[Dajana] HEILUNG ist eine unglaublich intensive Band, welche die nordische Mythologie aus jeder Pore verströmt, ohne jemals kitschig, lächerlich oder übertrieben zu wirken. Und selten hat eine Live-Zeremonie so viele Menschen zutiefst berührt. Ich habe es inzwischen schon zweimal beobachten können, wie die Musik von HEILUNG die Anwesenden geradezu hypnotisiert und so mancher regelrecht in Trance verfiel. HEILUNG spielen kein Konzert, HEILUNG zelebrieren ein Ritual, das jenseits vom dem liegt, was man üblicherweise auf einer Bühne geboten bekommt. HEILUNG erzählen eine Geschichte mit einem sich stetig aufbauenden Spannungsbogen, der beim Finale in reiner Ekstase gipfelt.
[Dajana] Nach ihrer großartigen Tour im Winter des letzten Jahres (Livebericht hier), kommen HEILUNG für nur eine einzige Show in diesem Jahr nach Deutschland (als Auftakt ihrer Europa-Festival-Tour), und diese findet im großartigen :: Amphitheater Gelsenkirchen :: zu statt. Hier hatten wir schon im letzten Jahr ein atemberaubendes Konzert von Wardruna (und Eivør) erleben dürfen.
Und auch HEILUNG bringen großartige Gäste mit, allen voran die zauberhafte Amalie Bruun aka MYRKUR und die musikalisch ebenfalls ungewöhnlichen Schweizer ZEAL & ARDOR um Manuel Gagneux. Dieses Package und das Amphitheater versprechen einmal mehr ein außergewöhnliches Live-Erlebnis.
[Dajana] Aber wie schon beim erwähnten Wardruna-Konzert gab es auch heuer einige organisatorische Probleme. Das HEILUNG-Konzert war zunächst für den Samstag, den 29. Juli, angekündigt worden und sollte eigentlich so etwas wie ein Ein-Tages-Festival werden, bis man feststellte, dass der Samstag schon vergeben war. Glücklicherweise konnte direkt auf den Sonntag umgelegt werden – nur eben ohne das Festival Drumherum.
Auch beim Einlass ergab sich ein ähnliches Bild: Kilometerlange Warteschlangen und eine viel, viel zu späte Einlasszeit, so dass Tausende von weit angereisten Fans MYRKUR verpassten.
[Psycho] Kunststück, wurde doch nicht nur der Tag, sondern auch die Einlasszeit nach hinten verschoben, statt 16:30 nun auf 18:00 Uhr, also eine Stunde vor Konzertbeginn. Da auch diese Zeit nicht gehalten wurde (tatsächlicher Beginn Einlass: 18:15), konnte das gar nicht mehr für über 6000 Leute funktionieren. Frechheit, weil man so von vorneherein um einen Teil des bezahlten Konzerterlebnisses gebracht wird, ohne daran selber Schuld zu haben.
[BRT] Katastrophal organisiert, da gab es viel Ärger bei den zahlreichen Fans, die weit über eine Stunde in den endlos langen Schlangen standen. Puh, eigentlich müsste man so etwas doch inzwischen gelernt haben.
[Dajana] Darüber hinaus zeigte sich der letzte Tag des Monats Juli von seiner nassen Seite. Bei kühlen 18°C regnete es zunehmend stärker über den Abend. Da auch der Wind recht auffrischte, waren von Anfang an keine Backdrops angebracht, später mussten sogar Teile der Bühnendeko abgeräumt werden bzw. wurden vom Wind davongetragen. Immerhin gab es keine Gewitter. Und als erfahrene Festivalhasen im Amphitheater ist die NH Crew ja jeder Wetter-Herausforderung gewachsen ;)
:: Fotos :: MYRKUR ::
[Dajana] Mit leichter Verspätung startete :: MYRKUR :: in diesen denkwürdigen Abend. Die Dänin präsentierte ein rein folkloristisches Set, das neben der Stand-Alone Single, Dronning Ellisiv, nur Songs des 2020iger Drittwerks Folkesange enthielt. Das war somit ein eher ruhiges Set. Und das, obwohl sie von einem Trommler, zwei Background-Sängerinnen (die auch Knochen und Tamburine spielten), einer Cellistin und Heilungs Christopher Juul (der aussah, als hätte man ihn gerade vom Sofa runtergezogen) an den Saiteninstrumenten begleitet wurde. Das fand ich persönlich ein bisschen schade, da MYRKUR ja auch ganz anders kann.
[Psycho] Stimmt, das war sehr ruhig, weil einige Stücke sogar noch zurückgenommener und langsamer als auf CD präsentiert wurden. Das hatte aber auch was, und ich fand es eigentlich sehr angenehm und passend.
Die Besetzung fand ich überraschend groß – ich wäre auch nicht erstaunt gewesen, wenn MYRKUR sich alleine auf die Bühne gestellt hätte. So war es aber natürlich musikalisch variabler und hatte mehr Tiefe. Wirklich ein sehr schönes Konzert, welches aber ein wenig unter der vielen Bewegung im Rund litt, die durch die erst jetzt eingelassenen Besucher (zwangsweise, s.o.) entstand. Aber immerhin regnete es da noch nicht…
[BRT] Die Black Metal Wurzeln der amerikanischen Dänin (oder umgekehrt) blieben heute außen vor, dafür stand der Folk im Vordergrund und im Zusammenspiel mit der Bühnendekoration ergab sich eine sehr atmosphärische Show. Dazu hat die Dame eine herausragende Stimme, die bei reduzierten Sounds deutlich besser zur Geltung kommt, als bei voller Krawall-Beschallung. Mit House Carpenter gab es dann auch noch einen schottischen Folk-Traditional Klassiker. Mein Favorit des Abends, ganz klar.
Band: Amalie Bruun
Setlist: Ramund, Fager Som En Ros, Leaves Of Yggdrasil, Dronning Ellisiv, Harpens Kraft, House Carpenter, Tor I Helheim, Ella
:: Fotos :: ZEAL & ARDOR ::
[Dajana] Mit :: ZEAL & ARDOR :: konnte ich mich bisher wenig anfreunden. Der eine oder andere Song hatte mir bisher durchaus gefallen, auch finde ich die Kombination aus Black Metal und Gospel so schräg wie einzigartig, aber die Alben in ihrer Gesamtheit konnten mich bisher nicht wirklich packen. Und live hatte ich ZEAL & ARDOR bisher nicht gesehen. Als die Schweizer dann aber mit Church Burns losdonnerten, blies es mir beinahe den Schädel weg. Ich konnte keine Sekunde stillstehen und versuchte verzweifelt, trotzdem scharfe Fotos hinzubekommen, da auch alle Akteure auf der Bühne auf Teufel komm raus rumtobten.
ZEAL & ARDOR spielten mit brachialer Gewalt – ein totaler Kontrast zu Myrkur und auch später zu Heilung. Aber das mir hat trotz des Regens wirklich sehr viel Spass gemacht. Allerdings finde ich, dass die Songs immer viel zu abrupt enden. Und ich mochte den dreistimmigen Gesang sehr, fühlte mich gelegentlich an Hozier erinnert, gerade auch beim Opener Church Burns (zu Take Me To Church).
[Psycho] Die Band hatte mich bisher ebenfalls eher peripher interessiert, was nach dem Gig auch so bleiben wird. Der Gesang war in der Tat mal was Anderes, aber ansonsten klang das alles zu sehr nach genau dem Dicke-Hose-Metal, dem ich noch nie was abgewinnen konnte. Objektiv betrachtet kamen die Schweizer zwar richtig gut an, waren aber unabhängig von meinem persönlichen Geschmack in dieser Konstellation krass fehlbesetzt – was sie (einigen Ansagen zufolge) selber auch so gesehen haben.
[BRT] Sympathische Band, die es recht früh geschafft hatte einigen Black Metal Traditionalisten ans Bein zu pinkeln, weil sie es gewagt hatten, Black Metal mit Gospelgesang und Bollo-Gitarren zu vermischen. Was eine Unverschämtheit. Live kam das richtig gut und war schwerst unterhaltsam. Manuel Gagneux hat dazu eine fantastische Stimme. Insgesamt waren die Bollo-Parts etwas zu übersteuert und haben viel von dem eigentlich recht abwechslungsreichen Sound übertönt. Auf Platte kann diese Mischung aber auch nicht immer zu 100% überzeugen, bzw. über 45 Minuten durchhalten. Live machte es aber Laune. The Devil Is Fine ist mal ein Hit vor dem Herren… dem Hail Fucking Satan!
[Dajana] Ja, ich muss mich doch nochmal in Ruhe und ein bisschen intensiver mit der Band und deren Musik beschäftigen ;)
Band: Manuel Gagneux (git, vox), Tiziano Volante (git), Lukas Kurmann (bass), Marco von Allmen (drums), Denis Wagner (vox), Marc Obrist (vox)
Setlist: Intro, Church Burns, Götterdämmerung, Blood In The River, Run, We Can't Be Found, Death To The Holy, Don't You Dare, Satisfactory Lucifer, Feed The Machine, Baphomet
:: Fotos :: HEILUNG ::
[Dajana] :: HEILUNG :: hatten dann schon ca. eine Viertelstunde Verspätung oder so, so dass wir befürchteten, die Band müsse ihr Set kürzen, da im Amphitheater ja pünktlich um 23 Uhr der Stecker gezogen wird. Passierte zum Glück nicht. Dafür wurde die Eröffnungszeremonie kürzer gehalten, das Ensemble wartete auch nicht, bis es mucksmäuschenstill war. Generell war die Setliste kürzer als bei den vorangegangenen Zeremonien.
[Psycho] Ich kannte bis dato nur einzelne Videos von HEILUNG und natürlich einige ihrer Tonträger. Somit war ich nicht im mindestens auf das Folgende vorbereitet…
Mit einem normalen Konzert lässt sich das Geschehen nämlich nicht vergleichen, sondern eher mit einer komplett durchchoreographierten Inszenierung. Ob die jetzt wirklich so authentisch der nordischen Mythologie entspringt, kann ich mangels Fachkenntnis nicht beurteilen, aber faszinierend anzusehen war es allemal! Auf jeden Fall geben z.B. YouTube-Videos oder CDs nicht mal ansatzweise die Atmosphäre wieder, die live durch die Musik und das abwechslungsreiche Geschehen erzeugt wird. Besondere Erwähnung finden sollten in diesem Zusammenhang die (Miet-)Drummer, die durch ihren exaltierten Stil eine sehr intensive Dynamik entfachten. Optisch war das Ganze ebenfalls extrem abwechslungsreich: fast jeder Musiker besetzte verschiedene Rollen, und immer wieder wurden noch weitere Statisten auf die Bühne geholt.
Also kein Vergleich mit irgendeiner Form von Tonkonserve, HEILUNG haben mich live definitiv mehr abgeholt, als ich es im Vorfeld erwartet hätte. Tolles Konzert, das würde ich gerne noch mal sehen! Dann bitte aber ohne Regen…
[BRT] Auch beim zweiten Mal HEILUNG live kann mich das Spektakel nur bedingt begeistern. Keine Frage, das ist nett anzuschauen, hat seine hypnotischen Momente und reißt hier und da auch mal richtig mit. Aber mir fehlt da dann doch mal ein guter Song, ne richtig fesselnde Atmosphäre wie bei Wardruna oder… ich weiß es einfach nicht. Irgendwie überdeckt das Spektakel doch viel was musikalisch einfach nur mittelmäßig ist. Gut, gut – das hat Spaß gemacht den Drummern zuzugucken. Die Vorstellung, dass so die erste Musik der Urmenschen geklungen haben mag, ist ebenfalls schon recht spannend. Irgendwann wurde es dann auch zäh...
[Dajana] Das lag vermutlich an dem nun einsetzenden, recht üppigen Dauerregen und dem auffrischenden Wind. Wenn einem überall der Regen reinläuft, fehlt einem die Muße, sich vollends auf solch ein Spektakel einzulassen. Patchnass ging es dann auch schon vor der Abschlusszeremonie zum Auto und auf dem Heimweg.
Band: Maria Franz, Kai Uwe Faust, Christopher Juul
Setlist: Opening Ceremony, In Maidjan, Alfadhirhaiti, Krigsgaldr, Hakkerskaldyr, Svanrand, Norupo, Othan, Traust, Asja, Anoana, Elddansurin, Hamrer Hippyer, Closing Ceremony
Krieger: Bella (Feuertänzerin, Kriegerin), Alex (Drums), Emilie (vox, Kriegerin), Martin (Krieger), Annicke (vox), Jacob (Drums), Mira (vox), Nicolas (Drums),
[Dajana] Ich bin insgesamt dennoch recht zufrieden, was diesen Konzertabend anbetrifft. Ich habe endlich MYRKUR und ZEAL & ARDOR live gesehen, die ich beide toll fand, und ich musste (dankenswerterweise, weil Fotografin) auch nicht kilometerlang anstehen. HEILUNG funktionieren in einer Halle aber wesentlich besser, wie ich finde, weil dann auch die Lichtspiele viel besser zur Geltung kommen.
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