen Albums los und kaum dass die ersten drei Takte gespielt waren, stand der erste Fan auch schon auf der Bühne und sprang ins Publikum. Danach stand das Turock mehr oder weniger Kopf. Schnell bildeten sich Moshpits, gab es Gerangel hier und da, während AT THE GATES einen Heidenspaß auf der Bühne hatten. Denen stand der Spaß ins Gesicht geschrieben :) Der Sound brachial gut und blies alles weg. Egal was man vom neuen Album halten mag, live sind AT THE GATES eine Macht! Gerade in so einem kleinen Club. Was für eine Show, was für ein Spektakel! AT THE GATES spielten 2/3 von At War With Reality aber auch mindestens einen Song von jedem anderen Album. Da meine Wenigkeit Frühdienst hatte, machte ich mich schon vor dem Ende aus dem Staub, was nicht ganz so einfach war, da man ob der Dichte quasi wie eingeschweißt stand, wo man gerade stand… Großartiger Konzertabend. Das läuft! Immer noch… ;)
[BRT] Ja, öh… war natürlich inzwischen rappelvoll vorne vor der Bühne und so gucke ich mir den größten Teil des AT THE GATES Gigs (ebenfalls inzwischen ziemlich voll) von sehr weit hinten an. Wirkten etwas statisch die Herren, der Sound war super aber packen konnten sie mich nicht an diesem Abend. Naja, wenn sie das With Fear I Kiss The Burning Darkness Album komplett gespielt hätten, wäre das vermutlich anders gewesen (aber mit dieser Meinung stehe ich ja auch etwas exklusiv da… ;)). Aber so, ja ganz nett, ne…
[Psycho] Ich hatte eigentlich ein anderes Problem mit dem Gig, denn für meinen Geschmack zeigte die Headliner-Position, dass sich viele zu viele Riffs und Melodien der Schweden viel zu ähnlich sind, auch wenn sie für sich alleine betrachtet durchaus zünden mögen. So stellte sich im Laufe des Auftritts bei mir immer mehr das Gefühl von Eintönigkeit und fehlender Abwechslung ein, was nun mal fast zwangsläufig zu in einer gewissen Langeweile führt. Natürlich sind die meisten Songs für sich alleine betrachtet definitiv gut genug, um Schädel automatisch in Bewegung zu setzen, aber dieser Effekt lässt eben doch nach, wenn er überstrapaziert wird. An sich schade, denn zumindest Tompa und die Björler-Twins zeigten sich durchaus engagiert und von den überschwänglichen Reaktionen des Publikums angetan. Zwei weitere Eindrücke haben sich mir außerdem aufgedrängt: 5 Freunde sind das nicht, die da auf der Bühne stehen, und Tompas Stimme wird das Ende der Tour mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erleben. Kann uns aber egal sein, wir haben AT THE GATES ja jetzt gesehen. Für den größten Teil der Anwesenden war das wahrscheinlich das Konzert des Jahres, mich hingegen haben die beiden „Vorbands“ mehr überzeugt.
Setlist: El Altar del Dios Desconocido, Death And The Labyrinth, Slaughter Of The Soul, Cold, At War With Reality, Terminal Spirit Disease, Raped By The Light Of Christ, The Circular Ruins, Under A Serpent Sun, Windows, City Of Mirrors, Suicide Nation, Heroes And Tombs, Nausea, World Of Lies, The Burning Darkness, The Book Of Sand (The Abomination) // Blinded By Fear, Kingdom Gone, The Night Eternal

 

story © BRT, Psycho & Dajana • Photos © Dajana & Dajana Winkel • Photography